Sonntag, 4. November 2018

Ohne Ethik ist keine Wirtschaft zu machen


Papst Franziskus setzt die mit der Sozialenzyklika Rerum Novarum 1891 von Leo XIII. begründete Tradition der katholischen Soziallehre fort. Schon mit seinem Lehrschreiben Gaudium Evangelii hat Franziskus im ersten Jahr seines Pontifikates vor der „Vergötterung des Geldes“ und einer „Wirtschaft der Ausschließung“ gewarnt. 2013 stellte er fest: „Diese Wirtschaft tötet.“



Auch das jetzt mit seinem Segen vorgelegte Schreiben der Kongregation für Glaubenslehre warnt vor einem globalen Wirtschafts- und Finanzsystem, in dem das Geld vom „Mittel zum Zweck“ wird und nicht mehr „dient“, sondern „regiert.“



Papst und Kurie weisen darauf hin, dass unser Wirtschafts- und Finanzsystem an seinen inneren Widersprüchen zugrunde geht, wenn es sich von den ethischen Grundsätzen Gerechtigkeit, Freiheit, Solidarität, Menschenwürde und Wahrheit verabschiedet. Dem „Recht des Stärkeren“ stellen Franziskus und seine Kardinäle einen „ganzheitlichen Wohlstands“ und eine „ganzheitlichen Entwicklung der Menschheit“ entgegen, in der die durch Gott und seine Schöpfung hervorgebrachten Güter allen Menschen zu Gute kommen.



Die Hüter der Glaubenslehre empfehlen der Wirtschaft den Weg der katholischen  Soziallehre und beschreiben die Wirtschaft als „fruchtbaren Sauerteig“, in dem es nicht um Profit, sondern um „soziale Beziehungen“ geht und in dem Geld, für alle transparent, der realwirtschaftlichen Entwicklung und nicht der gewinnmaximierenden Spekulation dient.



„Als Bund der katholischen Unternehmer können wir hier nur zustimmen. Notwendig sind Kriterien für eine solche dienende Funktion“, stellt dessen Bundesvorsitzender Ulrich Hemel fest. Für ihn geht es „um eine inhaltliche Diskussion“ und eine „gesellschaftliche Auseinandersetzung“ darüber, wie diese „Kriterien des Dienens“ in der Praxis aussehen sollen. „Wer definiert, was dient? Welches Interesse steckt dahinter?“ fragt der Unternehmer. Für seine Kollegen und sich nimmt Hemel in Anspruch, „das für uns die Kopplung von sozialen und wirtschaftlichen Indikatoren wichtig sind.“



Aber der BKU-Chef gibt sich keinen Illusionen hin. Er sagt: „Es gilt bei solchen Themen auch um Fragen von Macht, Legitimität und Governance zu beachten.“



Nicht nur im Finanzbereich, sondern auch in der Kirche sieht Hemel die Frage: „Wer entscheidet nach welchen Spielregeln, wer setzt die Spielregeln und wer überwacht ihre Einhaltung?“ als  „brisant und teilweise ungelöst“ an.



Sein Amtskollege Andreas Luttmer-Bensmann von der Katholischen Arbeitnehmerbewegung betont: „Die Grundüberlegung, dass Geld und Wirtschaft dem Menschen dienen sollen, ist nicht neu, vielleicht nicht passend zum Mainstream, aber ein Wegweiser in eine menschlichere Zukunft.“



Der Bundesvorsitzende der KAB kritisiert, dass „Wirtschaft inzwischen zum Selbstzweck geworden ist und politisches Handeln danach ausgerichtet wird, ob es der Wirtschaft an sich dient.“



Deshalb legt die  Erklärung der Kongregation für die Glaubenslehre zum Finanzsystem für ihn „die Finger in die Wunden“, wenn sie die Fragen nach einer gerechten Verteilung der Wirtschaftsgüter und Dienstleistungen und der gerechten Entlohnung aufwirft.



Das Primat des heutigen Wirtschafts- und Finanzsystems sieht der Sprecher der katholischen Arbeitnehmer Deutschlands nicht in der Verteilungsgerechtigkeit, sondern in Profit und Wachstum. Luttmer-Bensmann macht sich deshalb die Forderung nach einer „solidarischen Wirtschaft“ zu Eigen. Doch er weist darauf hin, dass die Denkanstöße der Kongregation für Glaubenslehre nur dann gesellschaftlich wirken können, wenn sich „Politiker und Bürger diese Anliegen zu eigen machen.“



 Dieser Text erschien am 27. Mai 2018 in der Tagespost, Würzburg

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