„Die meisten Schüler kennen die beiden Weltkriege und die Reichspogromnacht nur aus dem Geschichtsunterricht. Dort werden diese Themen nüchtern abgehandelt. Aber die Jugendlichen können dazu keine emotionale Beziehung aufbauen“, sagt die Vorsitzende des Jugendstadtrates, Klara Aus der Fünten, deren Urgroßmutter 1945 vor der Roten Armee aus Ostpreußen fliehen musste.
Am Vorabend des Tages, an dem sich die Reichspogromnacht des 9. November 1938 zum 80. Mal jährt, reinigt die Oberstufenschülerin der Gustav-Heinemann-Schule mit ihrer Mitschülerin Antonia Bock und dem Kreisvorsitzenden des Volksbundes Deutscher Kriegsgräberfürsorge, CDU-Stadtrat Markus Püll, auf dem Platz der ehemaligen Synagoge eben das Relief am Eingang zum Medienhaus, das an das jüdische Gotteshaus erinnert. Es wurde am 9. November 1938 eben dort auf Befehl des Mülheimer Feuerwehrchefs Alfred Freter in Brand gesetzt.
Es war der Anfang vom Ende der Jüdischen Gemeinde, die vor der Machtübernahme Hitlers 1933 noch rund 600 Mitglieder gezählt hatte. Sie hatten sich in der 1907 am damaligen Viktoriaplatz zu ihren Gottesdiensten versammelt. Zum Zeitpunkt der Reichspogromnacht hatte die Gemeinde durch Flucht und Tod die Hälfte ihrer Mitglieder verloren. Wer zu diesem Zeitpunkt nicht fliehen konnte, wurde ab 1941 in die Vernichtungslager deportiert. 270 jüdische Mülheimer wurden Opfer des Holocaust.
Sie wurden Opfer einer von Hass, Gewalt und Machtanspruch verblendeten antidemokratischen Politik, die auch 7000 Mülheimer Soldaten und 1100 Zivilisten in zwei Weltkriegen das Leben kostete.
Sie wurden Opfer einer von Hass, Gewalt und Machtanspruch verblendeten antidemokratischen Politik, die auch 7000 Mülheimer Soldaten und 1100 Zivilisten in zwei Weltkriegen das Leben kostete.
„Wir wollen 100 Jahre nach dem Ende des Ersten Weltkrieges und 80 Jahre nach der Reichspogromnacht ein Zeichen für Frieden, Toleranz und Demokratie setzen, in dem wir nicht nur das an die 1938 niedergebrannte Synagoge erinnernde Relief, sondern auch Gräber von gefallenen Soldaten und Zwangsarbeitern säubern und pflegen“, sagt der Mülheimer Volksbund-Vorsitzende Püll.
„50 bis 60 Mülheimer Schüler werden durch ihren Einsatz auf dem Altstadtfriedhof und auf dem Hauptfriedhof nicht nur die junge Generation an ihre Verantwortung dafür erinnern, dass sich Krieg und Diktatur nicht wiederholen“, erklärt die Vorsitzende des Jugendstadtrates mit Blick auf die für den 15. November angesetzte Grabpflegeaktion des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge.
Der Volksbund lädt darüber hinaus am Volkstrauertag (18. November) zu einer Gedenkstunde am Mahnmal des Unbekannten Soldaten an der Ecke Hagdorn/Kettwiger Straße ein. Und seine seine Bildungsreferentin Jana Moers berichtet am 28. November im Jugendstadtrat über die Friedensarbeit der Kriegsgräberfürsorge.
Angesichts rechtspopulistischer und rechtsextremer Tendenzen wollen Stadtrat Markus Püll und Jugendstadträtin Klara Aus der Fünten mit der Grabpflege auf dem 1812 eröffneten Altstadtfriedhof und auf dem 1916 angelegten Hauptfriedhof ein Zeichen für Frieden, Freiheit und Demokratie im Europa der Europäischen Union setzen, die nicht von ungefähr 2012 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet worden ist.
Dieser Text erschien am 8. November 2018 im Lokalkompass der Mülheimer Woche
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen