Mittwoch, 5. September 2018

Menschliche Kontinuität

Ich traue mich abends in der Innenstadt nicht mehr auf die Straße. Da sind so viele undurchsichtige Typen unterwegs“, klagt die alte Dame und fügt hinzu: Das war früher anders. Damals war die Polizei öfter auf der Straße zu sehen.“ Wie anders es war, fand ich gestern bei Recherchen im Stadtarchiv heraus, als ich in einem Bericht der Mülheimer Zeitung des Jahrgangs 1894 nachlesen konnte: „Wieder einmal hat es sich  gezeigt, dass es für Frauen nicht ratsam ist,  abends, nach Einbruch der Dunkelheit, in der Innenstadt unterwegs zu sein. Denn gestern abend wurden zwei Damen von einem verrohten Burschen, der dem Alkohol zu sehr zugesprochen hatte, unsittlich angesprochen.

Den entsetzten Damen blieb nur die Flucht. Leider blieb das unverschämte Bürschlein unerkannt. Man hätte es ihm gewünscht, dass er einmal Bekanntschaft mit der Polizei macht.“
Wahrscheinlich haben auch die bedrängten und geflohnen Frauen anno 1894 über die Verrohung der Sitten und die mangelnde Präsens der Polizei geklagt und sich nach der  „guten, alten Zeit gesehnt“! Wir wissen, dass sie sich damals, wie wir heute, geirrt haben, weil der Mensch ein Mensch war, ist und bleibt, in jeder Hinsicht.

Dieser Text erschien am 5. September 2018 in der NRZ

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