Montag, 17. September 2018

Es gibt sie noch, die Solidarität

Manchmal hat man das Gefühl, dass sich die Zeit gegen einen verschworen hat, weil sie einem immer schneller davon läuft. Eben fühlte man sich noch auf der Höhe der Zeit und schon kommt man zu spät und wird vom Leben bestraft. Doch manchmal wird man vom Leben belohnt, zum Beispiel  vom Fahrgast einer Bahn, der mit dem Fuß solange die Schiebetür blockiert, bis der späte und eilige Zeitgenosse die letzten Meter bis zum Einstieg geschafft hat. Das nenne ich Solidarität! Danke, Herr Nachbar, dass Sie mit einer halben Minute ihrer Lebenszeit dafür gesorgt haben, dass ich im Tageslauf den Anschluss behielt. Gemeinsam kommt man eben doch besser und schneller ins Ziel.

So lange es noch solch freundliche Mitmenschen gibt, braucht man nicht in Kulturpessimismus verfallen und mit Blick auf die Zukunft schwarz zu sehen. Die nächste Gelegenheit, mich zu revanchieren, kommt sich auch für mich schon bald. Und dann werde ich an Sie, lieber Herr Nachbar, denken und Ihnen oder einem unserer Kollegen den Weg frei machen, damit auch Sie, Er oder Sie rechtzeitig dort hin kommt, wo Er oder Sie erwartet und gebraucht werden und wir so nirgendwo in der Sackgasse landen.

Dieser Text erschien am 15. September 2018 in der NRZ

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