Sonntag, 30. September 2018

Babyboomer brauchen mehr Selbstbewusstsein

Die Journalistin Lisa Ortgies stellte im Medienforum des Bistums ihr neues Buch vor und traf dabei den Nerv ihres Publikums

Witzig, ernst und geistreich. So gewann Frau-TV-Moderatorin Lisa Ortgies im Medienforum des Bistums die Herzen ihres mehrheitlich weiblichen Publikums, dem sie ihr neues Buch „Ich möchte gerne in Würde altern, aber doch nicht jetzt“ vorstellte, ohne dass der Abend zur oberflächlichen Personality- und Verkaufsshow geraten wäre. Im Gegenteil. Mit dem Schalk im Nacken und dem ernsten Blick für das Wesentliche im Leben, hatte die 52-jährige Journalistin nicht nur die Lacher, sondern auch die nachdenklichen Nicker auf ihrer Seite.

Das Alter der Journalistin und zweifachen Mutter, die auch schon das Kulturmagazin des NDRs moderiert und die Redaktion der Frauenzeitschrift Emma geleitet hat, darf man nennen. Denn es ist Kern des Themas, das Ortgies ohne Wehklagen, aber mit sanfter Ironie in den Fokus nimmt. Von ihrer Generation der Babyboomer, die heute zwischen 50 und 60 Jahre alt ist, wünscht sie sich weniger Jugendwahn und Selbstoptimierungszwang. „Wir sollten öfter mal Stopp sagen und uns mehr in die Politik einmischen, die dabei ist uns auf einen Kostenfaktor künftiger Rentner-Massen zu reduzieren, obwohl wir doch zwischen Kindererziehung, Berufsleben, und Elternpflege die Leistungsträger der Gesellschaft sind und ihr viel geben.“

Dass die Aufmerksamkeit der Medienmacher, Werbestrategen und Arbeitgeber jenseits der 49 aufhört und 40- bis 60-jährige Eltern meinen, mit ihrem Lebensstil mit ihren Teenager-Kindern oder Enkeln in Konkurrenz treten zu müssen, findet Ortgies ebenso irrsinnig wie den oft abschätzigen Blick den politische und wirtschaftliche Meinungsführer „auf eine vermeintlich defizitäre und sich deshalb immer verändern müssende und niemals bei sich ankommen dürfende Generation in der Mitte des Lebens.“

Dass man als Mensch der Generation 50 plus erwachsener und älter werden darf und muss, dass man sich mehr Zeit und Freiraum für sich und seine vielleicht noch verborgenen Talente und Sehnsüchte geben darf und sollte, ist Lisa Ortgies nach einem Herzinfarkt ein Herzensanliegen. Mehr Selbstbewusstsein und In-Sich-Ruhen, statt ein Immer weiter im Hamster-Rat des Perfektionierungswahns. Das ist ihre Botschaft.

Und die kam auch bei den vielen Frauen und wenigen Männern im besten Alter an, die am 19. September den Weg in das von Vera Steinkamp geleitete und einfühlsam moderierte Medienforum gefunden hatten.

„Ich kann Sie sehr gut verstehen und ich gebe Ihnen Recht!“ sagte Ortgies einer Frau, die ihre erfolgreiche Familien- und Erziehungsarbeit als „Hausfrau und Mutter“ schilderte. Diese anstrengende und verantwortungsvolle Arbeit, die ihren Kindern und der Gesellschaft zu gute komme, werde von dieser aber nicht gewürdigt.

Wäre die gläubige und aus der niedersächsischen Diaspora stammende katholische Christin, Lisa Ortgis, die als Teenager die katholische und die autonome Jugendarbeit kennen lernte, nicht Journalistin, sondern Bundeskanzlerin – eine interessante Vorstellung – würde sie als erstes das Ehegatten-Splitting und das neue Unterhaltsrecht abschaffen, weil es viele nicht berufstätige, dafür aber in der Familien- und Erziehungsarbeit umso tätigere Frauen, nach einer Ehescheidung in die Armut stoße und ihnen damit die „A-Karte“ gebe. 

Lisa Ortgies Buch: „Ich möchte gerne in Würde altern, aber doch nicht jetzt – Erwachsen werden für Profis“, ist im Verlag Kiepenheuer und Witsch erschienen und für 14,99 Euro im Buchhandel erhältlich.   

Dieser Text erschien am 20. September 2018 im Neuen Ruhrwort

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