Christian Weise leitet das Raphaelhaus seit 2002 |
Warum wurde das Raphaelhaus
vor 100 Jahren gegründet?
Andrea Hörning: Weil es
damals mit August Thyssen noch einen katholischen Unternehmer gab, der etwas
für die Kinder seiner Arbeiter und später auch für andere Kinder Mülheims tun
wollte. Damals wurde die Vereinigte August-Thyssen-Stiftung gegründet, von der
wir bis heute getragen werden. Der Vorläufer des Raphaelhauses wurde aber schon
1858 in der Pfarrgemeinde St. Mariae Geburt vom Pastor Kaspar Wolff und den
Elisabeth-Schwestern gegründet. Sie sahen, dass immer mehr Kinder aus armen
Familien im Zuge der Industrialisierung sozial und emotional zu verwahrlosen
drohten.
Nehmen Sie heute Waisenkinder
auf, deren Eltern gestorben sind?
Christian Weise: Nein, es
handelt sich um Kinder, die aus sozial benachteiligten und emotional belasteten
Elternhäusern kommen, in denen sie zum Beispiel Gewalt, Missbrauch oder
Vernachlässigung erfahren haben. In unseren Wohngruppen und Außenwohngruppen
leben Kinder und Jugendliche zwischen 6 und 19 Jahren. Wir betreiben aber auch
eine Kindertagesstätte mit 40 Plätzen und bieten darüber hinaus ambulante
Familienhilfe an.
Vor welchen
Herausforderungen stehen Sie und Ihre 58 Kollegen im Raphaelhaus?
Andrea Hörning: Viele der
Kinder und Jugendlichen, die bei uns sind, müssen sozial und emotional erst mal
nachtanken, um sich als Persönlichkeit zu stabilisieren. Viele sind durch die
Erfahrungen in ihrem Elternhaus traumatisiert und entwickeln deshalb oft eine
Bindungsstörung, weil sie ihr Urvertrauen verloren haben. Hier versuchen wir
als Pädagogen, Erzieher, Sozialarbeiter, Psychologen und Heilpädagogen mit
einer persönlichkeitsstärkenden Erlebnis-Pädagogik gegenzusteuern und seelische
Verletzungen durch positive Erfahrungen zu heilen.
Warum haben Sie zu ihrem
100. Geburtstag einen Fachtag rund um das Thema Digitatlisierung zwischen
Kompetenz und Sucht veranstaltet?
Christian Weise: Weil wir
zwar eine alte Institution sind, aber als Einrichtung der Kinder- und
Jugendhilfe täglich an unserer Zukunft arbeiten und uns so von Berufs wegen
eine jugendliche Frische bewahrt haben. Wir können in unserer Arbeit mit den
Jugendlichen, in der auch der Umgang mit Cyber-Mobbing oder der exzessiven
Nutzung von Internet, Computer und Smartphone eine Rolle spielt, an dem Thema
Digitalisierung nicht vorbeikommen. Ich stelle immer wieder fest, dass
Jugendliche heute ein hohes technisches Wissen haben und in der Theorie die Chancen
und Risiken der Digitalisierung kennen, aber in der Praxis dann doch oft
blauäugig agieren, weil sie einfach dazu gehören wollen.
Welche Erkenntnis hat Ihnen
der Fachtag gebracht?
Andrea Hörning: Dass wir
auch im Zeitalter der Digitalisierung mit unserer Erlebnispädagogik richtig
liegen, indem wir Jugendlichen wichtige Frei,- Spiel- und Erfahrungsräume
bietet, damit sie sich zu einer stabilen Persönlichkeit zu entwickeln. Unsere Arbeit basiert auf
einem guten, persönlichkeitsstärkenden und vor allem verlässlichen
Beziehungsangebot. Durch dieses
Beziehungsangebot erleben die jungen Menschen im Haus oft das erste Mal, dass
sie sich auf Erwachsene verlassen können, dass Versprechen eingehalten werden,
dass man keine Angst haben muss, wenn „Fehler“ passieren. Die Erlebnispädagogik
ist ein tolles Konzept, um Erfahrungen zu machen und seine Erfahrungen
ausweiten zu können, um Vertrauen wieder aufbauen zu können.
Christian Weise: Mir ist
verstärkt bewusst geworden, dass die bei uns lebenden Kinder und Jugendlichen
früher erwachsen werden müssen, als ihre Altersgenossen, die in der Regel immer
länger im Elternhaus bleiben. Das ist für unsere Bewohner und Kollegen eine
besondere Herausforderung, die sie gemeinsam meistern müssen.
(Die Fragen stellte Thomas
Emons)
Zur Person
Christian
Weise - Jahrgang 1961, leitet das Raphaelhaus seit 2002, Der
Diplom-Sozialarbeiter
und Diplom-Pädagoge hat an der Universität Duisburg/Essen studiert und ist ausgebildeter , Familienberater.
Andrea Hörning, Jahrgang 1965, ist seit 2002 seine Stellvertreterin.
Die Diplom-Heilpädagogin, Familientherapeutin, Kinder- und
Jugendtherapeutin und Traumatherapeutin hat an der Fachhochschule in Hannover studiert.
und Diplom-Pädagoge hat an der Universität Duisburg/Essen studiert und ist ausgebildeter , Familienberater.
Andrea Hörning, Jahrgang 1965, ist seit 2002 seine Stellvertreterin.
Die Diplom-Heilpädagogin, Familientherapeutin, Kinder- und
Jugendtherapeutin und Traumatherapeutin hat an der Fachhochschule in Hannover studiert.
Dieser Text erschien am 12. Juli 2018 in der Neuen Ruhr Zeitung
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