Dienstag, 24. Juli 2018

Alles reine Nervensache

Mich wundert nicht, dass es oft so lange dauert, bis politische Entscheidungen mehrheitsfähig sind und so beschlossen und umgesetzt werden können.

Denn irgendeiner hat immer Bedenken, hält die Zeit noch nicht für reif oder einem anderen schmeckt die ganze Richtung nicht. Um das zu erleben, muss man nicht in die Politik gehen. Man braucht nur ein Familienfest vorzubereiten. Wann soll das Ganze stattfinden? Aber doch nicht an diesem Tag. Da habe ich was anderes vor. Eine Woche später wäre perfekt. Doch diese Terminverschiebung bringt so sicher, wie das Amen in der Kirche, die nächste Absage mit sich. Eine Woche vorher hätte ich gekonnt, aber an diesem Tag geht es nun gar nicht. Dann wird der Kreis der Lieben eben kleiner. Es muss ja nicht jeder immer dabei sein. Und so haben wir am Tisch mehr Bein- und Armfreiheit. Das kann dem Gelingen der Festrunde nur zuträglich sein.

Was soll denn auf den Tisch kommen? Nicht schon wieder Apfelkuchen. Sahnetorte ist doch viel leckerer. Auf keinen Fall. Gegen Sahne bin ich allergisch. Ok. Wir fangen später an und essen Pizza und anschließend vielleicht noch ein Eis. Prima. Darauf können sich alle einigen. Doch der Pizzabäcker schießt quer. Unser hart verhandelter Konsenstermin fällt in seine Betriebsferien. Der soll mir noch mal sagen, seine Geschäfte liefen nicht gut. Kann man denn einem fremden Pizzabäcker geschmacklich und preislich überhaupt die schwierige Herausforderung zutrauen, den festlichen Familienkreis kulinarisch zu befriedigen und bei Laune zu halten?
Wir disponieren um und einigen uns in einer Telefon-Krisen-Konferenz auf Schnittchen, Bier und Marmorkuchen mit Kaffee als Nachtisch. Bäcker, Metzger und Konditor sind Gott sei Dank noch nicht in Urlaub, aber der Chef des Festkomitees schon fast urlaubsreif. Doch dann wird am Ende alles schön. Auch Familienpolitik ist eben reine Nervensache.

Dieser Text erschien am 24. Juli 2018 in der Neuen Ruhr Zeitung

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Trüber November

 Für den Evangelischen Kirchenkreis an der Ruhr und seine sechs Gemeinden ist der November nicht nur klimatisch trübe. Superintendent Michae...