Auch wenn das Ausbildungsjahr am 1. August startet, suchen derzeit noch 500 Schulabgänger einen Ausbildungsplatz. Gleichzeitig suchen mehr als 400 Betriebe immer noch Bewerber für ihre freien Lehrstellen. Darauf hat der Chef der Agentur für Arbeit, Jürgen Koch, jetzt am Rande eines Ausbildungscamps hingewiesen, an dem 16 ausbildungsplatzsuchende Jugendliche seit der vergangenen Woche teilnehmen.
Von Arbeitgebern, so Koch, höre er immer wieder die Klage über unzureichend motivierte Bewerber. Mit Sorge sieht der Agenturchef die Stagnation der Ausbildungsplätze in Mülheim und Oberhausen. „Im vergangenen Jahr haben wir 240 von vorher 1100 Ausbildungsplätzen verloren, während die Zahl der Lehrstellen in diesem Jahr wieder um 120 angestiegen ist“, schildert Koch das Auf und Ab des Ausbildungsmarktes.
Ausdrücklich dankte Koch der katholischen und der evangelischen Stadtkirche, die in einer ökumenischen Kraftanstrengung zusammen mit dem Rotary Club Mülheim das Trainingscamp im katholischen Stadthaus an der Althofstraße finanziert haben.
Warum? „Ich kenne eigentlich nur Jugendliche, die etwas lernen und ausgebildet werden wollen. Und ich sehe als Christ das Recht auf Arbeit als ein Grundrecht“, erklärt der katholische Pfarrer und Stadtdechant Michael Janßen. Seine evangelische Amtsschwester Dagmar Tietsch-Lipski aus der Lukas-Kirchengemeinde weist darauf hin, „dass Jugendliche die Chance einer Berufsausbildung brauchen, um als Mensch an dieser Herausforderung zu wachsen und zu reifen.“ Für den in der Lehrstellenwerbung altbewährten emeritierten Weihbischof Franz Grave kommt es darauf an, „bei der Bereitstellung von Ausbildungs- und Arbeitsplätzen nicht nachzulassen, weil mit ihnen das Fundament im Lebenshaus der Jugendlichen gelegt wird.“ Und Michael Otto betont als Präsident des schon länger in der Bildungsförderung engagierten Rotaryclubs Mülheim, „dass unsere Gesellschaft nur dann eine gute Zukunft hat, wenn es uns gelingt, jungen Menschen einen Ausbildungs- und Arbeitsplatz zu geben, mit dem sie nicht nur Geld verdienen, sondern auch glücklich zu werden.“
Nach dem Trainingscamp und vor dem Beginn ihrer Praktikumswoche in Betrieben der Region machen Cliff Andreas Beckmann und Leilan Aslan einen durchaus glücklichen Eindruck. Ausgesprochen selbstsicher und selbstbewusst berichten sie von ihren Erfahrungen beim Bewerbungstraining mit einer Theaterpädagogin und einem Selbstbehauptungscoach. Sie stellten mit ihnen die Feinheiten eines Bewerbungsgespräches und eines Arbeitsessens in Rollenspielen nach.
„Uns hat die Woche wirklich viel gebracht“, sind sich Leilan und Cliff Andreas einig. Beide haben nach ihrer Einschätzung vor allem davon profitiert, dass sie sehr praxisnah ihr persönliches Kommunikationsverhalten, aber auch ihre persönlichen Stärken und Schwächen reflektieren mussten. „So etwas haben wir in der Schule nicht erlebt. Das hat uns wirklich weitergebracht“, sagen die beiden Jugendlichen, ehe sie zum Abschluss ihrer ersten Woche im Ausbildungscamp zum Flugsimulatortraining mit einem Piloten verabschieden. Auch bei diesem Training soll es für sie darum gehen, richtungsweisende Entscheidungen zu treffen, die sie voranbringen. „Alle Jugendlichen sind in der ersten Woche bereits persönlich gereift und gewachsen und damit gut auf ihre nun folgenden Betriebspraktika vorbereitet, glaubt Berufsberater Alexander Tietze von der Agentur für Arbeit. Und sein Chef Jürgen Koch geht davon aus, dass die Zahl der Ausbildungsplatzsuchenden nach dem Ende des Ausbildungscamps sinken wird.
Dieser Text erschien am 25. Juli 2018 in NRZ/WAZ
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