Montag, 28. August 2017

Ruhr statt Riviera: Ein Zeitsprung am Kahlenberg

Sonntagspartie am Kahlenberg um 1900
Postlartenansicht aus dem Stadtarchiv Mülheim an der Ruhr
Wir schreiben das Jahr 1900. Der Herr von Welt trägt Hut und der junge Mann kleidet sich in einem Mastrosenanzug, weil die Marine des Kaisers liebstes Kind ist.

Die Postkartenansicht von einer Sonntagspartie zum Restaurant am Kahlenberg zeigt es. Der Urlaub oder die Sommerfrische fand für die meisten Mülheimer damals zu Hause statt, etwa mit Bier, Limonade und Kaffee auf der Terrasse des 1890 eröffneten Restaurants am Kahlenberg. Ab 1897 kamen die Mülheimer mit der neuen elektrischen Straßenbahn noch schneller zu dem beliebten Ausflugslokal. Ruhr statt Riviera lautete damals die Devise für Herrn und Frau Normalverbraucher. Bis zu 3000 Gäste fanden im Restaurant am Kahlenberg einen Platz und eine tolle Aussicht aufs Ruhrtal.

Doch 1951 war die legendäre Gastwirtschaft abgewirtschaftet und man überlegte ernsthaft das 1889 errichtete Haus am Hang abzureißen. „Da weiß ich was besseres“, sagte der damalige Stadtdirektor und Jugenddezernent Bernhard Witthaus. Die Stadt kaufte das alte Gasthaus und eröffnete dort 1952 eine Jugendherberge.

Nun kamen hier Schulklassen, Ruhrtalwanderer, Teilnehmer von musikalischen Proben-Wochenenden oder Gäste aus den Partnerstädten gut unter. Ab 1989 waren die legendären Herbergseltern Angelika und Eugen Meyer Herz und Seele dieser guten Herberge. Jährlich begrüßten und betreuten sie dort bis zu 10 000 Gäste.

Doch im Dezember 2010 mussten sie am Kahlenberg auschecken.  Denn die Stadt hatte sich aus finanzpolitischen Gründen dafür entschieden, das alte Jugendhaus für 900 000 Euro an einen Investor zu verkaufen, der dort acht Wohnungen mit Tiefgarage einrichtete. 

Dieser Text erschien am 28. August 2017 in der Neuen Ruhr Zeitung

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