Montag, 30. Dezember 2024

Eine Stadt im Fluss der Zeit

 Nicht ist beständiger als der Wandel. Das ist auch in Mülheim so, wo viel Wasser die Ruhr hinunterfließt. Der 239 Kilometer lange Fluss strömt auf 14 Kilometern durch unsere auf 40 Metern über Normal Null gelegenen Stadt, die die Ruhr aus gutem Grund im Namen trägt.

Schon im Winter 883/84 floss die Ruhr durch Mülheim, dass allerdings erst 1093 erstmals als Gerichtsort urkundlich beim Namen genannt werden sollte. Ruhrfurt und der aus Duisburg drohende Ansturm der Normannen, der dann aber nie kam, führte dazu, dass am Broicher Ruhrufer ein Sperrfort gebaut wurde, dass später zur Burg und noch später zum Schloss Broich um- und ausgebaut werden sollte.

Wenn die meisten der aktuell 175.000 Einwohner gerne in Mülheim leben dann hat das vor allem auch mit der Ruhr und dem Ruhrtal zu tun. Wer die Stadt nicht kennt, wundert sich immer wieder, dass eine Stadt im Ruhrgebiet so grün sein kann.

Tatsächlich sind 52 Prozent der Stadtfläche grün. Die Ruhr hat Mülheim Reichtum gebracht. Mathias Stinnes, für den in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts bis zu Schiffe seine Kohle und mehr über Rhein und Ruhr transportierten, lässt grüßen.

Und nicht nur die Familie Vorster, die 1808 Mülheims ersten Bürgermeister stellten, haben mit ihrer klappernden Papiermühle am Broicher Ruhrufer ab Mitte des 17. Jahrhunderts gutes Geld mit ihrem hochwertigen Kanzleipapier verdient. Ihr ehemaliger Lehrling Wilhelm Rettinghaus nahm sein Handwerk 1683 mit in die Neue Welt und fand dort sein Glück. Auf dem Papier aus seiner Mühle wurde am Beginn des 18. Jahrhunderts die erste amerikanische Zeitung gedruckt. Auch dass Mülheim in der zweiten Häfte des 19. Jahrhunderts zu einer Lederstadt mit bis zu 60 Fabriken wurde, hatte mit seiner Lage am Wasser zu tun. Das galt auch für die 1927 am Broicher Ruhrufer, auf dem Gelände der alten Papiermühle Vorster, errichteten Wasserburg der Rheinisch-Westfälischen Wasserwerksgesellschft. (RWW)

Die 1912 gegründete RWW und ihre damaliger Geschäftsführer Gerd Müller waren es, die im Jahr der Landesgartenschau MüGa aus einem alten Boothaus auf der Schleuseninsel das Haus Ruhrnatur und aus einem 1892 von August Thyssen errichteten Wasserturm in Styrum das Wassermuseum Aquarius machte. 

Der Fluss hat der Stadt an seinen Ufern aber nicht nur Glück gebracht. Immer wieder, besonders extrem 1890, 1943 und 2021, trat er über seine Ufer und sorgte für seinen Hochwassern für großen Schaden. Und vor 100 Jahren sahen sich 32 Menschen in unserer Stadt dazu genötigt, eine Deutsche Lebensrettungsgesellschaft zu gründen, um Nichtschwimmer zu Schwimmern und Schwimmer zu Rettungsschwimmern zu machen, damit weniger Menschen als bis dahin in der Ruhr den nassen Tod fanden. Gleichzeitig genossen die Menschen in Mülheim an der Ruhr deren Strand als ihre Riviera des kleinen Mannes. 

Wo um 1860 noch mehr als 10.000 Transportschiffe die Ruhr zum meist befahrenen Fluss Europas machten, ehe sie ab 1862 von der Eisenbahn im Zug der Zeit abgehängt wurden, fahren seit 1927 die Schiffe der Weißen Flotte. Kaum zu glauben, dass sie in ihrer ersten Saison fast 500.000 Fahrgäste beförderte. Aber damals verbrachten die meisten Menschen ihre knapp bemessene Freizeit in der Regel zuhause.

Und zur Ruhr gehörten natürlich auch immer legendäre Ausflugslokale, wie Müller Menden, Müller Flora, das Kahlenbergrestaurant, um nur drei von 250 Gaststätten zu nennen, die es vor dem Ersten Weltkrieg in Mülheim an der Ruhr gab.

Apropos Weltkrieg. Im Zweiten Weltkrieg wurde Mülheim 1943 infolge der britischen Bombardierung der Möhnetalsperre, siehe Hochwasser, zum menschen gemachten Verhängnis. Mit dieser Hochwasserkatastrophe mussten die Menschen in Mülheim an der Ruhr erleben und erleiden, dass der 1939 in ihrem Namen begonnene Krieg jetzt auf sie zurückschlug.

Angesichts von 14 Brücken, die heute in Mülheim die Ruhr überqueren, kann man es sich gar nicht vorstellen, dass Mülheim erst 1844 mit seiner sogenannten Kettenbrücke, die offiziell Friedrich-Wilhelm-Brücke hieß, seine erste Ruhrüberquerung bekam, der 1911 die erste und 1960 die zweite Schloßbrücke folgen sollten.

Dass die 1844 arbeitslos gewordenen Fährleute der Familie Scholl 1867 zu den Gründern des späteren Handelskonzerns Tengelmann gehörten, ist ein historisches Paradebeispiel für den wirtschaftlichen Strukturwandel, den Mülheim an der Ruhr bis auf den heutigen Tag meistern muss. Auch der 1927 eröffnete Rhein-Ruhr-Hafen, der an die Tradition des von 1840 bis 1880 an der Ruhr gelegenen Hafens anknüpfte, ist ein solches Beispiel.

Und dass die Zuschüttung des ersten Mülheimer Ruhrhafens mithilfe des 1879 gegründeten Verschönerungsvereins den Beginn der grünen Ruhranlagen bedeutet, zeigt uns ebenso, dass mit jedem Ende, auch ein Anfang verbunden sein kann, dessen Zauber, frei nach Hermann Hesse, uns beschützt und uns hilft zu leben. 

Möge es mit dem Ende des Jahres 2024 und dem Beginn des neuen Jahres 2025 ebenso sein.


Geschichtsverein Mülheim an der Ruhr

Sonntag, 29. Dezember 2024

Schöne Bescherung

Eine schöne Bescherung. Das wünscht man sich zu Weihnachten, wohlgemerkt buchstäblich und nicht doppeldeutig. Eindeutig ist die Armut, die man bei der Bescherung des Vereins Solidarität im Ruhrgebiet am Nordeingang des Hauptbahnhofes erlebt. 
Der Name des 2018 gegründeten Vereins ist Programm. Mit freiwilligen Helfern und freiwilligen Spenden sorgt der Verein werkstäglich an den Hauptbahnhöfen dafür, das hungrige und bedürftige Menschen zwischen 17.30 und 18.30 Uhr ein warmes Abendessen bekommen. Hier geht Nächstenliebe durch den Magen. An diesem Tag vor Weihnachten werden Reis und Hähnchen aufgetischt. Neben des Ehrenamtlichen des Vereins Solidarität im Ruhrgebiet sind diesmal auch Mitarbeiter des Marokkanischen Kultur- und Sportvereins und Mitarbeitende der Targo-Bank mit von der Partie, die nicht nur das warme Essen und nicht alkoholische Getränke ausschenken, sondern auch winterfeste Kleidung und Obst verteilen. 

"Ich habe ein warmes Zuhause und einen gut gefüllten Kühlschrank. Das reicht mir als Motivation, um hier "als Mädchen für alles mitzumachen", sagt eine Helferin der Solidarität im Ruhrgebiet e.V. Ein Targo-Banker meint: "Ich bin froh hier zu sein und Teil dieser helfenden Gemeinschaft zu sein, weil ich hier sehe, dass wir in unserer Gesellschaft den Menschen zu wenig helfen, die am dringendsten unsere Unterstützung brauchen." Und für den Vorsitzenden des Marokkanischen Kultur- und Sportvereins steht fest: "Wir sind alle Teil einer Gesellschaft. Und wenn jeder etwas mithilft, kann es besser werden."
Schade findet es die stellvertretende Vorsitzende der Solidarität im Ruhrgebiet, dass die Stadt Mülheim nicht mitmachen wollte, als sie vom Verein mit der Idee konfrontiert wurde, die leerstehenden Flüchtlingsunterkünfte für Obdachlose zu öffnen. Zwar gebe es eine Notschlafstelle an der Kanalstraße. Diese werde aber von vielen Obdachlosen bewusst gemieden, weil sie aus gutem Grund befürchten müssten, von Mitbewohnern bestohlen oder misshandelt zu werden.

Wer sich fragt, warum sich etwa 30 Menschen, Tendenz steigend, sich täglich in einem mit Autoscheinwerfern ausgeleuchteten  Partyzelt auf Biertischgarnituren im zügigen Wind kostenfrei beköstigen lassen, hört in den Gesprächen mit den bedürftigen Gästen zum Beispiel von: "Falsche Freunde, Drogen, Krankheit, Arbeitsunfälle, Arbeitsunfähigkeit, Sucht, Beschaffungskriminalität, Haftstrafen, Lohndumping, Minirenten und anderen Schicksalsschlägen, die das Leben mit sich bringen kann." An diesem Abendtisch des Vereins Solidarität im Ruhrgebiet sind keine Frauen, sondern nur alleinstehende Männer mittleren und fortgeschrittenen Alters zu sehen."

Unter den Helfenden ist man sich einig: "Niemand von uns kann sich davon frei sprechen, von einem oder mehreren Schicksalsschlägen aus seiner Lebensbahn geworfen zu werden." Und eine der Solidaritäterinnen, die beruflich in der Gastronomie tätig ist, erinnert sich an einen Ingenieur, der durch den Tod seiner Frau dem Alkohol verfallen ist und dann mit seinem Arbeitsplatz auch seine bürgerliche Existenz verloren habe. Hinzu komme, dass viele von Alkohol, Drogensucht und psychische Erkrankungen zerrüttete Menschen, nicht mehr in der Lage seien, sich selbstständig durch den Dschungel der Sozialstaatsbürokratie zu kämpfen, um die Hilfe zu bekommen, die sie brauchen und auf die sei ein Recht haben." Und so müssen ehrenamtlich Helfende, Sponsoren und Spender, zu denen neben ganz normalen Bürgerinnen und Bürgern mit Herz auch Gastronomen, Metzger, Bäcker und Lebensmittelhändler gehören, die durch Inflation und Rationalisierung gerissenen Löcher im sozialen Netz unserer Gesellschaft notdürftig wieder stopfen.

Mittwoch, 25. Dezember 2024

Weihnachten im Krieg

 Manchmal scheint es so, als lerne die Menschheit nichts aus ihrer Geschichte. Auch dieses Jahr ist Weihnachten ein Fest des Friedens, mitten im Krieg, siehe Ukraine und Naher Osten.

Vor 80 Jahren erlebten die Menschen in Mülheim den Krieg am eigenen Leibe. Am frühen Nachmittag des 24. Dezember 1944 entluden 169 Bomber der Royal Air Force ihre tödliche Fracht über Raadt und Menden. Ihr Ziel war der 1939 zum militärischen Fliegerhorst gemachte Flughafen Essen Mülheim und die dort stationierten Düsenjets ME262. Diese Kampfflugzeuge setzte die Wehrmacht damals in ihrer Ardennenoffensive ein und hatte sie deshalb, gut getarnt, in einem nahegelegenen Waldstück stationiert.

Getroffen wurde nicht das militärtechnische Material, sondern die Menschen, die zum Beispiel in einem Hochbunker an der Windmühlenstraße Zuflucht gesucht hatten. Dessen 1,40 Meter dicke Betondecke wurde von einer 1000-Kilo-Bombe durchschlagen und tötete 50 Bunkerinsassen. Insgesamt starben an diesem Tag mehr als 200 Menschen an den Folgen des Luftangriffs. Unter ihnen waren auch viele Insassen des benachbarten Arbeits- und Erziehungslagers. Denn sie hatten keinen Zutritt zu Luftschutzräumen und mussten Luftangriffe in Unterständen und Splittergräben zu überleben versuchen. 

Die meisten Menschen im Erdgeschoss des Bunkers überlebten den Bombentreffer. Sie mussten Tote und Verletzte aus dem Bunker tragen und sie auf den gefrorenen Boden legen. Es dauerte zwei Stunden, ehe die ersten Rettungskräfte eintrafen und die Verletzten in die Mülheimer und Oberhausener Kliniken brachten. Dort gab es zu wenige Betten, so dass viele Verletzte dort auf Stroh gelagert werden mussten. Einige wurden auch in einem Stollen am Oberhausener Hauptbahnhof untergebracht und später mit einem Zug gen Osten evakuiert. Von dort aus mussten sie dann wieder nach Westen fliehen, weil die Rote Armee aus dem Osten voran rückte. Sie erlebten eine Katastrophe nach der Katastrophe. 

Mehr Glück im Unglück hatten die kleinen Patienten im Haus Jugendgroschen, dass während des etwa zehnminütigen Bombenangriffs zerstört wurde. Denn sie lagen zu diesem Zeitpunkt nicht in ihren Betten eines provisorischen Kinderkrankenhauses, sondern wurde in der Nähe bei einer Weihnachtsfeier beschert.

Nicht nur in Menden und Raadt, sondern auch in Holthausen ließen die Druckwellen der großkalibrigen Bomben Türen und Fenster bersten und auch die eine oder andere Hauswand einstürzen. Ein halbes Jahr nach diesem Luftangriff, einem von 161, die Mülheim während des Zweiten Weltkrieges trafen, war der Krieg beendet. Und die britischen Truppen machten das vom Krieg gezeichnete Flughafengelände als Besatzungsmacht zu ihrem LKW-Parkplatz. Die Reste des zerstörten Hochbunkers wurden ab 1947 als Lagerhaus genutzt, ehe sie, 40 Jahre später, neuen Einfamilienhäusern Platz machten. Auf einer Grünfläche am Sportplatz des SV Raadt erinnert seit 1960 eine Gedenktafel an die getöteten und verletzten Opfer des Heiligabendangriffs 1944.


Mülheimer Geschichtsverein

Dienstag, 24. Dezember 2024

Licht im Dunkel

 Christen und Juden zünden im Dezember Kerzen an. Ob am Weihnachtsbaum oder auf dem achtarmigen Chanukka-Leuchter.

"Das Licht steht für Wärme und Liebe. Aber die historischen und religiösen Hintergründe sind grundverschieden", macht der Oberrabbiner der 2500 Mitglieder zählenden Jüdischen Gemeinde Duisburg-Mülheim- Oberhausen, David Geballe, deutlich. Während sich die Juden an ihre Befreiung von griechischer Herrschaft und die Wiedereinweihung ihres Jerusalemer Tempels im Jahr 164 vor Christus erinnern, feiern die Christen mit Weihnachten die Geburt ihres jüdischen Heilands Jesus von Nazareth.

Auch in diesem Jahr hat die Jüdische Gemeinde zu einem Chanukkafest auf dem Synagogenplatz in die Mülheimer Innenstadt eingeladen. Und doch sagt David Geballe, "müssen wir uns als Gemeinde, entgegen unserer Absicht und gegen unsere Interessen abschotten." Mit dem seit dem Hisbollah-Massaker am 7. Oktober 2023 eskalierten Nahostkonflikt spüren auch die Mitglieder der Jüdischen Gemeinde Duisburg-Mülheim-Oberhausen einen zunehmenden Antisemitismus. Geballe spricht von einem "Schildkröteneffekt", der dazu führe, dass Juden ihren Glauben, etwa in Form eines Davidsterns oder einer Kipa, nicht mehr öffentlich, sondern nur noch im Schutzraum der Synagoge ihrer Gemeinde leben. Auch wenn der Rabbiner seinen Gemeindemitgliedern sagt: "Unsere Antwort auf Antisemitismus kann es nicht sein, weniger jüdisch zu sein. Unsere Antwort kann nur in einem mehr jüdisch sein bestehen." Dennoch kennt er Gemeindemitglieder, die auch den Weg in das permanent unter Polizeischutz stehende Gemeindezentrum im Duisburger Innenhafen aus Sicherheitsgründen scheuen. Ungern erinnert er sich daran, dass zwei Schüler aus der Gemeinde in diesem Jahr aufgrund antisemitischer Anfeindungen durch muslimische Mitschüler ihre Schule wechseln musste. 

Auch dass die Gemeinde ihre Veranstaltungen, nur noch mit Anmeldungen und im Kreis der zur Gemeinde gehörenden oder der Gemeinde bekannten Personen durchführen kann, ist für Geballe, nicht im Sinne einer jüdischen Gemeinde, "die stolz darauf ist, Teil unserer Gesellschaft zu sein und die sich deshalb auch öffnen und in diese Gesellschaft hineinwirken will."


Jüdische Gemeinde Duisburg-Mülheim-Oberhausen-Mülheim

Montag, 23. Dezember 2024

Die Demokratie ins Bild gesetzt

 Ein Bild sagt mehr als 1000 Worte. Das beherzigten jetzt 50 Schülerinnen und Schüler der Realschule an der Mellinghofer Straße und setzten unsere Demokratie mit ihrem Ausstellungsprojekt Art 3 ins Bild gesetzt. Art 3. Das steht in diesem Fall nicht nur für das Gleichheitsgebot des Grundgesetz-Artikels 3, sondern auch für die dreidimensionale Ausdruckskraft der Fotokunst. "Besser hätten sie nicht lernen können, was unsere Demokratie und ihre im Grundgesetz verankerten Grundrechte für sie selbst und für uns als Schulgemeinschaft bedeuten", betont Rektorin Grit Freiberg-Scheidt.

Das Lob hören die Projektteamleiter Frank Plück (Fotograf) und Philipp Blaschke (Schulsozialarbeiter) gerne, stellt es ihrer Arbeit doch auch gegenüber Stadt, Bund und dem Centrum für bürgerschaftliches Engagement CBE ein gutes Zeugnis aus.

"Wir haben den Schülerinnen und Schülern bewusst viel Freiraum gelassen, damit sie ihre Kreativität entfalten konnten." Die Ergebnisse, die jetzt in der Schulaula an der Mellinghofer Straße und hoffentlich bald auch andernorts zu sehen sind, zeigen, dass sich ihr Einsatz gelohnt hat.

Im Rückblick zeigen sich die beteiligten Jugendlichen aus allen Jahrgangsstufen vor allem von den Kino- und Museumsbesuchen begeistert, bei denen sie sich selbst ein Bild darüber machen konnten, wie man Themen ins Bild setzen und eine Botschaft vermitteln kann. "Manches, was wir gesehen haben hat uns so begeistert, dass wir es gleich nachstellen wollten. Bei anderem haben wir uns gefragt: Warum ist das Kunst? Ist das wirklich Kunst", erinnert sich der Siebentklässler Marian Lemke. Und seine Mitschülerin Leonie Seidel sagt mit Blick auf die gemeinschaftlich erstellten Fotoarbeiten: "Unsere Bilder sind nicht nur schön. Sie haben auch eine Bedeutung und etwas zu sagen." Man sieht es: Zum Beispiel auf dem Foto auf dem eine unter einer Lupe eine Schülergruppe zu sehen ist. "Wir sind verschieden. Aber zusammen bilden wir eine Gemeinschaft", erklärt Achtklässler Benjamin Bido. "Freiheit gehört zur Demokratie. Wer gefesselt ist, hat keine Freiheit, um sich zu entfalten!", sagt Marian Lembke mit Blick auf einen gefesselten Mann in Rot. Eine weiße und eine farbige Hand, die zusammen ein Herz formen, stehen für die Liebe, die keine Hautfarbe kennt. Darunter hängt ein Exemplar des Grundgesetzes. Die Botschaft ist klar: Ohne Liebe ist keine Demokratie zu machen. Ebenso elementar ist die Meinungs- Rede- und Pressefreiheit. Ein Mädchen hält sich seine Hände vor den Mund und die Augen. "Nichts sagen!" steht über dem Bild. "Erwachsene wollen oft, das Kinder nicht sagen, was ihnen vielleicht unangenehm ist. Aber in der Demokratie haben auch Kinder das Recht, etwas zu sagen und sich ihre Meinung zu einem Thema zu äußern", kommentiert die Fünftklässlerin Emma Maria Furci.


Zur Realschule an der Mellinghofer Straße

Samstag, 21. Dezember 2024

Seit 100 Jahren Mülheimer

 Als Paul Gerhard Bethge 1924 in Mülheim geboren wurde, war die Stadthalle noch im Bau und erstmals zogen zwei Nationalsozialisten in den Stadtrat ein. Die zum Teil blutigen Straßenkämpfe zwischen Kommunisten, Sozialdemokraten und Nationalsozialisten in der Stadtmitte gehören denn auch zu seinen frühesten Kindheitserinnerungen an die Zeit der späten Weimarer Republik.

National und protestantisch war sein Elternhaus, das am Muhrenkamp stand. Der Vater, ein ehemaliger Militärmusiker des in Mülheim stationierten Infanterieregiments 159, hatte sich nach dem für Deutschland verlorenen Ersten Weltkrieg 1918 dem rechten Freikorps des Hauptmanns Siegfried Schulz angeschlossen. Als das Freikorps 1923 aufgelöst wurde, wechselte er als Finanzbeamter in den Staatsdienst der Republik, die er als Monarchist eigentlich ablehnte.

Wie viele deutschnationale und konservative Protestanten Mülheims hofften auch Bethges Eltern, dass mit der Ernennung des Nationalsozialisten Adolf Hitler 1933 für das durch den Versailler Friedensvertrag hart bestrafte Deutschland alles besser werden würde. 

In dieser Überzeugung erzogen sie auch ihren Sohn, der als Schüler selbstverständlich auch im Jungvolk und in der Hitler-Jugend aktiv wurde und ab 1939 als mehrfach verwundeter Soldat der Waffen SS am Zweiten Weltkrieg teilnahm. 

Dass er "nicht für eine gute Sache gekämpft hatte, sondern von Heinrich Himmler und den anderen NS-Führern missbraucht worden war", kam ihm erst mit dem Nürnberger Kriegsverbrecherprozess der Jahre 1945 und 1946. Wie sein Vater verdiente er den Lebensunterhalt seiner Familie als Finanzbeamter.

Dass er ab 1956 als Mitglieder der FDP aktiv wurde, hatte mit einer Bundestagsrede des FDP-Vorsitzenden Erich Mendes zu tun. Er plädierte dafür alle Soldaten der Deutschen Wehrmacht, inklusive der Waffen SS fair und gleichberechtigt zu behandeln.

Als FDP-Stadtverordneter begleitete Bethege ab 1964 kommunalpolitisch den Bau neuer Schulen, die Einführung der damals vor allem von der CDU und der katholischen Kirche abgelehnten Koedukation, die Förderung der Mülheimer Sportvereine und als Kuratoriumsmitglied das Management des Evangelischen Krankenhauses.

Dessen gute Personalausstattung und die gelungene Symbiose zwischen Vereinssport und Stadtgesellschaft sieht der ehemalige Vorsitzende des Mülheimer Tennisvereins am Kahlenberg auf seiner politischen Habenseite. Dass seine Arbeit und seine kommunikative und pragmatische Persönlichkeit, über Parteigrenzen hinweg, Anerkennung fand, zeigte seine Wahl zum Bürgermeister im Jahr 1978, als die SPD in Mülheim noch mit absoluter Mehrheit regieren konnte.

In der heutigen Kommunalpolitik beobachtet Bethge einen Trend "zum Wischi Waschi"! Seiner eigenen Generation bescheinigt er in Sachen Kommunalpolitik  mehr inhaltliche und rhetorische Schärfe, aber auch mehr Bodenständigkeit und Lokalpatriotismus. Gerne sähe er im Rathaus wieder mehr Menschen, "die in der Stadt und für die Stadt leben!" Auch über seine eigene Partei sagt er ernüchtert: "Gerne würde ich etwas über sie sagen, wenn es denn etwas über sie zu sagen gäbe." 

Freitag, 20. Dezember 2024

Mahnung für heute und morgen

 Stolpersteine sind ein Ärgernis. Sie können aber auch ein Anstoß zum Nachdenken und Erinnern sein. Das fand auch der Kölner Künstler Gunter Demnig und rief 1993 das Erinnerungskulturprojekt "Stolpersteine" ins Leben, das heute bundesweit die Namen und Schicksale der sechs Millionen Holocaust-Opfer dem Vergessen entreißt, auch in Mülheim.

Vor 20 Jahren brachte die Pädagogin Judith Koch-Bril Gunter Demnigs Idee nach Mülheim. Ein Fernsehbericht hatte sie auf sein Projekt aufmerksam gemacht. Die ersten Mülheimer Stolpersteine wurden 2004 in der Stadtmitte verlegt. Sie erinnerten an jüdische Schülerinnen und Schüler der Städtischen Mädchen- und Knaben-Mittelschule, die nach der Reichspogromnacht 1938 ihre Schule, die wir heute als Realschule Stadtmitte kennen, verlassen mussten und später deportiert und ermordet wurden oder sich nur durch eine Flucht ins Ausland retten konnten.

Zur Erinnerung 270 jüdische Mülheimer wurden im Rahmen des Holocaust ermordet. 300 konnten sich durch die Flucht ins Exil retten. 20 überlebten in Konzentrationslagern oder im Versteck.

Inzwischen sind 175 Stolpersteine in der Stadt verlegt worden, die an Mülheimer Opfer der NS-Diktatur erinnern. 14 weitere sollen jetzt verlegt werden, wenn sich genug Spender aus der der Bürgerschaft finden. Dreh- und Angelpunkt der biographischen Recherche und Dokumentationsarbeit, deren Ergebnisse auf der Internetseite des Mülheimer Stadtarchivs nachzulesen sind, waren und sind Mitarbeitende des Stadtarchivs. Jens Roepstorff, Annett Fercho und jetzt Patrick Böhm arbeiten für und mit den geschichtsinteressierten Bürgerinnen und Bürgern, die sich der Aufgabe widmen, den NS-Opfern, auch jenen, die ihre Verfolgung durch die Nationalsozialisten überlebt haben, ihren Namen und ihre Lebensgeschichte zurückzugeben. Wie könnte man den Plan der Nationalsozialisten besser durchkreuzen, jüdisches Leben und die Erinnerung daran, für immer auszulöschen.

Schülerinnen und Schüler der Realschulen Stadtmitte und Mellinghofer Straße haben diese Erinnerungsarbeit ebenso geleistet, wie ein von Friedrich-Wilhelm von Gehlen (2006-2019) geleiteter Arbeitskreis Stolpersteine und zuletzt der Rotarier Clemens Miller. Er und seine Kollegen aus dem Club Mülheim-Uhlenhorst haben es sich zur Aufgabe gemacht, immer wieder in der Woche, vor dem 27. Januar, die Mülheimer Stolpersteine zu reinigen und damit ein Beitrag zum internationalen Holocaust-Gedenktag zu leisten. Frei nach Hannah Arendt sagt Miller im Rückblick auf seine Recherche- und Dokumentationsarbeit: "Ich habe immer wieder die Banalität des Bösen gesehen."


Zum Mülheimer Stadtarchiv 

Donnerstag, 19. Dezember 2024

Sankt Nikolaus lebt

 Ich war fünf Jahre alt und wünschte mit vom Nikolaus ein Telefon, eines mit Drehscheibe, dass so echt, wie möglich aussehen sollte. Doch die Erzieherinnen i n meinem katholischen Gemeindekindergarten, es waren die frühen 1970er Jahre, wollten mir  und meinen Altersgenossen, pädagogisch aufgeklärt, reinen Wein einschenken. 

Deshalb erfuhr ich von ihnen, dass der Heilige Nikolaus ein Bischof aus der Türkei gewesen sei, der schon lange tot sei. Das war zu viel Wahrheit für mich. Weinend und verzweifelt ließ ich meine Mutter wissen: "Der Nikolaus ist tot. Wer schenkt mir jetzt mein Telefon?"

Wie dem auch sei: Ich bekam am Nikolaustag mein erwünschtes Telefon und begriff, dass meine Mutter der wahre Nikolaus war oder einen guten Draht zu Jenen hatte, die in seine Fußstapfen getreten und in sein Gewand geschlüpft waren.

Als ich ein Jahr später im ersten Schuljahr von meiner eher konservativen Lehrerin zu hören bekam, wir sollten uns gut benehmen, wenn wir vom Nikolaus etwas geschenkt und nicht die Leviten gelesen bekommen wollten. Unüberhörbar ließ ich meine Lehrerin als Freund der selbst erfahrenen Wahrheit wissen: "Was Sie uns erzählen stimmt nicht. Der Nikolaus ist schon lange tot." Meine Lehrerin verstand keinen Spaß und bestellte meine Mutter ein, um sie wissen zu lassen, dass ich ihre pädagogische Autorität untergrabe und die ganze Klasse in Aufruhr bringe, Seitdem wusste: "Wer die Wahrheit sagt, macht sich nicht nur Freunde." Natürlich wurden wir auch in diesem ersten Schuljahr von einem Mann beschert, der sich als Nikolaus ausgab und entsprechend gewandet war. Problemlos identifizierte ich den strengen und doch gütigen und freundlichen Nachfolger von St. Nikolaus als unseren Rektor.

An diese Nikolausgeschichte aus meinem eigenen Leben musste ich jetzt zurückdenken, als ich für die Mülheimer Presse über das Nikolausessen des Malteser Hilfsdienstes berichtete und mit dessen 50 bedürftigen Gästen, die es sich in der Teeestube der Diakonie an der Auerstraße in guter Gesellschaft schmecken und sich beschenken zu lassen.

Vier ehrenamtlich Mitarbeitende des Malteser Hilfsdienstes verteilten nicht nur gutes Essen, sondern auch gute Dinge für den täglichen Bedarf: Lebensmittel, Kleidung, Hygieneartikel, Süßigkeiten. "Die Not wird ja leider nicht wenig", bekam ich von den Maltesern zu hören, als ich sie nach ihrer Motivation befragte.

Viele Gäste wollen nicht mit der Presse sprechen. Über die eigene Not zu sprechen, tut auch jenen Menschen weh und beschämt sie, die sich dann doch auf ein Gespräch darüber einlassen, was sie nicht nur an diesem Nikolaustag in die Teestube des Diakonischen Werkes gebracht hat.

Warum sie auf Hilfe angewiesen sind und sich ein Herz genommen haben, sie anzunehmen, erklären die sichtbar vom Leben gezeichneten Menschen dies- und jenseits ihrer Lebensmitte, mit den Wechselfällen ihres Lebens, vor denen auch jene nicht sicher sind, die heute auf der Seite der Helfenden stehen und so etwas, wie ein gutbürgerliches Leben führen.

Die Hilfesuchenden, die hier nicht nur materielle Hilfe, sondern auch menschliche Zuwendung und seelische Stärkung. Sie berichten von Arbeitslosigkeit, Krankheit, Arbeitsunfähigkeit, unwürdigen und belastenden Lebensverhältnissen, von steigenden Preisen und hohen Mieten sowie von Altersdiskriminierung bei der Jobsuche. Demografischer Wandel hin. Fachkräftemangel her.  

Der Mann von der Presse geht an diesem Tag der guten Tat und der guten Gemeinschaft geht mit dem beschämenden Gefühl nach Hause, dass nicht die Hilfesuchenden beschämt sein sollten, sondern eine reiche, konsum- jugend- und leistungsfixierte Gesellschaft, die wider besseren Wissens viel zu viele Menschen nicht mitnehmen kann und will und deshalb lieber Almosen als Arbeit zu finanzieren,

Zur Gefährdetenhilfe der Mülheimer Diakonie

Montag, 16. Dezember 2024

Heimat & Hoffnung

 Im Dezember hieß es gleich mehrfach: Ehre, wem Ehre gebührt. Stadt und Sparkasse haben den Ruhrpreis für Kunst und Wissenschaft verliehen. Stadt und Land verliehen den Heimatpreis. Und die christlichen Stadtkirchen haben ihren Ökumenischen Hoffnungspreis verliehen.

Ausgezeichnet wurden der Chemiker Frank Neese vom Max-Planck-Institut für Kohleforschung und die Schauspielerin Maria Neumann vom Theater an der Ruhr (mit dem Ruhrpreis für Kunst und Wissenschaft), das Aktionsbündnis "Mülheim stellt sich quer" (mit dem Ökumenischen Hoffnungspreis"), die Mülheimer Zeitzeugenbörse, die Deutsche Lebensrettungsgesellschaft DLRG und die Künstlerin Rona Neekes mit ihrem Zentrum für Freiräume (mit dem Heimatpreis) für ihre Arbeit geehrt, mit der sie uns in unserer Heimatstadt Mülheim an der Ruhr Hoffnung geben.

"In einer zunehmend unübersichtlichen und unsicheren Welt gibt uns Heimat das Gefühl von Sicherheit", betonte Bürgermeister Markus Püll bei der Verleihung des Heimatpreises am Beginn der letzten Ratssitzung des Jahres. Und Oberbürgermeister Marc Buchholz betonte bei der Verleihung des 1962 gestifteten Ruhrpreises für Kunst und Wissenschaft: "Schon mit seinem Namen macht dieser Preis deutlich, dass er Leistungen auszeichnet, die uns zeigen, wie Kunst und Wissenschaft Hand und Hand Gutes für unsere Gesellschaft tun können."

Auch wenn die Grundlagenforschung des Chemikers Frank Neese für naturwissenschaftliche Laien nur schwer zu erklären und zu begreifen sind, machten die Laudationes auf den MPI-Direktor doch deutlich, dass hier ein Wissenschaftler an der Schnittstelle von Chemie und IT die Durchführung von Experimenten fördert, deren Ergebnisse in letzter Konsequenz dem Gemeinwohl dienen, weil sie zum Beispiel in die Herstellung von Medikamenten einfließen.

Dagegen ist die Wort- und Darstellungskunst der Maria Neumann, deren interaktive Märchenaufführungen und Schullesungen literarischer Klassiker ihr Publikum generationsübergreifend begeistern. Neumann weist zurecht darauf hin, dass die Sprache auch in Zeiten der Künstlichen Intelligenz die Basis unseres Denkens, unseres Handelns und unseres Selbstbewusstseins ist.

Authentisch, weil selbst erlebte und erzählte Geschichte. Das ist der Schatz, den Mitglieder der Zeitzeugenbörse an die nächsten Generationen weiterzugeben haben und den sich nicht nur Schulgemeinschaft so stark und so lange, wie möglich, zu nutze machen sollten, um in der Gegenwart und in der Zukunft die Fehler der Vergangenheit nicht zu wiederholen.

Letzteres ist im Kern auch das Kernanliegen des Bündnisses "Mülheim stellt sich quer", dem sich inzwischen 43 Organisationen angeschlossen haben, um mit Demonstrationen und Demokratie-Festen der Begegnung allen menschenverachtenden Ideologien entgegenzutreten.

Sozialen Zusammenhalt und gemeinsame Kreativität sollen die Menschen auch im Zentrum für Freiraum erleben, dass die im Mülheimer kunsthaus aktive Künstlerin Rona Nekes im ehemaligen naturfreundehaus am Büllrodt in Raadt eingerichtet hat. Workshops Ausstellungen Ateliers und Veranstaltungen sollen wir einen barrierefreien Raum für Bildung Kultur und Soziales schaffen. 

Weil sie inzwischen seit 100 Jahren dafür sorgt, dass Menschen in und an der Ruhr vor dem Ertrinken gerettet werden, indem sie nicht nur aus akuter Not gerettet sondern auch rechtzeitig mit dem Schwimmen und der Fähigkeit sich über Wasser zu halten vertraut gemacht werden, positiv ist auch die vor ihrem Jubiläumsjahr stehende deutsche Lebensrettungsgesellschaft zu Recht mit dem Mülheimer heimatpreis ausgezeichnet worden. Insgesamt offenbart sich wieder einmal der Eindruck, dass unsere Stadtgesellschaft gute antut, die vielseitig ehrenamtlich engagierten Bürgerinnen und Bürger für ihren Einsatz nicht nur mit lobenden Worten zu würdigen und zu ihren, um ihre Motivation aufrecht zu erhalten und anzuspornen.


Donnerstag, 5. Dezember 2024

Schöne Straße?!

 Für die Mülheimer Presse und das neue Mülheimer Jahrbuch habe ich mich an 50 Jahre Schloßstraße erinnert. So alt bin ich also schon, dass ich mich daran erinnere, als kleiner Junge über die Baustellenbalken der aufgerissenen Schloßstraße gelaufen zu sein und den Baustellenlärm kaum ertragen zu haben.

Fußgängerzone hieß für die Schloßstraße auch Tiefgarage. Soviel autogerechte Stadt musste damals sein. Wenn die Autos und die Straßenbahn schon nicht mehr durch Mülheims Haupteinkaufstraße fahren sollten, dann musste der Fußweg zum Einkauf, zur Arbeit oder zur eigenen Wohnung doch möglichst kurz sein.

Dabei nannten die alten Mölmschen die Schloßstraße nicht von ungefähr ihre Renne. Renne, wie Rennstrecke. Sie waren in der Regel zu Fuß oder mit der Tram, die damals auch noch einen Schaffner an Bord hatte, unterwegs. Hier fanden sie alles, was das Leben angenehmer und kurzweiliger macht: Cafes, Restaurants, Geschäfte, Kinos. Hier wollte man sehen und gesehen werden.

Die Schloßstraße als breite Haupteinkaufsstraße war ein Produkt der 1920er und 1930er Jahre. Denn bis dato war die Schloßstraße, dass was wir heute als Schloßbrücke und als Leineweberstraße kennen. Die heutige Schloßstraße hieß früher Jacken und Kettenbrückenstraße. Den Durchbruch zur neuen Schloßstraße, die jetzt nicht mehr die direkte Verbindung zum Schloss Broich darstellte, entstand am Ende der 1920er Jahre an der Unteren Schloßstraße mit dem Woolworth-Kaufhaus, das heute, nach einem Fassaden-Relanche als Ärzte- und Apothekenhaus genutzt wird.

Kaufhaus, Das war damals, bevor die Weltwirtschaftskrise vielen Menschen das Geld zum Einkauf raubte, die Spitze des modernen Einzelhandels, der immer noch von altersher von inhabergeführten Fach- und Lebensmittelgeschäften bestimmt wurde. 

Die Mülheimer Innenstadt hatte damals mit Tietz am Löhberg und Alsberg an der Bachstraße/heute Leineweberstraße noch zwei weitere Kaufhäuser. Letzteres ließ seine Kunden sogar mit einem Aufzug in ungeahnte Höhen des Einkaufsvergnügens kommen.

Ab 1933 war bekanntlich Schluss mit lustig. Die von jüdischen Inhabern geführten Kaufhäuser Tietz und Alsberg wurden, wie es im NS-Sprachgebrauch hieß. arisiert, was tatsächlich einer Enteignung, einer Beraubung ihrer Eigentümer entsprach. Auch die Arisierungsgewinner, die jetzt den Kaufhof und Lindner und Berger führten, mussten im Luftkrieg der Jahre 1940 bis 1945 am eigenen Leib erleben, wohin Hitlers Politik führte.

Nach dem Krieg, als mehr als 70 Prozent der innerstädtischen Bausubstanz zerstört oder beschädigt war, musste und wollte man, zum Beispiel mit der neuen Leineweberstraße aus der Not eine Tugend machen. Die neue Inennstadt, die mit dem westdeutschen Wirtschaftswunder in den 1950er Jahren eine Renaissance erlebte, wurde autogerechter und moderner. aber nicht schöner. Die neue Leineweberstraße durchtrennte als mächtige Ost-West-Achse die alte und die neue Innenstadt Mülheims. Der Kirchenhügel wurde abgeschnitten und abgehängt. Es erstaunt immer wieder die Vor- und Nachkriegsansichten der Innenstadt zu betrachten und den Eindruck auf sich wirken zu lassen, man schaue auf unterschiedliche Orte.

Die 1970er Jahre waren vom Fortschrittsglauben geprägt, angetrieben von steigenden Einwohnerzahlen, die in Mülheim bis auf 193.000 kletterten. Ausdruck eines modernen Mülheims, dass sich im Wachsen begriffen sah, tatsächlich aber schon 1973 seinen demografischen Zenit überschritten hatte, waren der neue Hans-Böckler-Platz mit dem City Center und den Hochhäusern, der U-Bahnbau zwischen Essen und Mülheim sowie die 1974 und 1978 eröffneten Fußgängerzonen an der Schloßstraße und an der Leineweberstraße.

Angesichts des akuten Leerstandes in der City mag man sich heute kaum noch vorstellen, dass der Begriff Ladenleerstand vor 50 Jahren noch ein Fremdwort war. Immerhin gab es Mitte der 1970er Jahre mit dem Rhein-Ruhr-Zentrum und dem City Center schon zwei Mülheimer Einkaufszentren, die dem Einzelhandel in der Innenstadt Konkurrenz machte.

Sicher darf man nicht vergessen. Damals gab es noch kein Internet und deshalb auch keinen Online-Handel. Außerdem gab es damals mit den Mannesmann Röhrenwerken und der Tengelmann Gruppe zwei große Mülheimer Arbeitgeber und Steuerzahler, die heute leider Geschichte sind.

Vergleicht man die Schloßstraße von heute mit der Schloßstraße, die 1974 zu einer Fußgängerzone mit Tiefgarage wurde, muss man sich auch als Lokalpatriot eingestehen. Sie ist ein Schatten ihrer selbst. Der Niedergang begann ab Mitte der 1990er Jahre, als auch Duisburger, Essen und Oberhausen große Einkaufstempel bauten und in den 2000er Jahren mit dem Dümptener Tor ein weiteres Mülheimer Einkaufszentrum entstand.

Bei aller Kritik an der heutigen Innenstadt im Allgemeinen und an der Schloßstraße im Besonderen, darf man nicht übersehen, dass es hier auch heute in der City sowohl mit Blick auf den Einzelhandel als auch mit Blick auf die Gastronomie immer noch bemerkenswerte Angebote gibt, die allen Leerständen trotzen.

Allerdings haben es diese Oasen und Inseln im Meer und in der Wüste der tristen Leerstände schwer, ihre Anziehungs- und Ausstrahlungskraft zu entfalten. Das gilt auch für den Mülheimer Wochenmarkt, der im Rahmen des Ruhrbaniabauprojektes vom Rathausmarkt auf die Schloßstraße umgezogen ist.

Sicher müssen wir unsere Innenstadt heute neu denken. Leerstände und Freiräume können auch mit Wohn- Arbeits- und Kulturraum, Grün- Wasser- und Freizeitflächen mit neuem Leben gefüllt werden. Attraktivere, weil bezahlbarere Mieten könnten ein Übriges für die Innenstadt tun. Und last, but not least, muss sich die heute viel mobilere und digitalere Kundschaft fragen, was ihr eine lebendige Innenstadt mit Gastronomie, Einzelhandel und Aufenthaltsqualität wirklich wert ist, wenn es um das eigene Einkaufs- und Freizeitbudget geht.


Der erste Weihnachtsmarkt auf der Schloßstraße

Dienstag, 26. November 2024

Ein Mini-Malta an der Ruhr

Wo heute der Nachwuchs bei der Arbeiterwohlfahrt seine Freizeit verbringt, schoben im alten Wachhaus der Wraxham Baracks von 1945 bis 1994 Soldaten der Britischen Rheinarmee ihren Dienst. Zwischen 1964 bis 1970 waren in den Wraxham Barracks, die wir heute als Wohnpark Witthausbusch kennen, 450 Soldaten aus der britischen Kronkolonie Malta und ihre 50 Zivilangestellten stationiert. Als Transporteinheit versorgten die Malteser im Dienste der Krone ihre britischen Kameraden in Westdeutschland, Belgien, Holland und Frankreich. John Victor Urry war einer von ihnen. Er kam als 22-Jähriger im November 1964 nach Mülheim und blieb auch hier, als seine Dienstzeit zu Ende war.

Dafür sprachen nicht nur sein Job bei der Brotfabrik Oesterwind, sondern auch sein deutsches Fräulein Wunder. Das traf er, in Person von Marlies Wolfgarten, immer wieder sonntags, an der Ruhr. 1975 gab sich das Paar das Ja-Wort fürs Leben. Aus dem Ehepaar wurde ein Elternpaar, das der Tochter Alexandra und dem inzwischen verstorbenen Sohn Oliver das Leben schenkte. Für John Victor Urry, der auf Malta eine strenge katholische Erziehung und berufliche Perspektivlosigkeit erlebt hatte, war

Mülheim die große Freiheit. "Hier fühlte ich mich wie ein Vogel, dessen Käfigtür aufgemacht wird und der plötzlich frei herumfliegend kann", sagt und John Victory Urry und lächelt, mit sich und seinem Leben, offensichtlich zufrieden. 

Montag, 25. November 2024

Mensch im Mittelalter

 Die Interessengemeinschaft Hochgotik ließ die Besucherinnen und Besucher auf Schloss Broich ins 13. Und 14. Jahrhundert reisen und kam damit gut an.

Dass das Mittelalter keineswegs eine so finstere Epoche war, wie sie rückblickend im 19. und im 20. Jahrhundert beschrieben worden ist, zeigten die historisch gewandeten Darstellerinnen und Darsteller der Interessengemeinschaft Hochgotik auf Einladung des Geschichtsvereins. Den Kontakt zur IG Hochgotik hatte unsere Schriftführerin Beate Fischer hergestellt.

Mehr als 300 interessierte Besucherinnen und Besucher aus allen Generationen nutzten am 23. November den anschaulichen und informativen Auftritt der Interessengemeinschaft Hochgotik, bei denen nur einer von neun Darstellern, krankheitsbedingt, im Hochschloss Broich nicht mit von der Partie sein konnte.

Mario Georg und Benjamin Lammertz sind sich einig: „Das Mittelalter war eine sehr vielseitige Zeit, in der es immer wieder viel zu entdecken gibt und die weder so finster und rückständig noch so romantisch gewesen ist, wie sie heute oft dargestellt und wahrgenommen wird.“

Neben Lammertz und Georg, nutzten auch deren Ehefrauen Sabine Staske und Ulrike Berg sowie Carsten Giesen, Birgit Lichte-Steeger, Sonja Utzenrath und Tobias Gommes ihr achtstündiges Gastspiel in dem vom Geschichtsverein ehrenamtlich betreuten Historischen Museum auf dem Broicher Hochschloss, um kleinen und großen Zeitreisenden zu vermitteln, wie zwischen 1250 und 1350 in Klöstern gearbeitet, geschrieben, gelesen und gebetet wurde, was gegessen und getrunken und was als Kleidung aus Wolle und Leinen getragen wurde. So standen damals zum Beispiel noch keine Tomaten und Kartoffeln, dafür aber vor allem viel Roggen- und Dinkelgetreide auf dem Speiseplan unserer Vorfahren. Kartoffeln und Tomaten wurden erst nach der Entdeckung Amerikas, also ab 1492, in Europa aufgetischt. Auch interessant: Der Urin wurde auch in öffentlichen Fässern und Keramikschalen gesammelt, um aus dem darin enthalten Ammoniak die Essenz für Blaufärbungen zu gewinnen.

„Vieles von dem, was uns heute selbstverständlich erscheint, wurde erst im Hoch- und Spätmittelalter erfunden, zum Beispiel der Webstuhl, die Brille und der Buchdruck“, berichtet Ulrike Berg.


„Den heutigen Termindruck kannte man im Mittelalter noch nicht. Das Leben der Menschen war zwar oft hart, arbeitsreich und stressig, aber verlief doch wesentlich entschleunigter als heute“, erklärt Mario Georg. Dennoch möchte er, der, wie seine mittelalterbegeisterten Mitspieler aus dem Rhein-Ruhr-Gebiet kommt, angesichts der heutigen ärztlichen und medizinischen Versorgung keinesfalls im Mittelalter gelebt haben.

Mehr über die Interessengemeinschaft Hochgotik findet man im Internet unter: www.hochgotik.wordpress.com

Sonntag, 24. November 2024

Menschen bewegen Menschen

 Beim Thema Seelsorge denkt man nicht ans Radfahren. Und "Radfahrern", die nach unten treten, aber nach oben buckeln, ist alles zuzutrauen, aber keine Seelsorge.

Doch im Auftrag der Münsteraner Bistumszeitung Kirche und Leben hatte ich jetzt Gelegenheit Menschen aus einer Caritas-Gruppe in Kamp Lintfort kennenzulernen, die als ehrenamtliche Riksha-Chauffeure genau das sind, Seelsorger, die sich für ihre immobilen, alten, kranken und behinderten Mitmenschen immer wieder gerne abstrampeln. Zwischen Mai und Oktober radeln die 51 Riksha-Piloten insgesamt rund 4000 Kilometer, um ihre Fahrgäste durch das schöne Kamp Lintfort und seine Umgebung zu kutschieren. Natürlich bleibt bei ihren unentgeltlichen undunbezahlbaren Stadtrundfahrten mit den inzwischen sieben gestifteten und gesponserten E-Bike-Riksha viel Zeit, um sich Geschichten aus dem Leben und aus der eigenen Stadt zu erzählen, nicht nur beim Fahren und Gefahren werden, sondern auch während der immer eingelegten Kaffee- Kuchen und Eispause.

"Wir bewegen Menschen und werden so von ihnen selbst bewegt!" So bringen die Gründer und Organisatoren des ganz besonderen Fahr- Pfarr- und Seelsorgedienstes rund um den Kirchturm von St. Josef, Maria Dalsing, Hans-Peter Niedwiedz und Chirstioph Kämmerling die 2023 gestartete Erfolgsgeschichte ihrer rollenden Seelsorge auf den Punkt.

Bemerkenswert ist, dass die unter dem Banner der Caritas fahrenden Riksha-Chauffeure und Chauffeurinnen inzwischen nicht nur interkonfessionell, sondern sogar interreligiös unterwegs sind, weil sie, wie sie im Gespräch immer wieder betonen, glücklichere Menschen geworden sind, in dem sie Mitmenschen mit etwas Zeit und Einfühlungsvermögen, eine Freude bereiten und ihnen so ein Lächeln ins Gesicht zaubern können. Wer schon mal beim monatlichen Bikertreff der radelnden Caritas-Seelsorger dabei gewesen ist, kann bestätigen. Soziale Gruppendynamik, Lebensfreude und positive Energie, die wir nicht nur in der Kirche, sondern in unserer gesamten Gesellschaft oft schmerzlich vermissen, sind hier mit Händen zu greifen und mit allen Sinnen zu spüren. 

Mehr zum Projekt

Donnerstag, 21. November 2024

Trüber November

 Für den Evangelischen Kirchenkreis an der Ruhr und seine sechs Gemeinden ist der November nicht nur klimatisch trübe. Superintendent Michael Manz musste den Synodalen im Altenhof mit seinem Rechenschaftsbericht ein Haushaltsloch von 850.000 Euro präsentieren. Die berechtigte Frage: "Wie konnte das passieren!" beantworteten Manz, seine Stellvertreterin Gundula Zühlke und der Geschäftsführer des Kirchenkreises, Christoph Niklasch, nach bestem Wissen und Gewissen, aber deshalb nicht weniger ernüchternd, frei nach Martin Luther: "Hier stehe ich. Ich kann nicht anders." 

Den Kern des Problems bilden die 4000 Menschen, die seit 2019 als Mitglieder der Evangelichen Kirche verstorben oder aus ihr ausgetreten sind. Auch Taufen und Neuaufnahmen können den Mitglieder- und damit auch den Kirchensteuerschwund der Evangelischen Stadtkirche nicht annähernd auffangen. Zum Vergleich: Vor 50 Jahren gab es 105.000 evangelische Kirchenmitglieder in Mülheim, 1998 waren es noch 64.000, 2019 noch 42.000 und jetzt (2024) eben besagte 38.000. Noch stehen der Evangelischen Stadtkirche damit Kirchensteuereinnahmen von mehr als acht Millionen Euro zur Verfügung. Doch der weitere Abwärtstrend, der gleichermaßen demografisch und gesellschaftlich begründet ist, ist absehbar. 

"Wir müssen über die Aufgabe ganzer Arbeitsbereiche nachdenken", brachte ein Kirchmeister die traurige Wahrheit auf den Punkt. Dieser schwierigen Aufgabe müssen sich jetzt sieben Mitglieder einer Kommission stellen, die die Kreissynode einstimmig eingerichtet hat. Nicht ganz einstimmig konnten sich die Synodalen darauf einigen, die Umlage der sechs Mülheimer Kirchengemeinden um satte 400.000 Euro anzuheben, um den Kirchenkreis bis zur Frühjahrssynode 2026 handlungsfähig zu halten. Denn dann soll die jetzt eingesetzte Kommission, mithilfe externer Begleiter, konkrete Struktur- und Sparbeschlüsse auf den Tisch der 50 Kirchenparlamentarier legen, von denen bei der Herbstsynode 38 anwesend waren.  

Eine Synodalin geht davon aus, dass es künftig nur noch eine Evangelische Kirchengemeinde in Mülheim geben und diese mit dem benachbarten Kirchenkreis Oberhausen (45,000 Kirchenmitglieder) fusionieren wird. Mit dem Hinweis auf die Freiburger Kirchenstudie weist Superintendent, Michael Manz, darauf hin. dass die Evangelische Kirche in Deutschland bereits 2045 nur noch halb so viele Mitglieder haben wird, wie heute. Weil auch die katholische Kirche keinen anderen Megatrend aufzuweisen hat, als ihre Schwesterkirche, bekommt die Ökumene künftig noch eine viel größere Bedeutung, als dies heute schon der Fall ist, da die beiden Stadtkirchen zu einem Ökumenischen Neujahrsempfang in den Altenhof einladen, der 1930 als Haus der Evangelischen Kirche eröffnet worden ist. Doch auch eine Ökumenische Kirche in Deutschland wird angesichts der zunehmenden Individualisierung und Entsolidarisierung Austrittswellen, wie wir sie derzeit erleben, weder finanziell noch inhaltlich und strukturell verkraften, ohne erheblich an ihrer gesellschaftlichen Relevanz und Prägekraft zu verlieren. Ob das im Sinne der Kirchenflüchtlinge ist und ob sie wissen, welcher Gesellschaft sie mit ihrem Kirchenaustritt den Weg ebenen, kann getrost bezweifelt werden. Es spricht in diesem Zusammenhang für sich, dass auch die Evangelische Kirche, die nicht mit einem Pflichtzölibat beladen ist, nicht nur bei der Bindung und Gewinnung neuer Mitglieder. sondern auch bei der theologischen Nachwuchsgewinnung massive Probleme hat. 

Letzteres kann nicht verwundern, wenn man an das klassische Verständnis vom Pfarramt die neuen Maßstäbe der Work-Life-Balance anlegt. Doch darüber hinaus ist es eben der Abbruch christlicher Sozialisationsstränge, die mit den aktuellen Austrittswellen noch verschärft werden, die unser klassisches Bild von der Gemeinde mit der Kirche im Dorf und einer omnipräsenten Pfarrperson, zunehmend zur Illusion werden lässt, die platzt, wie eine Seifenblase. 

Vielleicht machen die christlichen Kirchen, die schon jetzt keine Volkskirchen mehr sind, ja aus der Not eine Tugend und werden kleiner, aktiver, demokratischer, ökumenischer, persönlicher, glaubwürdiger und damit auch wieder attraktiver, glaubwürdiger und anziehender, wenn sie es wieder schafft, die Frohe Botschaft Jesu, nicht nur zur predigen, sondern auch im Alltag zu leben. Das ist zweifellos eine Aufgabe, die alle Christenmenschen fordert, ob sie nun geweihte Theologen sind oder nicht.  


Kirchenkreis An der Ruhr

Freitag, 15. November 2024

Närrischer November

 Mittwoch, 6. November, Am Morgen wird klar: Donald Trump bekommt eine zweite Chance als US-Präsident. Und abends platzt die Ampel-Koalition. Da mag so mancher sich, wie im Narrenhaus gefühlt haben. Wie gut, dass es auch noch Narren gibt, über die man sich nicht ärgern muss, sondern über die man sich freuen kann, weil sie ausgerechnet im tristen November, am 11.11., um genau zu sein, ihr närrisches Treiben mit Musik, Tanz und humoristischen  Reden Spaß an der Freude sorgen.

Wie gut, dass es auch im Mülheimer Karneval noch jene Karnevalisten und Karnevalistinnen, die zum Sessionsauftakt in die Bütt steigen, um auch den politisch Mächtigen, die ja manchmal auch nur ohnmächtig sind, den Spiegel vorzuhalten. Wäre es nicht so und verkäme die Fünfte Jahreszeit zum reinen Partykarneval, wäre es ja auch zum närrisch werden.

Aber warum starten die Jecken ausgerechnet am 11.11. in ihre Session? Die Elf ist eben eine närrische Zahl. Als der rheinische Karneval vor 200 Jahren gesellschaftsfähig wurde, galt die ELF als Chiffre für die französische Revolutionslosung: Égalité, Liberté, Fraternité" "Gleichheit, Freiheit und Brüderlichkeit." Der Karneval war im damaligen Deutschen Bund absolutistisch regierter Monarchien, ein Akt des zivilen Ungehorsams. Daran änderte auch die Tatsache nichts, dass das liberale Bürgertum. das nur zu gerne den Karneval feierte, weil dieser schon damals die Umsätze der Gastronomie ankurbelte, alles wollte, nur keine blutige Revolution a la Francaisé.

Deshalb machten die bürgerlichen Narren und Närrinen aus dem Karneval die Fastnacht, also die opulente, freizügige und fröhliche Zeit, in der man vor dem Beginn der vorösterlichen Fastenzeit am Aschermittwoch, wenn karnevalistisch alles vorbei ist, noch mal alle Fünfe gerade sein lassen, bzw. auf die närrische 11 zwischen den 10 Geboten des Alten und den 12 Aposteln des Neuen Testamentes setzen konnte, um gemeinsam Spiel, Spaß, Gemeinschaft und gute Laune zu erleben. Dabei wurde der bürgerliche Karneval anfangs ausschließlich in Gaststätten mit einem Festmahl und einer Spottrede gefeiert, für die der Hoppeditz oder der Hans Wurst anschließend mit einer Mettwurst belohnt wurde.

Zum Mülheimer Karneval

Samstag, 9. November 2024

Der denkwürdige 9. November

 Endlich mal ein Tag zum Feiern. Das war der 9. November 1989, als Günter Schabowskis "Versprecher" bei einer Pressekonferenz des Zentralkomitees der Sozialistischen Einheitspartei die Mauer zum Einsturz brachte, ohne sich dafür einen Gewaltakt anzutun.

Natürlich wissen wir heute, das Schabowskis Versprecher nur der Tropfen war, der das politische Fass der SED-Diktatur überlaufen ließ.

Ohne die vielen mutigen Freiheitsdemonstranten auf den Leipziger Straßen den 9. Oktober 1989, ohne die Einsicht Gorbatschows in die Notwendigkeit systemimanenter Reformen im realexistierenden kommunistischen Ostblock, der im Herbst 1989 an allen Ecken und Enden zerbröselte, hätte es keinen 9. November 1989 und keinen 3. Oktober 1990 geben können. Daran ändern auch die unbestreitbaren Verdienste des damaligen wesetdeutschen Bundeskanzler Kohl und seines Außenministers Hans-Dietrich Genscher nichts. Hinzu kam zwischen dem 9. November 1989 und dem 3. Oktober 1990, dass der damalige amerikanische US-Präsident George Bush senior, ebenso wie sein sowjetischer Amtskollege erkannte, was die historische Stunde geschlagen hatte und danach handelte.

Den Frankreichs damaliger Staatspräsident Mitterand und die britische Premierministerin Thatcher, hätten  ohne die Achse Gorbatschow-Bush, auch nach dem 9. November 1989 nach der Devise gehandelt: "Wir lieben Deutschland so sehr, dass wir froh darüber sind, das es gleich zwei davon gibt. Dazu passte Mitterands Staatsbesuch in der nach dem Mauerfall politisch faktisch toten DDR.

Auch wenn Kohls Einheits-Euphorie der "blühenden Landschaften", in denen es niemanden schlechter, aber allen besser gehen werde, und die Transformation, ohne Steuererhöhungen, aus der bundesdeutschen Portokasse bezahlt werden könnten, die Vollendung der Deutschen Einheit ebenso bis heute belasten, wie die von der Treuhand, ohne Rücksicht auf Verluste durchgepeitschte Abwicklung der Volkseigenen Betriebe und Produktionsgenossenschaften in der nach dem 3. Oktober 1990 ehemaligen DDR. 

Auch bei der Währungsumstellung auf der Basis 1:1 wurden die sozialen und wirtschaftlichen Folgekosten der deutschen Wiedervereinigung nach mehr als 40 Jahren Teilung in Festtagsreden weggeredet.

Zugute halten muss man Kohl und Genscher, dass sie 1989/90 die Gunst der historischen Stunde, zum Beispiel in Form von Kohls Zehn-Punkte-Plan vom November 1989 erkannten und sofort nutzten, weil sie zurecht ahnten, dass sich das Zeitfenster für eine friedliche Wiedervereinigung schnell wieder schließen könnte. Das Gorbatschow schon im Jahr nach der Wiedervereinigung defacto weggeputscht wurde, bestätigte ihr Kalkül.

Zumindest zwischen dem November 1989 und dem Oktober 1990 blieb keine Zeit, alle Bedenkenträger zu überzeugen und in einer langwierigen Wiedervereinigungs- und Verfassungsdiskussion mitzunehmen.

Auch wenn die DDR am 9. November politisch, wirtschaftlich und moralisch bankrott war, wurden die sozialen Kompetenzen und ihre Erfahrungen einer friedlichen und von Zivilcourage getragenen Revolution nach dem 9. November 1989 zu wenig gewürdigt, ernstgenommen und im neuen gemeinsamen Deutschland sträflich vernachlässigt, ja ignoriert.

Auch wenn sich die staatlich gelenkte Planwirtschaft der DDR als nicht funktional erwiesen hat, hätten die DDR-Erfahrungen mit Krippen, Polykliniken, und genossenschaftlichen Betriebs- und Produktionsformen durch aus in der sozialen Marktwirtschaft liberaler und demokratischer Prägung, etwa im Sinne einer christlichen und humanistischen Sozialethik, gemeinwohlorientiert weiterentwickelt werden können.

35 Jahre danach leben wir in einer multipolaren und unübersichtlichen Welt, so dass man sich fast nach der eindeutigen Konflikt- und Friedensordnung des Kalten Krieges zurücksehnen könnte.

Wir müssen als Deutsche in Europa, siehe Trump und Co, erkennen, dass es Amerika heute nicht mehr besser hat und wir uns aif seinen transatlantischen Schutzschirm in internationalen Konfliktfällen nicht mehr verlassen können.

Allen anderslautenden Durchhalteparolen, ist die Europäische Union und die europäischen Nato-Staaten auf diese nicht ganz neue Realität und Einsicht nicht vorbereitet.

Kann man den 9. November 1989 als Glücksmoment der deutschen Geschichte und den 9. November 1918 als einen schmerzvollen, aber unvermeidlichen Transformationsprozess begreifen, so bleiben der 9. November 1923, als Hitler versuchte die Weimarer Republik wegzuputschen und der 9. November 1938, an dem die Judenverfolgung im nationalsozialistischen Deutschland einen ersten Höhepunkt erreichte, der die Tür zum Völkermord des Holocaust öffnete, unauslöschliche Tiefpunkte und Schandmale der deutschen Geschichte.

Doch wir haben, wenn auch spät, als Deutsche aus der Not eine Tugend gemacht und unsere Geschichte selbstkritischer aufgearbeitet und reflektiert, als manche andere Nationen.

Dabei konnten wir an das Erbe anknüpfen, das uns die Blutzeugen im deutschen Widerstand gegen Hitler hinterlassen haben. Staufenberg und Scholl sind nur zwei von vielen Namen, die in diesem Kontext uns bis heute als geistiger und moralischer Kompass dienen können.

Deshalb brauchen wird auch, anders, als von einigen Exponenten des politisch rechten Randes, keine Geschichtswende um 180 Grad. Die unvergleichlichen Menschheitsverbrechen, die zwischen 1933 und 1945 im deutschen Namen begangen worden sind, sind kein Vogelschiss der deutschen Geschichte, den mal wegwischen könnte. Sophie Scholl hat zurecht gemahnt: "Die Verbrechen, die heute im deutschen Namen begangen werden, werden uns noch in 1000 Jahren anhängen." Doch wenn wir auch aus den deunkelsten Kapiteln unserer Geschichte heute und für morgen lernen, dann kann uns die Geschichte zur Quelle der Stärke und der Erkenntnis werden und uns so davonabhalten, den Fehler unserer Vorfahren zu wiederholen und den scheinbar so einfachen Heilsversprechen politischer Extremisten mit absolutem Macht- und Wahrheitsanspruch zu folgen. Denn nicht nur im privaten, sondern auch im politischen Raum bleibt Erich Kästners Erkenntnis zeitlos aktuell: "Es geschieht nichts gutes, außer man tut es!"


Erinnern für heute und morgen

Samstag, 26. Oktober 2024

Kunst inklusive

 "Ab in die Mitte", heißt es noch bis Mitte Dezember bei der Jahresausstellung des inklusiven Vereins Art Obscura. Es geht dabei nicht nur um Mülheims Mitte, wo Art Obscura seit drei Jahren im Haus an der Georgstraße 26 sein Domizil hat, sondern auch darum, was es bedeutet, wenn wir vom Rand in die Mitte unserer Gesellschaft oder unserer sozialen Gruppe treten.

Mit Workshops, Werkschauen und Projekten bringt Art Obscura Menschen mit und ohne Handicap durch die Kunst zusammen. "Wer von uns hat eigentlich kein Handicap?" fragt sich in diesem Zusammenhang Vorstand Kirsten Uecker. Und ihr Vorstandskollege Gert Rudolph sieht das Anliegen von Art Obscura darin, allen Menschen, unabhängig von ihrem Handicap oder von ihrer Herkunft, die aktive Teilhabe an der Kunst zu ermöglichen." Seit Joseph Beuys wissen wir: "Jeder Mensch ist ein Künstler." 

Das zeigte auch die Vernissage im Art-Obscura-Haus der Georgstraße 26, bei dem es zum Auftakt eine Theaterperformance zu Smetanas Tondichtung "Die Moldau" zu sehen gab. 25 Kreative präsentieren bei der Jahresausstellung ihre Gemälde und Fotografien in ganz unterschiedlichen Stilrichtungen. 

"Die Kunst macht das Leben schön", sagt der 27-jährige Philipp, der unter anderem ein Paar gemalt hat, dass durch Venedig gondelt. Ernster geht es in Wolfgangs Bildern zu, die Krieg, Frieden und Umweltzerstörung thematisieren. "Ich bin ein politisch denkender Mensch und so male ich auch, weil ich damit zum Beispiel meine Gedanken aus der Birne herausbekommen kann", sagt der 71-Jährige, der mit seiner Frau im Fliednerdorf lebt und sein Leben, trotz einer seelischen Erkrankung, zu meistern versteht. Das gilt auch für den vor 64 Jahren mit einem Autismus geborenen Wulf.

"Mit meiner Kunst kann ich meine Welt anderen Menschen vermitteln", sagt der auch in der Arbeitsgemeinschaft Mülheimer Künstler aktive Maler, der uns mit seinen Bildern in fantastische Welten entführt.


Zum Verein Art Obscura

Donnerstag, 24. Oktober 2024

Preiswürdig

Die Stadt verrate ihn, die Sparkasse finanziert ihn mit einem Preisgeld von jeweils 3000 €. Auch in seinem 62. Jahrgang macht der Ruhrpreis für Kunst und Wissenschaft seinem Namen alle Ehre. In der Stadthalle werden am 1 Dezember Maria Neumann und Frank Neese für ihre Arbeit als Schauspielerin am Theater an der Ruhr und als Chemiker in der Grundlagenforschung am Max-Planck-Institut für Kohleforschung!  

Wie seiner Ko-Preisträgerin erlebt Neese, der seit 2001 in Mülheim lebt und arbeitet, seine Auszeichnung als Ansporn, "in meiner Arbeit nicht nachzulassen". Mit ihm, so Neese werde auch die Grundlagenforschung, die wir uns in Deutschland Gott sei dank immer noch leisten. "Denn das", so Neese, "was heute noch Grundlagenforschung ist, ist morgen schon Innovation und übermorgen Realität."

"Was ist der  Mensch?", nennt Maria Neumann die Frage, die an allem Anfang von Literatur und Theater steht. "Im Theater kann man authentisch und analog erleben was man mit seinem Smartphone nicht erleben kann, die lebendige Sprache als Erkenntnisprozess, was uns als Menschen ausmacht", betont Neumann.

Der Name des geschäftsführenden MPI-Direktors, Frank Neese, verbindet sich unter anderem mit einer Fachsoftware, mit deren Hilfe man chemische Grundlagenrechnungen erleichtert, womit sich auch Medikamente optimieren lassen. Die seit 1986 am Theater an der Ruhr wirkende Schauspielerin Maria Neumann hat sich als Sprachkünstlerin einen Namen gemacht, die es versteht, die in Szene gesetzte und gesprochene Literatur vom Märchen bis zum aktuellen Bühnenstück, auch Kindern und Jugendlichen altersgerecht zu vermitteln und sie damit für die Literatur, für die Sprache und für das Theater zu begeistern. Was ist eigentlich der Mensch?


Mittwoch, 16. Oktober 2024

Nah am Wasser gebaut

Mülheim ist nah am Wasser gebaut. Man sieht es. Die 239 Kilometer lange Ruhr fließt auf 14 Kilometern Länge mitten durch die Stadt. Mülheim an der Ruhr trägt als Stadt am Fluss eben diesen auch im Namen. 

Was wären Muelheims Handel und Industrie, siehe Tengelmann, Lindgens, Dinnendahl, Troost, Thyssen, Stinnes und Co ohne die Ruhr. Bis zum Beginn des Eisenbahnzeitalters um 1860 war sie der am stärksten befahrene Fluss Europas. Wo der Muelheimer Verschoenerungsverein ab 1880 daran  ging, die Ruhranlagen anzulegen, lagen seit 1839 Mülheims erster Hafen, eingerahmt von Schiffswerften und Kohlenmagazinen. 

Obwohl es bereits 1853 eine Mülheimer Schifffahrtsgesellschaft mit zwei Ausflugsdämpfern gab, sollte sich die weiße Flotte erst ab 1927 dauerhaft etablieren. Im gleichen Jahr wurde in Speldorf der Rhein Ruhr Hafen mit seiner Hafenbahn in Betrieb genommen, wovon anfangs vor allem die 1811 gegründete Friedrich-Wilhelms-Hütte profitieren konnte. Heute ist der von den städtischen Betrieben gemanagte Rhein Ruhr Hafen ein Gewerbegebiet mit mehr als 300 Unternehmen, in dem zu Lande und zu Wasser jährlich mehr als eine Million Tonnen Frachtgut umgeschlagen werden. 

Doch die auch landschaftlich reizvolle Lage an der Ruhr hat für Mülheim nicht nur Vorteile mit sich gebracht. Das Juli-Hochwasser des Jahres 2021 mit seinen massiven Schäden auf der Schleuseninsel ist allen Mülheimerinnen und Mülheimern noch in schlechtester Erinnerung. Seitdem liegt der Wasserbahnhof de facto auf Eis. Vergleichbare Hochwasserschäden waren sowohl 1890 als auch im August 1954 zu beklagen, als weite Teile der Stadt an eine seenlandschaft erinnerten und die Stadt insgesamt 18 Standorte mit massiven Infrastrukturschäden zu beklagen hatte. Auch die Vollendung des Stadthallenbaus am Broicher Ruhrufer wurde 1925 durch Hochwasser verzögert und sorgte dafür, dass man an der Baustelle nasse Füße bekam. Legende sind auch die zahlreichen Fotografieren, auf denen man die alten Mölmschen in Booten durch die überflutete Delle oder durch die unter Wasser stehende Ruhrstraße fahren sieht. So mancher Kaufmann an den damaligen Hauptgeschäftsstraßen der Stadt musste in der Hochwassersaison massive Materialverluste hinnehmen, weil seine Lager vollgelaufen waren.

Angesichts der jüngsten Starkregenereignisse, die mit dem Klimawandel in Verbindung gebracht werden, stellt sich die Frage einer klimagerechten und umwelterhaltenden Stadtplanung mit weniger CO2-Ausstoß, mehr erneuerbaren Energieträgern und mehr Grün- und Freiflächen in einer ganz neuen globalen Dimension, die uns zwingt, lokal zu handeln und global zu denken.

Sonntag, 13. Oktober 2024

Das Ende einer Lebensreise

"Ich bekenne, ich habe gelebt." Die so betitelte Autobiografie des chilenischen Dichters und Nobelpreisträgers Pablo Neruda war nur ein Buch, das Wolfgang Hausmann seinem Publikum mehr als einmal vorgestellt hat.

Mit ihm konnte man auch in die Welt von Heinrich Heine, Wilhelm Busch, Kurt Tucholsky Mascha Koleko und Joachim Ringelnatz eintauchen. 

Das letzte Kapitel im indischen Leben von Wolfgang Hausmann ist geschrieben. Die Buchdeckel seiner Lebensgeschichte haben sich geschlossen.

Ein Monat vor seinem 73. Geburtstag ist Wolfgang Hausmann plötzlich und unerwartet verstorben. 1951 in Bochum geboren, fand er in der Heimaterde eine Wahlheimat, in die er seine Liebe zum geschriebene und gesprochenen Literatur mitbrachte, um sie seinen Nachbarn und Mitbürgerinnen und Mitbürgern zum Veranstalter und Rezitator von Lesungen und Konzerten nahezubringen.

Er machte sie nicht nur mit der deutschen und internationalen Literatur, sondern auch mit Wort- und Klangkünstlern, wie Oliver Steller und Lutz Görner bekannt. Bei Görner und Steller ging er als Rezitator in die Schule, um in ihrem Stile literarische und musikalische Abende in der Stadtteilbücherei Heißen, im MWB-Nachbarschaftshaus am Hingberg, im Kulturzentrum Fünte und zuletzt in der evangelischen Ladenkirche an der Kaiserstraße auf die Bühne zu bringen. "Die große Kunst mit ganz wenigen Worten ganz viel und vor allem das Wesentliche zu sagen und auf den Punkt zu bringen." Das war in den Worten von Wolfgang Hausmann der Kern seiner Begeisterung für die Literatur, deren Funke an seinen Literaturabenden auf sein Publikum über. Verdient und gemacht hat sich Hausmann nicht nur mit der Veranstaltungsreihe "Musik und Literatur in der Heimaterde", sondern auch mit der Lesung "verbrannter Autoren" am 10. Mai, die am Jahrestag der nationalsozialistische Bücherverbrennung über die Lesebühne ging. Für diese Veranstaltung, die abwechselnd vor dem und im Medienhaus am Synagogenplatz stattfand, fand er auch zahlreiche prominente Mülheimer Mitleser und Mitleserinnen. 

Mit Wolfgang Hausmann ist viel zu früh einer der belesensten  Bürger unserer Stadt in die Kulturgeschichte Mülheims eingegangen. 

Samstag, 12. Oktober 2024

Zur Lage der Nation

Ein Geburtstag ist ein Anlass, um zu feiern, aber auch ein Moment des Innehaltens und des Nachdenkens darüber, was gut gelaufen ist und was besser laufen kann im eigenen Leben.

So ist es auch mit unserem Land und mit unserer Gesellschaft, im seit 1990 wiedervereinigten Deutschland. Deshalb hat die CDU auch am 34. Tag der Deutschen Einheit zum Herbstgespräch eingeladen.

Diesmal sorgte Hans-Georg von der Marwitz als Gastredner im Kunstmuseum Alte Post mit seinen kritischen Feiertagsrede für reichlich Gesprächsstoff.

Der Landwirt und CDU-Politiker hat eine deutsch-deutsche Biografie. In Süddeutschland geboren und aufgewachsen, bewirtschaftet er seit der Wiedervereinigung 1990 einen Teil des Landes, das seiner aus Brandenburg stammenden Familie bis 1945 gehört hat.

Während die CDU-Kreisvorsitzende und Bundestagsabgeordnete Astrid Timmermann-Fechter die Wiedervereinigung als einen der "glücklichsten Momente der deutschen Geschichte" bezeichnete, nannte von der Marwitz die Wiedervereinigung "ein Geschenk". Warum wir zu unserem Glück wiedervereinigt sind, machte er mit einem eindrücklichen Rückblick auf seinen Besuch in der real existierenden DDR des Frühjahres 1989 deutlich, als seine sächsischen Gastgeber und er als junger Besucher aus dem Westen Deutschlands noch mit der Willkür der SED-Diktatur konfrontiert wurden. Damit führte Hans-Georg von der Marwitz seinem Publikum noch einmal vor Augen, dass es keinen Grund gibt, der DDR nachzutrauern.

Dennoch machte er deutlich, dass er den Zustand unseres Landes und unserer Gesellschaft 35 Jahre nach dem glücklichen Mauerfall mit großer Sorge sieht und es ihm, wie seinerzeit Heinrich Heine ergehe: "Denke ich an Deutschland in der Nacht, bin ich um den Schlaf gebracht."

Die Wahlerfolge der in Teilen rechtsextremen AFD bei den Landtagswahlen in Brandenburg Sachsen und Thüringen kommen für ihn nicht von ungefähr. Obwohl er Helmut Kohl das historische Verdienst bescheinigt, die historische Gunst der Stunde 1989/90 erkannt und entsprechend gehandelt zu haben, machte er deutlich, dass schon die westdeutsche Bundesregierung Kohl/Genscher den Menschen in der damals noch existierenden DDR Hoffnungen gemacht habe, die unhaltbar gewesen seien. Auch die mangelnde Bereitschaft der Westdeutschen im Zuge der Wiedervereinigung die Lebensleistungen ihre ostdeutschen Landsleute zu würdigen und unbestreitbare Errungenschaften der DDR für das wiedervereinigte Deutschland, auch jenseits des grünen Pfeils, für das zu übernehmen, hätten die Ostdeutschen tief enttäuscht und ihnen das Gefühl gegeben, als Bundesbürger zweiter Klasse nicht gebraucht und nicht anerkannt zu werden. Von der Marwitz erinnerte an den massenhaften Verlust von Arbeitsplätzen, die das Ergebnis der Abwicklung der volkseigenen DDR-Betriebe durch die Treuhand gewesen seien, an westdeutsche Geschäftsleute, die die unerfahren Verbraucher im Osten Deutschlands finanziell über den Tisch gezogen hätten und an kontraproduktive Strukturentscheidungen, die nach der Wiedervereinigung von westdeutschen Verwaltungs- und Wirtschaftsmanagern zum Nachteil der Ostdeutschen getroffen hätten.

Mit Blick auf die aktuelle Lage der deutschen Nation, sieht von der Marwitz ein Defizit an Realismus und ehrlicher Kommunikation. Anspruch und Wirklichkeit sieht er im wiedervereinigten Deutschland des Jahres 2024 weit auseinanderklaffen. Das macht er an Defiziten in unserer Infrastruktur, in unserem Bildungswesen und an überzogenen Sozialleistungen fest. Er sieht Deutschland derzeit als eine Gesellschaft, die, wie im Märchen vom Fischer und seiner Frau, unzufrieden über ihre Verhältnisse lebt. Von der Marwitz: "Wer Rechte hat, der hat auch Pflichten. Aber wir erwarten heute oft von anderen mehr, als wir selbst zu leisten, bereit sind!" Nur wenn diese mentalen und materiellen Strukturprobleme von den demokratischen Parteien glaubwürdig angegangen und gelöst werden, kann unsere Demokratie, nach seiner Ansicht, den Anfechtungen rechter und linker Extremisten standhalten. Von der Marwitz sieht den Auftrag des Tages der Deutschen Einheit darin, dass "wir schützen und stützen, was wir lieben", damit die Vision, die Hoffmann von Fallersleben 1841 in seinem Lied der Deutschen beschrieben hat: "Einigkeit und Recht und Freiheit sind des Glückes Unterpfand. Danach lasst uns alles streben, brüderlich mit Herz und Hand. Blühe im Glanzes dieses Glückes, blühe deutsches Vaterland."



Dienstag, 8. Oktober 2024

Ein Mensch. der uns fehlt

 In Zeiten, in denen der Nahost-Konflikt eskaliert, wäre seine Analyse gefragt. Doch Gerhard Bennertz ist tot. Der evangelische Theologe und Religionspädagoge ist im Alter von 86 Jahren gestorben.

Sein Namen verbindet sich mit der Aufarbeitung der Mülheimer Judenverfolgung während der NS-Zeit und mit der 1993 begründeten deutsch-israelischen Städtepartnerschaften zwischen Kfar Saba und Mülheim. 

Seine Schüler am Berufskolleg Stadtmitte fragten ihn Ende der 1970er Jahre danach, wie es eigentlich mit der nationalsozialistischen Judenverfolgung in Mülheim aus. Deshalb machte er sich auf die Spurensuche, nahm Kontakt mit der Jüdischen Gemeinde auf und wurde auf jüdische Mülheimer hingewiesen, die zum Beispiel in Palästina den Holocaust überlebt hatten.

Er nahm Kontakt zu ihnen, reiste nach Israel und notierte in seinen kleinen Heften jüdische Zeitzeugnisse aus dem Mülheim nach 1933, Die Ergebnisse seiner Gespräche dokumentierte er 1983 in der Zeitschrift des Mülheimer Geschichtsvereins. Das war die erste Dokumentation jüdischer Schicksale in der NS-Zeit.

Seine Begegnungen in Israel motivierten ihn, sich für eine deutsch-israelische Schul- und Städtepartnerschaft zu engagieren. Aus seiner Idee wurde die Städtepartnerschaft mit Kfar und eine Berufsschulpartnerschaft mit Karmiel. Karmiel, das wusste er aus seinen Recherchen, war unter anderem von David Tanne gegründet worden, dessen Wiege in Mülheim gestanden hatte und der mit seinen Eltern 1933 nach Palästina geflohen war, wo er im 1948 geborenen Staat Israel zum Staatssekretär im Bauministerium aufgestiegen war.

Zu den bewegendsten Momenten seiner Versöhnungsarbeit gehörte der Mülheim-Besuch von 17 jüdischen Mülheimern, die ihre Heimatstadt, aus der sie nach 1933 fliehen mussten, um ihr Leben zu retten, und die 50 Jahre nach der Reichspogramnacht als Gäste ihrer ehemaligen Heimatstadt Mülheim im November 1988 wiedersahen.

Gerhard Bennertz, der seinen Nachlass bei Zeiten dem Stadtarchiv übergeben hat, engagierte sich ehrenamtlich im Evangelischen Arbeitskreis der CDU, in der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit, in der Deutsch-Israelischen Gesellschaft und als Israel-Beauftragter im 1995 gegründeten Förderverein Mülheimer Städtepartnerschaften. In ihrem Auftrag reiste er mehr als 40 Mal nach Israel, um seinen Mülheimer Mitbürgerinnen und Mitbürgern die Partnerstadt Kfar Saba und Israel nahezubringen.

Mittwoch, 25. September 2024

Wer war Washington?

 Washington. Der Name dieser Stadt ist heute ein Synonym für die Politik der Supermacht USA, bei der auch nicht alles super läuft. Auf Hochtouren läuft derzeit der Präsidentschaftswahlkampf, an dessen Ende etwa 161 Millionen Amerikanerinnen und Amerikaner am 5. November darüber entscheiden, ob Donald Trump als 47. US-Präsident eine zweite Amtszeit bekommt oder ob es mit Kamala Harris eine 47. Präsidentin der USA geben wird.

Als Gorge Washington 1788 zum ersten Präsidenten gewählt wurde, war von Wahlkampf noch keine Rede. Der Landvermesser, Großgrundbesitzer und General aus Mount Vernon in Virginia ließ sich bitten, ehe er sich zur Wahl stellte und als einziger US-Präsident einstimmig in sein Amt gewählt wurde. 

Als Oberbefehlshaber der US-Truppen im 1783 beendeten Unabhängigkeitskrieg und als Vorsitzender des Verfassungskonvents in Philadelphia hatte sich Washington das Vertrauen seiner Landsleute verdient, dass ihn zum ersten Präsidenten der USA machte.

Am 4. März 1789 wurde er noch nicht in Washington auf den Stufen des Capitols, sondern auf dem Balkon der Federal Hall in New York in sein Amt eingeführt. Dass er dort eine gar nicht vorgesehene Antrittsrede an die vor der Federal Hall versammelten Bürgerinnen und Bürger hielt, war der erste Maßstab, den er als Erster in seinem Amt setzte. 

Ein jährlicher Bericht vor beiden Kammern des Kongresses zur Lage der Nation machte ebenfalls bei seinen Nachfolgern Schule. Auch mit seinem Verzicht auf eine dritte Amtszeit, die damals möglich gewesen wäre, weil die Begrenzung auf zwei Amtszeiten des US-Präsidenten erste 1951 in der US-Verfassung verankert wurde, setzte Maßstäbe. 

Gleiches galt für seinen Anspruch, als Präsident gezielt, aber nicht übertrieben von seinem Veto gebrauch zu machen, wenn er einen Gesetzesentwurf des Kongresses für mit den nationalen Interessen nicht vereinbar hielt. Auch sein Beharren darauf, dass er als Präsident die Richtlinien der amerikanischen Außenpolitik bestimmte und sich Minister seines Vertrauens auswählte, die nach dem Ressort-Prinzip ein Kabinett bildeten, dessen Mitglieder wiederum nur vom Senat bestätigt werden mussten, bestimmt bis heute die Amtsführung der US-Präsidenten.

Erst sein Nachfolger John Adams regierte ab 1801 im Weißen Haus in Washington, wo der Namensgeber der neuen amerikanischen Hauptstadt 1798 den Grundstein für das Kapitol, den Sitz des Repräsentantenhauses und des Senates gelegt hatte.

Als sich der damals 64-jährige Washington 1796 in seiner Far-Well-Adress als Präsident von seinen Landleuten verabschiedete, riet ihr ihnen zu einer strikten außenpolitischen Neutralität und warnte sie vor der Entstehung politischer Parteien, die mit ihrem Geist dem Gemeinwohl zuwiderliefen. Wir wissen heute: Es sollte anders kommen.

Auch der 1799 verstorbene Washington, von dem es im Nachruf eines Freundes hieß: "Er war der Erste im Krieg, der Erste im Frieden und der Erste in den Herzen seiner Landsleute!" lebte in den Widersprüchen seiner Zeit. Als Anhänger der Aufklärung lehnte er die Sklaverei ab, obwohl er als Großgrundbesitzer Sklaven hielt. Allerdings entließ er seine Sklaven testamentarisch in die Freiheit. Doch die ehemaligen Sklaven blieben, wo sie waren und hielten auch Washingtons Frau Martha bis zu ihrem Tod (1802) die Treue, weil sie den Ort, an dem sie waren, als den für sie Bestmöglichen sahen, um dort als freie Menschen zu leben und zu arbeiten. Die Sklavenbefreiung durch Washingtons Amtsnachfolger, Abraham Lincoln, im Jahr 1863 sollten auch sie nicht mehr erleben.

Samstag, 21. September 2024

Denkmal Mülheim

 Auch wenn der Zweite Weltkrieg viele von ihnen zerstört hat, findet man in unserer Stadt bei genauerem Hinsehen noch etliche Fachwerkhäuser. Zwei von ihnen, die zurzeit restauriert werden, wurden jetzt beim Tag des offenen Denkmals der interessierten Öffentlichkeit vorgestellt.

Das Bekanntere von Beiden ist das sogenannte Tersteegenhaus an der Teinerstraße aus dem Baujahr 1536, das andere ein vormaliges Schifferhaus aus dem Baujahr 1841.

Beide Häuser wurden im bergischen Fachwerkstil, mir weiß gekalkten Ziegelsteinen, Lehm und Eichenholzbalken errichtet. "Hier haben die Menschen gelebt, die das Ruhrgebiet mit aufgebaut haben und die wussten, wie man gute Häuser baut!" sagt der Eigentümer des alten Schifferhauses am Scharpenberg, der dort mit seiner Familie lebt und das Haus unter der Federführung der Architekten Wolfgang Kamieth und Matthias Pawlik von Bauhandwerkern restaurieren. 

Wolfgang Kamieth, der selbst in einem 1784 errichteten Schifferhaus, gleicher Bauart an der Ruhr wohnt, das er Ende der 1980er Jahre selbst restauriert hat, ist sich mit seinem Auftraggeber, einem IT-Fachmann, einig: "Man kann in solch alten Häusern mit ihren natürlichen Baustoffen gut und komfortabel wohnen, ohne Abstriche beim modernen Wohnkomfort machen zu müssen."

Hausherr und Architekt hoffen, dass die Restauration des denkmalgeschützten Hauses 2025 nach dann fünf Jahren erfolgreich abgeschlossen werden kann. "Wenn es keine Dekmalbauförderung des Bundes und des Landes und die fachkundige Begleitung durch die Untere Denkmalbehörde gäbe, würde es solche Häuser heute nicht mehr geben", unterstreicht der Hauseigentümer mit Blick auf die Kosten. Dennoch möchte er sein Fachwerkhaus mit insgesamt 250 Quadratmetern Wohnfläche, zuzüglich Garten mit keinem modernen Reihenhaus oder mit einem Penthouse-Apartment tauschen. "Wenn Kinder ein Haus malen sollen, malen sie in der Regel ein Fachwerkhaus. Diese kompakte und überschaubare Architektur steckt wohl als Archetyp eines Wohnhauses in uns Menschen drin", sagt Architekt Kamieth, der bereits in den 1970er Jahren mit der Restauration alter Häuser begann, als das in seinem Metier noch als aus der Zeit gefallen belächelt wurde.

Auch das Tersteegenhaus, in dem von 1746 bis 1769 der Dichter, Prediger und Menschenfreund Gerhard Tersteegen lebte und wirkte, wird derzeit noch renoviert. 2017 musste das seit 1950 als Heimatmuseum genutzte Heimatmuseum geschlossen und eingerüstet werden. "Einsturzgefahr wegen Holzschwambefall!" lautete damals die Diagnose.

Der 2011 gegründete Förderverein des Tersteegenhauses plant seine Wiedereröffnung für Ende 2026. Doch bis dahin muss der dritte Bauabschnitt der rund 4,8 Millionen Euro kostenden Restauration bewältigt werden. Bund, Land, Stadt und spendable Bürgerinnen und Bürger sollen es möglich machen. 

Zurzeit liegt die Sache zur Beratung im Rathaus. Das Konzept für eine moderne, interaktive, generationsübergreifende und barrierearme Nutzung des neuen/alten Heimatmuseums, das um einen modernen Anbau erweitert werden soll, hat der Förderverein bereits ausgearbeitet und ebenfalls am Tag des offenen Denkmals der interessierten Öffentlichkeit vorgestellt.


Zum Förderverein des Tersteegenhauses  


Donnerstag, 19. September 2024

Wenn die Feuerwehr feiert

Solche Tage lieben Gäste und Gastgeber. Es ist Samstag, Es ist arbeitsfrei und die Sonne scheint. Und alle sind entspannt und gut gelaunt. Genau so einen Tag erwischte jetzt die Berufsfeuerwehr, die mit ihrem Tag der Offenen Türe ihren 100. Geburtstag feierte und dabei, nach eigenen Schätzungen, mindestens 10.000 Besucher aus allen Generationen begrüßen konnte. Feuerlöschen und im Feuerwehrauto hinter dem Lenkrad sitzen. Das kam beim Nachwuchs ebenso gut an, wie das Üben der Reanimation mit einem Dummy. 

Gefühlt waren alle 350 Mitarbeitende der Mülheimer Berufsfeuerwehr im Einsatz, ob beim Catering, ob bei einer Modenschau, bei der Feuerwehrleute zu Models wurden und ihre ganz unterschiedliche Arbeitskleidung, von der Ausgehuniform bis zum Spezialanzug für die Bewältigung von Chemieunfällen vorführten, Beeindruckend war auch die Einsatzdemonstration des Feuerwehrnachwuchses. Er zeigte am 35 Meter hohen Übungsturm, der nicht von ungefähr an ein Hochhaus erinnert, wie man sich als Feuerwehrmann oder Feuerwehrfrau, via Seil und Hakenleiter über den Balkon Zugang in eine brennende Wohnung verschafft oder sich im Notfall auch wieder abseilt, wenn der Brandherd den Hausein- udn Ausgang unpassierbar macht. Unter den mehr als 100 Feuerwehrfahrzeigen, die beim Tag der Offenen Türe auf dem Geländer der Feuerwache an der Duisburger Straße und vor der angrenzenden Alten Dreherei präsentiert wurden, waren auch etliche Feuerwehr-Oldtimer aus den 1950er, 1960er und 1970er Jahre. 

Apropos Oldtimer: Weil nicht nur bei der Berufsfeuerwehr viele Fachkräfte aus den geburtenstarken Jahrgängen demnächst in den Ruhestand gehen, nutzten nicht nur die Gastgeber, sondern auch befreundete Hilfsorganisationen, wie Polizei, Deutsches Rotes Kreuz, Malteser, Johanniter Unfallhilfe und die Ökumenische Notfallseelsorge den Tag der Offenen Tür, um ihre Arbeit vorzustellen und um Nachwuchs zu werben. Weil der demografisch bedingte  Fachkräftemangel auch bei der Berufsfeuerwehr angekommen ist, verzichtet sie bei Einstellungen inzwischen auf die früher obligatorische Handwerksausbildung. Nur eine Sanitäts- und Rettungsausbildung bleibt weiterhin verpflichtend.

Berufsfeuerwehr Mülheim an der Ruhr

Kultur macht stark

  Ist Kultur Luxus oder ein Lebensmittel, wie es einst Bundespräsident Johannes Rau formuliert hat? Letzteres haben jetzt die jahrgangsüberg...