Nicht ist beständiger als der Wandel. Das ist auch in Mülheim so, wo viel Wasser die Ruhr hinunterfließt. Der 239 Kilometer lange Fluss strömt auf 14 Kilometern durch unsere auf 40 Metern über Normal Null gelegenen Stadt, die die Ruhr aus gutem Grund im Namen trägt.
Schon im Winter 883/84 floss die Ruhr durch Mülheim, dass allerdings erst 1093 erstmals als Gerichtsort urkundlich beim Namen genannt werden sollte. Ruhrfurt und der aus Duisburg drohende Ansturm der Normannen, der dann aber nie kam, führte dazu, dass am Broicher Ruhrufer ein Sperrfort gebaut wurde, dass später zur Burg und noch später zum Schloss Broich um- und ausgebaut werden sollte.
Wenn die meisten der aktuell 175.000 Einwohner gerne in Mülheim leben dann hat das vor allem auch mit der Ruhr und dem Ruhrtal zu tun. Wer die Stadt nicht kennt, wundert sich immer wieder, dass eine Stadt im Ruhrgebiet so grün sein kann.
Tatsächlich sind 52 Prozent der Stadtfläche grün. Die Ruhr hat Mülheim Reichtum gebracht. Mathias Stinnes, für den in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts bis zu Schiffe seine Kohle und mehr über Rhein und Ruhr transportierten, lässt grüßen.
Und nicht nur die Familie Vorster, die 1808 Mülheims ersten Bürgermeister stellten, haben mit ihrer klappernden Papiermühle am Broicher Ruhrufer ab Mitte des 17. Jahrhunderts gutes Geld mit ihrem hochwertigen Kanzleipapier verdient. Ihr ehemaliger Lehrling Wilhelm Rettinghaus nahm sein Handwerk 1683 mit in die Neue Welt und fand dort sein Glück. Auf dem Papier aus seiner Mühle wurde am Beginn des 18. Jahrhunderts die erste amerikanische Zeitung gedruckt. Auch dass Mülheim in der zweiten Häfte des 19. Jahrhunderts zu einer Lederstadt mit bis zu 60 Fabriken wurde, hatte mit seiner Lage am Wasser zu tun. Das galt auch für die 1927 am Broicher Ruhrufer, auf dem Gelände der alten Papiermühle Vorster, errichteten Wasserburg der Rheinisch-Westfälischen Wasserwerksgesellschft. (RWW)
Die 1912 gegründete RWW und ihre damaliger Geschäftsführer Gerd Müller waren es, die im Jahr der Landesgartenschau MüGa aus einem alten Boothaus auf der Schleuseninsel das Haus Ruhrnatur und aus einem 1892 von August Thyssen errichteten Wasserturm in Styrum das Wassermuseum Aquarius machte.
Der Fluss hat der Stadt an seinen Ufern aber nicht nur Glück gebracht. Immer wieder, besonders extrem 1890, 1943 und 2021, trat er über seine Ufer und sorgte für seinen Hochwassern für großen Schaden. Und vor 100 Jahren sahen sich 32 Menschen in unserer Stadt dazu genötigt, eine Deutsche Lebensrettungsgesellschaft zu gründen, um Nichtschwimmer zu Schwimmern und Schwimmer zu Rettungsschwimmern zu machen, damit weniger Menschen als bis dahin in der Ruhr den nassen Tod fanden. Gleichzeitig genossen die Menschen in Mülheim an der Ruhr deren Strand als ihre Riviera des kleinen Mannes.
Wo um 1860 noch mehr als 10.000 Transportschiffe die Ruhr zum meist befahrenen Fluss Europas machten, ehe sie ab 1862 von der Eisenbahn im Zug der Zeit abgehängt wurden, fahren seit 1927 die Schiffe der Weißen Flotte. Kaum zu glauben, dass sie in ihrer ersten Saison fast 500.000 Fahrgäste beförderte. Aber damals verbrachten die meisten Menschen ihre knapp bemessene Freizeit in der Regel zuhause.
Und zur Ruhr gehörten natürlich auch immer legendäre Ausflugslokale, wie Müller Menden, Müller Flora, das Kahlenbergrestaurant, um nur drei von 250 Gaststätten zu nennen, die es vor dem Ersten Weltkrieg in Mülheim an der Ruhr gab.
Apropos Weltkrieg. Im Zweiten Weltkrieg wurde Mülheim 1943 infolge der britischen Bombardierung der Möhnetalsperre, siehe Hochwasser, zum menschen gemachten Verhängnis. Mit dieser Hochwasserkatastrophe mussten die Menschen in Mülheim an der Ruhr erleben und erleiden, dass der 1939 in ihrem Namen begonnene Krieg jetzt auf sie zurückschlug.
Angesichts von 14 Brücken, die heute in Mülheim die Ruhr überqueren, kann man es sich gar nicht vorstellen, dass Mülheim erst 1844 mit seiner sogenannten Kettenbrücke, die offiziell Friedrich-Wilhelm-Brücke hieß, seine erste Ruhrüberquerung bekam, der 1911 die erste und 1960 die zweite Schloßbrücke folgen sollten.
Dass die 1844 arbeitslos gewordenen Fährleute der Familie Scholl 1867 zu den Gründern des späteren Handelskonzerns Tengelmann gehörten, ist ein historisches Paradebeispiel für den wirtschaftlichen Strukturwandel, den Mülheim an der Ruhr bis auf den heutigen Tag meistern muss. Auch der 1927 eröffnete Rhein-Ruhr-Hafen, der an die Tradition des von 1840 bis 1880 an der Ruhr gelegenen Hafens anknüpfte, ist ein solches Beispiel.
Und dass die Zuschüttung des ersten Mülheimer Ruhrhafens mithilfe des 1879 gegründeten Verschönerungsvereins den Beginn der grünen Ruhranlagen bedeutet, zeigt uns ebenso, dass mit jedem Ende, auch ein Anfang verbunden sein kann, dessen Zauber, frei nach Hermann Hesse, uns beschützt und uns hilft zu leben.
Möge es mit dem Ende des Jahres 2024 und dem Beginn des neuen Jahres 2025 ebenso sein.
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