Als Paul Gerhard Bethge 1924 in Mülheim geboren wurde, war die Stadthalle noch im Bau und erstmals zogen zwei Nationalsozialisten in den Stadtrat ein. Die zum Teil blutigen Straßenkämpfe zwischen Kommunisten, Sozialdemokraten und Nationalsozialisten in der Stadtmitte gehören denn auch zu seinen frühesten Kindheitserinnerungen an die Zeit der späten Weimarer Republik.
National und protestantisch war sein Elternhaus, das am Muhrenkamp stand. Der Vater, ein ehemaliger Militärmusiker des in Mülheim stationierten Infanterieregiments 159, hatte sich nach dem für Deutschland verlorenen Ersten Weltkrieg 1918 dem rechten Freikorps des Hauptmanns Siegfried Schulz angeschlossen. Als das Freikorps 1923 aufgelöst wurde, wechselte er als Finanzbeamter in den Staatsdienst der Republik, die er als Monarchist eigentlich ablehnte.
Wie viele deutschnationale und konservative Protestanten Mülheims hofften auch Bethges Eltern, dass mit der Ernennung des Nationalsozialisten Adolf Hitler 1933 für das durch den Versailler Friedensvertrag hart bestrafte Deutschland alles besser werden würde.
In dieser Überzeugung erzogen sie auch ihren Sohn, der als Schüler selbstverständlich auch im Jungvolk und in der Hitler-Jugend aktiv wurde und ab 1939 als mehrfach verwundeter Soldat der Waffen SS am Zweiten Weltkrieg teilnahm.
Dass er "nicht für eine gute Sache gekämpft hatte, sondern von Heinrich Himmler und den anderen NS-Führern missbraucht worden war", kam ihm erst mit dem Nürnberger Kriegsverbrecherprozess der Jahre 1945 und 1946. Wie sein Vater verdiente er den Lebensunterhalt seiner Familie als Finanzbeamter.
Dass er ab 1956 als Mitglieder der FDP aktiv wurde, hatte mit einer Bundestagsrede des FDP-Vorsitzenden Erich Mendes zu tun. Er plädierte dafür alle Soldaten der Deutschen Wehrmacht, inklusive der Waffen SS fair und gleichberechtigt zu behandeln.
Als FDP-Stadtverordneter begleitete Bethege ab 1964 kommunalpolitisch den Bau neuer Schulen, die Einführung der damals vor allem von der CDU und der katholischen Kirche abgelehnten Koedukation, die Förderung der Mülheimer Sportvereine und als Kuratoriumsmitglied das Management des Evangelischen Krankenhauses.
Dessen gute Personalausstattung und die gelungene Symbiose zwischen Vereinssport und Stadtgesellschaft sieht der ehemalige Vorsitzende des Mülheimer Tennisvereins am Kahlenberg auf seiner politischen Habenseite. Dass seine Arbeit und seine kommunikative und pragmatische Persönlichkeit, über Parteigrenzen hinweg, Anerkennung fand, zeigte seine Wahl zum Bürgermeister im Jahr 1978, als die SPD in Mülheim noch mit absoluter Mehrheit regieren konnte.
In der heutigen Kommunalpolitik beobachtet Bethge einen Trend "zum Wischi Waschi"! Seiner eigenen Generation bescheinigt er in Sachen Kommunalpolitik mehr inhaltliche und rhetorische Schärfe, aber auch mehr Bodenständigkeit und Lokalpatriotismus. Gerne sähe er im Rathaus wieder mehr Menschen, "die in der Stadt und für die Stadt leben!" Auch über seine eigene Partei sagt er ernüchtert: "Gerne würde ich etwas über sie sagen, wenn es denn etwas über sie zu sagen gäbe."
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