Stolpersteine sind ein Ärgernis. Sie können aber auch ein Anstoß zum Nachdenken und Erinnern sein. Das fand auch der Kölner Künstler Gunter Demnig und rief 1993 das Erinnerungskulturprojekt "Stolpersteine" ins Leben, das heute bundesweit die Namen und Schicksale der sechs Millionen Holocaust-Opfer dem Vergessen entreißt, auch in Mülheim.
Vor 20 Jahren brachte die Pädagogin Judith Koch-Bril Gunter Demnigs Idee nach Mülheim. Ein Fernsehbericht hatte sie auf sein Projekt aufmerksam gemacht. Die ersten Mülheimer Stolpersteine wurden 2004 in der Stadtmitte verlegt. Sie erinnerten an jüdische Schülerinnen und Schüler der Städtischen Mädchen- und Knaben-Mittelschule, die nach der Reichspogromnacht 1938 ihre Schule, die wir heute als Realschule Stadtmitte kennen, verlassen mussten und später deportiert und ermordet wurden oder sich nur durch eine Flucht ins Ausland retten konnten.
Zur Erinnerung 270 jüdische Mülheimer wurden im Rahmen des Holocaust ermordet. 300 konnten sich durch die Flucht ins Exil retten. 20 überlebten in Konzentrationslagern oder im Versteck.
Inzwischen sind 175 Stolpersteine in der Stadt verlegt worden, die an Mülheimer Opfer der NS-Diktatur erinnern. 14 weitere sollen jetzt verlegt werden, wenn sich genug Spender aus der der Bürgerschaft finden. Dreh- und Angelpunkt der biographischen Recherche und Dokumentationsarbeit, deren Ergebnisse auf der Internetseite des Mülheimer Stadtarchivs nachzulesen sind, waren und sind Mitarbeitende des Stadtarchivs. Jens Roepstorff, Annett Fercho und jetzt Patrick Böhm arbeiten für und mit den geschichtsinteressierten Bürgerinnen und Bürgern, die sich der Aufgabe widmen, den NS-Opfern, auch jenen, die ihre Verfolgung durch die Nationalsozialisten überlebt haben, ihren Namen und ihre Lebensgeschichte zurückzugeben. Wie könnte man den Plan der Nationalsozialisten besser durchkreuzen, jüdisches Leben und die Erinnerung daran, für immer auszulöschen.
Schülerinnen und Schüler der Realschulen Stadtmitte und Mellinghofer Straße haben diese Erinnerungsarbeit ebenso geleistet, wie ein von Friedrich-Wilhelm von Gehlen (2006-2019) geleiteter Arbeitskreis Stolpersteine und zuletzt der Rotarier Clemens Miller. Er und seine Kollegen aus dem Club Mülheim-Uhlenhorst haben es sich zur Aufgabe gemacht, immer wieder in der Woche, vor dem 27. Januar, die Mülheimer Stolpersteine zu reinigen und damit ein Beitrag zum internationalen Holocaust-Gedenktag zu leisten. Frei nach Hannah Arendt sagt Miller im Rückblick auf seine Recherche- und Dokumentationsarbeit: "Ich habe immer wieder die Banalität des Bösen gesehen."
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen