Manchmal scheint es so, als lerne die Menschheit nichts aus ihrer Geschichte. Auch dieses Jahr ist Weihnachten ein Fest des Friedens, mitten im Krieg, siehe Ukraine und Naher Osten.
Vor 80 Jahren erlebten die Menschen in Mülheim den Krieg am eigenen Leibe. Am frühen Nachmittag des 24. Dezember 1944 entluden 169 Bomber der Royal Air Force ihre tödliche Fracht über Raadt und Menden. Ihr Ziel war der 1939 zum militärischen Fliegerhorst gemachte Flughafen Essen Mülheim und die dort stationierten Düsenjets ME262. Diese Kampfflugzeuge setzte die Wehrmacht damals in ihrer Ardennenoffensive ein und hatte sie deshalb, gut getarnt, in einem nahegelegenen Waldstück stationiert.
Getroffen wurde nicht das militärtechnische Material, sondern die Menschen, die zum Beispiel in einem Hochbunker an der Windmühlenstraße Zuflucht gesucht hatten. Dessen 1,40 Meter dicke Betondecke wurde von einer 1000-Kilo-Bombe durchschlagen und tötete 50 Bunkerinsassen. Insgesamt starben an diesem Tag mehr als 200 Menschen an den Folgen des Luftangriffs. Unter ihnen waren auch viele Insassen des benachbarten Arbeits- und Erziehungslagers. Denn sie hatten keinen Zutritt zu Luftschutzräumen und mussten Luftangriffe in Unterständen und Splittergräben zu überleben versuchen.
Die meisten Menschen im Erdgeschoss des Bunkers überlebten den Bombentreffer. Sie mussten Tote und Verletzte aus dem Bunker tragen und sie auf den gefrorenen Boden legen. Es dauerte zwei Stunden, ehe die ersten Rettungskräfte eintrafen und die Verletzten in die Mülheimer und Oberhausener Kliniken brachten. Dort gab es zu wenige Betten, so dass viele Verletzte dort auf Stroh gelagert werden mussten. Einige wurden auch in einem Stollen am Oberhausener Hauptbahnhof untergebracht und später mit einem Zug gen Osten evakuiert. Von dort aus mussten sie dann wieder nach Westen fliehen, weil die Rote Armee aus dem Osten voran rückte. Sie erlebten eine Katastrophe nach der Katastrophe.
Mehr Glück im Unglück hatten die kleinen Patienten im Haus Jugendgroschen, dass während des etwa zehnminütigen Bombenangriffs zerstört wurde. Denn sie lagen zu diesem Zeitpunkt nicht in ihren Betten eines provisorischen Kinderkrankenhauses, sondern wurde in der Nähe bei einer Weihnachtsfeier beschert.
Nicht nur in Menden und Raadt, sondern auch in Holthausen ließen die Druckwellen der großkalibrigen Bomben Türen und Fenster bersten und auch die eine oder andere Hauswand einstürzen. Ein halbes Jahr nach diesem Luftangriff, einem von 161, die Mülheim während des Zweiten Weltkrieges trafen, war der Krieg beendet. Und die britischen Truppen machten das vom Krieg gezeichnete Flughafengelände als Besatzungsmacht zu ihrem LKW-Parkplatz. Die Reste des zerstörten Hochbunkers wurden ab 1947 als Lagerhaus genutzt, ehe sie, 40 Jahre später, neuen Einfamilienhäusern Platz machten. Auf einer Grünfläche am Sportplatz des SV Raadt erinnert seit 1960 eine Gedenktafel an die getöteten und verletzten Opfer des Heiligabendangriffs 1944.
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