Eine schöne Bescherung. Das wünscht man sich zu Weihnachten, wohlgemerkt buchstäblich und nicht doppeldeutig. Eindeutig ist die Armut, die man bei der Bescherung des Vereins Solidarität im Ruhrgebiet am Nordeingang des Hauptbahnhofes erlebt.
Der Name des 2018 gegründeten Vereins ist Programm. Mit freiwilligen Helfern und freiwilligen Spenden sorgt der Verein werkstäglich an den Hauptbahnhöfen dafür, das hungrige und bedürftige Menschen zwischen 17.30 und 18.30 Uhr ein warmes Abendessen bekommen. Hier geht Nächstenliebe durch den Magen. An diesem Tag vor Weihnachten werden Reis und Hähnchen aufgetischt. Neben des Ehrenamtlichen des Vereins Solidarität im Ruhrgebiet sind diesmal auch Mitarbeiter des Marokkanischen Kultur- und Sportvereins und Mitarbeitende der Targo-Bank mit von der Partie, die nicht nur das warme Essen und nicht alkoholische Getränke ausschenken, sondern auch winterfeste Kleidung und Obst verteilen.
"Ich habe ein warmes Zuhause und einen gut gefüllten Kühlschrank. Das reicht mir als Motivation, um hier "als Mädchen für alles mitzumachen", sagt eine Helferin der Solidarität im Ruhrgebiet e.V. Ein Targo-Banker meint: "Ich bin froh hier zu sein und Teil dieser helfenden Gemeinschaft zu sein, weil ich hier sehe, dass wir in unserer Gesellschaft den Menschen zu wenig helfen, die am dringendsten unsere Unterstützung brauchen." Und für den Vorsitzenden des Marokkanischen Kultur- und Sportvereins steht fest: "Wir sind alle Teil einer Gesellschaft. Und wenn jeder etwas mithilft, kann es besser werden."
Schade findet es die stellvertretende Vorsitzende der Solidarität im Ruhrgebiet, dass die Stadt Mülheim nicht mitmachen wollte, als sie vom Verein mit der Idee konfrontiert wurde, die leerstehenden Flüchtlingsunterkünfte für Obdachlose zu öffnen. Zwar gebe es eine Notschlafstelle an der Kanalstraße. Diese werde aber von vielen Obdachlosen bewusst gemieden, weil sie aus gutem Grund befürchten müssten, von Mitbewohnern bestohlen oder misshandelt zu werden.
Wer sich fragt, warum sich etwa 30 Menschen, Tendenz steigend, sich täglich in einem mit Autoscheinwerfern ausgeleuchteten Partyzelt auf Biertischgarnituren im zügigen Wind kostenfrei beköstigen lassen, hört in den Gesprächen mit den bedürftigen Gästen zum Beispiel von: "Falsche Freunde, Drogen, Krankheit, Arbeitsunfälle, Arbeitsunfähigkeit, Sucht, Beschaffungskriminalität, Haftstrafen, Lohndumping, Minirenten und anderen Schicksalsschlägen, die das Leben mit sich bringen kann." An diesem Abendtisch des Vereins Solidarität im Ruhrgebiet sind keine Frauen, sondern nur alleinstehende Männer mittleren und fortgeschrittenen Alters zu sehen."
Unter den Helfenden ist man sich einig: "Niemand von uns kann sich davon frei sprechen, von einem oder mehreren Schicksalsschlägen aus seiner Lebensbahn geworfen zu werden." Und eine der Solidaritäterinnen, die beruflich in der Gastronomie tätig ist, erinnert sich an einen Ingenieur, der durch den Tod seiner Frau dem Alkohol verfallen ist und dann mit seinem Arbeitsplatz auch seine bürgerliche Existenz verloren habe. Hinzu komme, dass viele von Alkohol, Drogensucht und psychische Erkrankungen zerrüttete Menschen, nicht mehr in der Lage seien, sich selbstständig durch den Dschungel der Sozialstaatsbürokratie zu kämpfen, um die Hilfe zu bekommen, die sie brauchen und auf die sei ein Recht haben." Und so müssen ehrenamtlich Helfende, Sponsoren und Spender, zu denen neben ganz normalen Bürgerinnen und Bürgern mit Herz auch Gastronomen, Metzger, Bäcker und Lebensmittelhändler gehören, die durch Inflation und Rationalisierung gerissenen Löcher im sozialen Netz unserer Gesellschaft notdürftig wieder stopfen.
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