Dienstag, 8. Oktober 2024

Ein Mensch. der uns fehlt

 In Zeiten, in denen der Nahost-Konflikt eskaliert, wäre seine Analyse gefragt. Doch Gerhard Bennertz ist tot. Der evangelische Theologe und Religionspädagoge ist im Alter von 86 Jahren gestorben.

Sein Namen verbindet sich mit der Aufarbeitung der Mülheimer Judenverfolgung während der NS-Zeit und mit der 1993 begründeten deutsch-israelischen Städtepartnerschaften zwischen Kfar Saba und Mülheim. 

Seine Schüler am Berufskolleg Stadtmitte fragten ihn Ende der 1970er Jahre danach, wie es eigentlich mit der nationalsozialistischen Judenverfolgung in Mülheim aus. Deshalb machte er sich auf die Spurensuche, nahm Kontakt mit der Jüdischen Gemeinde auf und wurde auf jüdische Mülheimer hingewiesen, die zum Beispiel in Palästina den Holocaust überlebt hatten.

Er nahm Kontakt zu ihnen, reiste nach Israel und notierte in seinen kleinen Heften jüdische Zeitzeugnisse aus dem Mülheim nach 1933, Die Ergebnisse seiner Gespräche dokumentierte er 1983 in der Zeitschrift des Mülheimer Geschichtsvereins. Das war die erste Dokumentation jüdischer Schicksale in der NS-Zeit.

Seine Begegnungen in Israel motivierten ihn, sich für eine deutsch-israelische Schul- und Städtepartnerschaft zu engagieren. Aus seiner Idee wurde die Städtepartnerschaft mit Kfar und eine Berufsschulpartnerschaft mit Karmiel. Karmiel, das wusste er aus seinen Recherchen, war unter anderem von David Tanne gegründet worden, dessen Wiege in Mülheim gestanden hatte und der mit seinen Eltern 1933 nach Palästina geflohen war, wo er im 1948 geborenen Staat Israel zum Staatssekretär im Bauministerium aufgestiegen war.

Zu den bewegendsten Momenten seiner Versöhnungsarbeit gehörte der Mülheim-Besuch von 17 jüdischen Mülheimern, die ihre Heimatstadt, aus der sie nach 1933 fliehen mussten, um ihr Leben zu retten, und die 50 Jahre nach der Reichspogramnacht als Gäste ihrer ehemaligen Heimatstadt Mülheim im November 1988 wiedersahen.

Gerhard Bennertz, der seinen Nachlass bei Zeiten dem Stadtarchiv übergeben hat, engagierte sich ehrenamtlich im Evangelischen Arbeitskreis der CDU, in der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit, in der Deutsch-Israelischen Gesellschaft und als Israel-Beauftragter im 1995 gegründeten Förderverein Mülheimer Städtepartnerschaften. In ihrem Auftrag reiste er mehr als 40 Mal nach Israel, um seinen Mülheimer Mitbürgerinnen und Mitbürgern die Partnerstadt Kfar Saba und Israel nahezubringen.

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