Sonntag, 24. September 2017

Wilhelm Knabe: Der fundierte Realist

Dr. Wilhelm Knabe im Bundestagswahlkampf 2017
Wilhelm Knabe war schon ein Grüner, als es die Grünen noch nicht gab. Angeregt durch seine Eltern, entwickelte  der 1923 im Kreis Dresden geborne Knabe schon als solcher früh eine intensive Naturliebe. „Sie bewegt mich bis heute und es ist mir ein Herzensanliegen, dass Kinder auch heute und morgen in Waldkindergärten, Waldspielen und Natur-Lernwerkstätten frühe Naturerfahrungen sammeln können, die ihr Bewusstsein für den Schutz der Umwelt wecken“, sagt der ehemalige 

Bundestagsabgeordnete, der am 8. Oktober seinen 94. Geburtstag feiern kann.

Als der Mit-Gründer der Grünen 1987 über die Landesliste seiner Partei in den Bundestag einzog, hatten die Grünen ihre erste Legislaturüeriode im Bonner Bundeshaus hinter sich.  „Wir wurden nicht mehr verteufelt und konnte einige unserer Vorschläge durchbringen“, erinnert sich Knabe. Für seine Fraktion saß der Wahl-Mülheimer damals im Umweltausschuss, in der Enquete-Kommission Schutz der Erdatmosphäre und im innerdeutschen Ausschuss. So konnte er mit dazu beitragen, dass der Bundestag einstimmig den Umweltschutz im Aufgabenkatalog der Auswärtigen Dienstes verankerte und eine 30-prozentige Reduzierung des klimaschädlichen CO-2-Ausstoßes beschloss.

Als Forstwissenschaftler, der sich bereits in den 50er- und 60er Jahren beruflich mit der Renaturierung von Industriebrachen und mit den Ursachen und Folgen des Waldsterbens beschäftigt hatte, konnte Knabe als Bundestagsabgeordneter nicht nur einen politischen Standpunkt, sondern auch fundiertes Fachwissen in die Debatte einbringen.

Obwohl er in den frühen 80er Jahren Bundes- und Landessprecher seiner Partei gewesen war, machten es die Grünen ihm damals nicht leicht. „Es war bei den Grünen wichtig, ob man Fundamentalist oder Realo war. Ich habe aber gesagt: Ich bin ein fundamentalistischer Realist und ein realistischer Fundamentalist“, erinnert sich der Ex-MdB an die frühen Flügelkämpfe seiner Partei. Sie sollten, und das sieht Knabe bis heute mit Bitterkeit, bei der ersten gesamtdeutschen Bundestagswahl 1990 seinen Wiedereinzug in den Bundestag verhindern. „Ich hätte in einer weiteren Wahlperiode noch viel erreichen können“, sagt Knabe heute. Vor allem in der Enquete-Kommission machte er die wohltuende Erfahrung, „dass ich einen guten Kontakt zu meinen Kollgen aus den anderen Fraktionen aufbauen konnte und so 80 Prozent meiner Vorschläge fraktionsübergreifend angenommen wurden.“

Kritisch wurde damals nicht nur bei den Grünen gesehen, dass der ehemalige DDR-Flüchtling Knabe am Ziel der deutschen Wiedervreinigung festhielt und ab Herbst 1987 im Schutze seiner parlamentarischen Immunität Oppositionsgruppen in Polen und in der DDR unterstützte. „Ich wusste aus eigener Erfahrung, wie sehr die Menschen in der DDR unter der SED-Diktatur litten und sich deshalb danach sehenten, etwas neues für sich aufzubauen“, sagt der Vater von vier erwachsenen Kindern.

Nach seiner Zeit im Bonner Bundestag arbeitete Knabe als Lehrbeauftragte für Ökologie an der Technischen Hochschule in Dresden. Außerdem engagierte er sich im Länderrat seiner Partei und an der Spitze der Grünen Alten. Die Kommunalwahl 1994 und die nachfolgende Bildung einer schwarz-grünen Ratsmehrheit brachte den ehemaligen Bundestagsabgeordneten als Bürgermeister noch einmal auf die politische Bühne.

Die Gründung der Mülheimer Energiedienstleistungsgesellschaft, die Einrichtung der Eigenbetriebe Kultur und Grün & Wald und die Verankerung der kommunalen Förderung von Energieeinsparungen und ein neues Kunst-Museum in der Alten Post waren nur einige Ergebnisse der schwarz-grünen Zusammenarbeit.

Doch nach seiner Zeit als Bürgermeister verzichtete Knabe bewusst auf weitere politische Mandate, um als Ehemann seine kranke und inzwischen verstorbene Frau zu pflegen.

Dieser Text erschien am 21. September 2017 in der Neuen Ruhr Zeitung

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