Freitag, 8. September 2017

Eine streitbare Dame: Die Mülheimer CDU-Bundestagsabgeordnete Helga Wex kämpfte für eine partnerschaftliche Gesellschaft

Dr. Helga Wex
Das Deutschland heute von einer Bundeskanzlerin regiert wird, hätte Helga Wex gefreut, aber auch nicht überrascht. Denn, dass Frauen und Männer nur als gleichberechtigte Partner auf allen gesellschaftlichen Ebenen politisch vorankommen und einen Staat machen können, war ihr Credo.

Obwohl die Gleichberechtigung der Frauen seit 1949 im Grundgesetz steht, erlebten Wex und ihre Geschlechtsgenossen über Jahrzehnte  eine andere Wirklichkeit. Politik war Männersache, als die damals 29-jährige Helga Wex 1953 als Ministerialreferentin der NRW-Landesvertretung beim Bund in die Politik kam. Für die Frauen, die im Krieg die Arbeitsplätze besetzen mussten, die die Männer an der Front verwaist zurückgelassen hatten, sollten in den 50er Jahren wieder nach dem Motto „Kinder, Küche, Kirche“ leben.

Aber nicht mit Frau Wex. „Ich bin in die Politik gegangen, damit sich so etwas nie wieder wiederholen kann“, sagte sie einmal. So etwas, das war der Nationalsozialismus. Dessen Folgen hatte sie schon als Elfjährige erlebt. Das war 1933, als die Nationalsozialisten, ihren Vater, einen sozialdemokratischen Lehrer, in Handschellen durch die Straßen ihrer Geburtsstadt Buxtehude führten und ihn misshandelten.

Obwohl Tochter eines Sozialdemokraten, entschied sich die promovierte Literaturwissenschaftlerin für die CDU, weil ihr eine bürgerliche und christlich fundierte Politik als wegweisend erschien. Aus beruflichen Gründen folgte Wex ihrem Mann 1957 nach Mülheim und wurde hier vom CDU-Bundestagsabgeordneten und Kreisparteivorsitzenden Max Vehar für die Politik gewonnen. 1961 zog Wex erstmals in den Stadtrat ein und kandidierte 1965 vergeblich für den Bundestag.  Es war ausgerechnet der Tod des Alt-Bundeskanzlers Konrad Adenauer, der sie im April 1967 über die Landesliste ihrer Partei in den Bundestag einziehen ließ. „Diese Frau wird sich nicht mit der Rolle einer Hinterbänklerin begnügen“, ahnte damals Werner Höfer in einem Artikel für die Wochenzeitung Die Zeit.

Obwohl ihr bei der Bundestagswahl 1969 der Wiedereinzug ins Bonner Parlament versagt blieb, bleib Wex politisch als stellvertretende Partei-Vorsitzende der Bundes-CDU und als Gründungsvorsitzende der späteren Frauen-Union politisch altiv.

Nach ihrer Wiederwahl in den Bundestag rückte Helga Wex 1972 als Stellvertreterin von Rainer Barzel in die Fraktionsführung der Union auf. Als „streitbare und quirlige Dame“ und als „Farbtupfer im Einheitsgrau im männlich dominierten Parlamentsbetrieb“, sah das Nachrichtenmagazin Der Spiegel die Frontfrau der Christdemokraten.

Dass Frauen noch in den 60er und 70er Jahren, nicht ohne die Zustimmung ihrer Männer berufstätig werden oder ein Konto eröffnen konnten, brachte Wex ebenso politisch auf den Plan, wie ihre Forderung nach gleichem Lohn für gleiche Arbeit, nach einem Eltern- und Erziehungsgeld, einer Rentenanrechnung von Erziehungszeiten, sowie von flexiblen und familienfreundlichen Teil-Zeit-Arbeitsmodellen für Frauen und Männer.

Was uns heute als Allgemeingut erscheint, machte Wex damals, auch in ihrer eigenen Partei bei vielen unbeliebt. Obwohl sie in den 70er Jahren mehrfach als mögliche CDU-Kandidatin für ein Ministeramt gehandelt wurde, durfte sie nach dem Beginn der Kanzlerschaft des Christdemokraten Helmut Kohls 1982 nur als Koordinatorin der Deutsch-Französischen Beziehungen, nicht aber als Ministerin am Kabinettstisch Platz nehmen. Auch ihre Forderung nach einem „Familienkabinett“, das alle Politikbereiche auf ihre Familienfreundlichkeit hin abklopfen sollte, wurde vom CDU-Kanzler Kohl nicht aufgegriffen.

Immerhin konnte Helga Wex, noch kurz vor ihrem Krebs-Tod am 9. Januar 1986, einen großen politischen Erfolg verbuchen.

Ihrem Programmvorschlag folgend, hatte sich die CDU bei ihrem Essener Bundesparteitag 1985 „für eine neue Partnerschaft zwischen Männern und Frauen“ ausgesprochen. Sie selbst sagte damals in ihrer Parteitagsrede: „Wir sind Mitstreiter für eine freie Gesellschaft, in der die Stellung der Frau auf gleicher Verantwortung, gleichen Pflichten und gleichen Rechten beruht.“

Dieser Text erschien am 7. September 2017 in der NRZ und in der WAZ

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