Donnerstag, 7. September 2017

Ein Streiter für die Demokratie: Bergmann, Journalist und Politiker: Otto Striebeck war Mülheims erster Bundestagsabgeordneter.



Otto Striebeck
Foto: Stadtarchiv Mülheim an der Ruhr
Vor der Bundestagswahl stellt die NRZ exemplarisch vier Mülheimer Bundestagsabgeordnete vor, die in ihrer Generation und in ihrer Partei Politik für Stadt und Bund gemacht haben. Der erste Mülheimer Bundestagsabgeordnete war der Sozialdemokrat Otto Striebeck. Seine wechselvolle Biografie liest sich wie ein Roman.

Als eines von 13 Kindern wird Otto Striebeck am 18. September 1894 im Kreis Hattingen geboren. Wie sein Vater, ergreift er nach der achtjährigen Volksschule den Beruf des Bergmanns. Den wird er bis Mitte der 20er Jahre ausüben, unterbrochen von seiner Teilnahme am Ersten Weltkrieg. Geprägt von seinen Kriegserlebnissen, tritt der kriegs-verwundete Heimkehrer 1917 in die SPD ein. Sein politisches Engagement hat Folgen. 1925 übernimmt er als Redakteur die Leitung der SPD-nahen Volksstimme in Moers. Dem sozialen Aufstieg folgt der soziale Absturz.

Denn als Sozialdemokrat und bekennender Gegner der NSDAP hat der Familienvater ab 1933 schlechte Karten.  Mal sitzt er wegen seiner Widerstandsaktivitäten im Zuchthaus. Mal ist er erwerbslos. Mal muss er sich und seine Familie als Hilfsarbeiter durchschlagen.
Doch 1945 bekommt Striebeck eine zweite Chance. In Mülheim wird er als Redakteur beim Rhein Echo und dann bei der ab Juli 1946 erscheinenden NRZ angestellt. Neben seinem Beruf ist Striebeck politisch aktiv. Seine Partei, die SPD, vertritt er zunächst im Bürgerausschuss und dann im neuen Stadtrat. Schnell erwirbt sich Striebeck einen Namen als politischer Pragmatiker mit ausgleichendem Temperament. Wo er kann, hilft er seinen Nachbarn. Als er 1968 mit dem Ehrenring der Stadt ausgezeichnet wird,  sagt Striebeck: „Es gibt nichts schöneres, als seinen Mitmenschen helfen zu können.“ Das tut er ab 1949  auch als Mitglied des deutschen Bundestages. Mit 34 Prozent der Erststimmen hat er bei der ersten Bundestagswahl am 14. August 1949 die Nase vorn. Zusammen mit seiner Fraktion streitet er in Bonn gegen die Wiederbewaffnung, für die Sozialisierung der Schlüsselindustrien und für die betriebliche Mitbestimmung.

Doch nach dem Aufstieg in die Bundespolitik, folgt der Abstieg. Bei den Bundestagswahlen 1953 und 1957 verliert er sein Bundestagsmandat an die Christdemokraten Gisela Prätorius und Max Vehar. Doch aus der Not macht Striebeck eine Tugend. Er arbeitet wieder für die NRZ. Und als SPD-Stadtverordneter und Fraktionsvorsitzender kehrt er in die Kommunalpolitik zurück. Der Wiederaufbau der Schulen und die Belange seines Stadtteils Styrum sind die Themen Striebecks.
1958 bringt ihn das Schicksal zurück in den Bundestag. Er rückt für den verstorbenen SPD-Vize-Vorsitzenden Wilhelm Mellis über die Landesliste seiner Partei in den Bundestag ein. Dort kämpft er unter anderem für  mehr Luft- und Umweltschutz sowie für eine bessere medizinische Versorgung. Bei der Bundestagswahl 1961 hat Striebeck die Nase vorn. Seinen Gegenkandidaten Max Vehar, dem er  bei der Wahl 1957 mit einem Manko von 844 Stimmen unterlegen war, besiegt er jetzt mit 11 000 Stimmen Vorsprung. Doch bei der nächsten Bundestagswahl 1965 verzichtet der inzwischen 70-jährige Striebeck auf eine erneute Kandidatur und lässt seinem 39-jährigen Parteifreund Willi Müller den Vortritt. „Ich will nicht selbst den Fehler machen, den ich bei anderen älteren Politikern oft kritisiert habe und an meinem Mandat kleben. Denn die Politik braucht neben der Erfahrung der Älteren auch die Begeisterung der Jungen“, begründet Striebeck seine Entscheidung, als er 1965 mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet wird. Alt-Kanzler Konrad Adenauer (1876-1967) lässt grüßen.

Als Otto Striebeck am 2. Februar 1972 stirbt, würdigt ihn seine Zeitung,d ie NRZ, als „einen Streiter für die Demokratie“ und als „einen Mann, der sich nie scheute, für die Sache der Gerechtigkeit einzutreten.“

Dieser Text erschien am 7. September 2017 in NRZ und WAZ

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