Klaus Livoti (Mitte) im Gespräch mit Elke Neubacher-Michaelsen und Ronny Mirring |
Als Integrationsberater ist er unterwegs, um Beziehungs,- Beratungs- und Überzeugungsarbeit zu leisten. Aber auch, wenn er an seinem Schreibtisch die Wirtschaftspresse studiert oder im Internet eifrig Firmenrecherche betreibt, ist das Teil seiner Arbeit. „Als Integrationsberater muss ich genau wissen, was in der Wirtschaft läuft und welche Firmen welches Produktionsprofil haben. Denn nur so kann ich Ideen entwickeln, welche Firmen Arbeitsplätze für unsere Mitarbeiter haben könnten,“ sagt Livoti. Als Integrationsberater, das weiß der bodenständige Mann mit Handwerks-Vergangenheit, kann er in Gesprächen mit Unternehmern und Geschäftsführern nur punkten, wenn er ihnen fachlich auf Augenhöhe und vor allem mit eigenen Ideen für behindertengerechte Arbeitsplätze begegnen kann.
Im Moment sieht er vor allem in der Logistikbranche ein großes Potenzial. Gerade erst hat er einen Kollegen aus der Fliedner-Werkstatt auf eine Lageristen-Stelle vermittelt. Ehe es so weit kommt, vergehen Monate mit Gesprächen, Profilanalysen und Praktika.
Als Moderator und Bindeglied zwischen Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer mit Behinderung, muss Livoti immer wieder vermitteln, ermutigen, aber auch schon mal ermahnen. Wie reagieren die Mitarbeiter im Betrieb auf den neuen Kollegen mit Handicap? Werde ich den Mitarbeiter überhaupt wieder los, wenn er Bockmist macht? Wie schaffe ich es, meinen Arbeitstag selbstständig zu organisieren und morgens pünktlich im Betrieb zu erscheinen? Wie gehe ich mit stressigen Situationen um? Das sind Fragen und Ängste, mit denen Livioti täglich umgehen muss, um vorhandene Arbeitsplätze zu erschließen oder zu erhalten.
„Mal muss ich Mitarbeiter und Arbeitgeber zweimal pro Woche besuchen. Machmal reicht aber auch ein Besuch im Monat.“ Heute hat er Glück. Livoti muss nicht als Krisenmanager einspringen oder potenzielle Arbeitgeber mit den Fördermöglichkeiten des Landschaftsverbandes oder der Agentur für Arbeit locken. Stattdessen stehen nur Fragen nach Arbeitskleidung, Urlaubstagen und möglichen Praktikumsplätzen an. Denn in den Betrieben, die er besucht, hört er nur Gutes über seine Schützlinge: „Er ist ein echter Sonnenschein, kommt jeden Tag mit viel Lust zur Arbeit und sieht einfach jeden auch noch so kleinen Materialfehler“, lobt Lutz Overrath, technischer Leiter der an der Lahnstraße ansässigen Birn GmbH, die Antriebstechnik herstellt, seinen Mitarbeiter Christian Schünker. Wenn man den 28-Jährigen, der bis 2015 in der Montageabteilung der Fliedner-Werkstatt arbeitete, dabei beobachtet, wie akribisch und flink er eine Keilriemenscheibe mit einer Schnelllauf-Schleifmaschine und einem Meißel bearbeitet, glaubt man ihm sofort, wenn er sagt: „Ich mag meine Arbeit und das Material, mit dem ich arbeite.“ Werkstattleiter Stuart Frericks bescheinigt Schünker: „Er verdient sein Gehalt hier zu 100 Prozent und kann inzwischen sogar Hilfskräfte anlernen.“ Außerdem hat Frericks die Erfahrung gemacht, dass der freundliche Kollege das Betriebsklima verbessert hat. „Seine nette Art hat dazu geführt, dass der Umgangston bei uns weniger rau geworden ist und viele Kollegen ihre weiche und freundliche Seite entdeckt haben, von denen man das nie erwartet hättet hätte.“ Im Gespräch zeigt sich: Beim Birn-Team musste Livoti keine dicken Bretter bohren, um Christian Schünker in Arbeit zu bringen. Denn Overrath hat eine behinderte Schwägerin, Frericks war in seinem ersten Berufsleben Leiter einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung. Und Vertriebsleiter Dennis Klimanek hat als Zivildienstleistender die Zusammenarbeit mit geistig behinderten Menschen zu schätzen gelernt, „weil sie so offen, ehrlich, begeisterungsfähig sind, wie es vielen sogenannten normalem Menschen heute oft gar nicht mehr möglich ist“.
Auch Malermeister Alfred Hamann aus dem Handwerkerteam des Evangelischen Krankenhauses möchte auf seinen von Livoti vermittelten Maler- und Lackierer-Kollegen Michael Bay nicht mehr verzichten, „weil er sehr freundlich ist, gerne arbeitet und alles erledigt“. „Ich mag Farbe. Die Arbeit hier ist toll. Und ich freue mich, wenn ich meinen Eltern abends erzählen kann wie es gelaufen ist“, erzählt der 24-jährige Bay, dessen Vater Malermeister ist. Offensichtlich ist die Leidenschaft des Vaters auf den Sohn so stark über-gesprungen, dass dieser gar nicht aufhören will mit der Arbeit.Livoti muss ihn auch bei diesem Besuch ermahnen, „endlich deine überfälligen Urlaubstage zu nehmen.“
Obwohl auch der 28-jährige Ronny Mirring, den Livoti in einem evangelischen Gemeindekindergarten in Heißen besucht, sehr gerne dort arbeitet, kennt er diese Urlaubsphobie nicht. „Ich liebe es, wenn mich Kinder anlächeln und wenn ich mit ihnen spielen oder musizieren kann, aber manchmal sind sie auch stressig“, berichtet er über seine Arbeit in der Kindertagesstätte. „Weil er intuitiv das Richtige tut, lieben ihn auch die schwierigen Kinder“, bestätigt Einrichtungsleiterin Elke Neubacher-Michaelsen. Weil auch sie von Livoti weiß, das die vermeintliche Unkündbarkeit von Menschen mit Behinderung eine Mär ist, appelliert sie an Arbeitgeber: „Man muss es einfach mal ausprobieren und ein Herz für Menschen haben.“
Dieser Text erschien am 2. September 2017 in der Neuen Ruhr Zeitung
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