Samstag, 30. Juni 2018

Theater als Kontrapunkt: Die Preisverleihung der 43. Mülheimer Theatertage

Die drei Preisträger der „Stücke“ wurden gestern bei der von Stefanie Steinberg verbindlich, feinsinnig und unaufdringlich moderierten Abschluss-Matinee der 43. Mülheimer Theatertage für ihre Werke gelobt und ausgezeichnet.

Die in der Stadthalle leibhaftig anwesenden Autoren Thomas Köck und Oliver Schmaering nahmen den Dramatikerpreis und den Preis der Kinder-Stücke für ihre Stücke „Paradies spielen. Abendland. Ein Abgesang.“ und: „In dir schläft ein Tier“ persönlich entgegen.

Die menschenscheue Literatur-Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek bedankte sich mit einer Videobotschaft für den Publikumspreis, mit dem die Besucher der Theatertage ihr Stück „Am Königsweg“ ausgezeichnet hatten.

Was die Matinee im Theaterstudio der Stadthalle zu einem Gewinn machte, waren die inspirierenden Antworten auf die Frage, warum wir in einer demokratischen und ökonomisierten Leistungsgesellschaft das Theater als einen kulturellen Kontrapunkt brauchen.

„Mit ihrem virtuosen schriftstellerischen Können schreibt sie mutig gegen gesellschaftliche Blindheit und Gleichgültigkeit an. Ihr Werk zeigt, dass wir als Gesellschaft den Diskurs und die Einsicht brauchen, dass es keine einfache Wahrheiten gibt und dass wir uns dem politischen Populismus und Extremismus niemals geschlagen geben dürfen.“, lobte Oberbürgermeister Ulrich Scholten Elfriede Jelinek. Der designierte Intendant des Bochumer Schauspielhauses, Johann Simons, würdigte sie in seiner Laudatio als eine Kontrahentin „der populistischen Twitter-Kultur“, die mit ihren Stücken: „ohne falsche Rücksichten und gegen jede Erwartung allen eine Stimme gibt, die in unserer Gesellschaft nicht dazu gehören.“ Er lobte ihre Werke für die Kultivierung des Zweifels, weil erst der Zweifel Menschen zum Zuhören und damit auch zum demokratischen Diskurs zur Entwicklung von Fragen und Problemlösungen befähige.

„Er schreibt keine Geschichten, die Eltern ihren Kindern abends am Bettrand vorlesen würden. Er schreibt wie ein Prophet und verbindet dabei Zeiten und Ebenen. Er ist kein Unterforderer und nimmt sein Publikum ernst“, lobte die bereits selbst mit dem Publikumspreis der Stücke ausgezeichnete Berliner Autorin Felicia Zeller den Kinder-Stücke-Preisträger Oliber Schmaering.

Während sich Schmaering dem Publikum mit einem Radio-Feature über die Kultur des Sitzens vorstellte, las der Dramatikerpreisträger Thomas Köck aus einem Internet-Manifest des Literaturkollektiv Nazis & Goldmund, das unter anderem die Poesie als Form des zivilen Widerstandes preist.

Köcks Laudator , der Dramaturg des Wiener Schauspielhauses, Tobias Schuster, lobte den Dramatikerpreisträger für die Fähigkeit, „das Persönliche und das Politische durch seine Poesie miteinander zu verbinden.“


Dieser Text erschien am 25. Juni 2018 in der Neuen Ruhr Zeitung und in der Westdeutschen Allgemeinen

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