Am Fronleichnamstag erinnerte sich Mutter an die
Fronleichnamsprozessionen ihrer Kindheit, als nicht nur viele Menschen im
frommen Zug durch die Gemeinde mitgingen, sondern ihn mit blumengeschmückten
Häusern und kleinen Andachtsaltären auch in den Straßen erwarteten. Bei der
diesjährigen Fronleichnamsprozession durch die Innenstadt wartete niemand auf
den frommen Zug, wenn überhaupt, dann nur einige irritierte bis neugierige
Zaungäste, die auf der Schloßstraße ihr Feiertagseis schleckten oder ihr
Feiertagsbierchen schlürften oder, ob der frommen Verkehrsbehinderung, auf der
Kaiserstraße hupten und an der Prozession vorbeirasten. Wie gut, dass die
Demonstranten der Frohen Botschaft, die viele nicht hören wollen, obwohl sie
sich im Innersten doch, nach einer solchen sehnen, leibhaftige Schutzengengel in
Person einiger Polizeibeamter im Schlepptau hatte. Und doch gibt es sie auch
heute noch, die frohen Botschaften. Am Abend schenkte ein kleines Mädchen, das
Mutter auf ihrer ganz eigenen Prozession durch die Stadt freudestrahlend
entgegenkam ihr eine Blume. Sie glänzt jetzt neben dem Bild ihrer Mutter, die
ihren Lebensweg schon lange vollendet hat und uns vielleicht heute auf manchem
Weg als Schutzengel begleitet.
Dieser Text erschien am 2. Juni 2018 in der Neuen Ruhr Zeitung
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