Dienstag, 18. Juli 2017

In Mülheim fährt man seit 120 Jahren mit der Straßenbahn

Foto Stadtarchiv
Dass man heute mit der Straßenbahn durch einen Tunnel unter der Ruhr fahren kann, hätten sich die ersten Fahrgäste der Mülheimer Straßenbahn nicht träumen lassen. Sie zahlten 10 oder 20 Pfennige für eine Fahrkarte und stiegen am 9. Juli 1897 am Rathausmarkt ein. Von hier aus konnte man mit der Tram bis zur Körnerstraße und zum Kahlenberg, aber auch nach Styrum und Oberhausen fahren. Im ersten Geschäftsjahr umfasste das Gleisnetz der Mülheimer Straßenbahn gerade mal 12,5 Kilometer


Im Jahr sind 27 Millionen Fahrten zu verbuchen



Heute fahren jährlich 27 Millionen Menschen mit den 38 Straßenbahnen und 51 Bussen der Mülheimer Verkehrsgesellschaft. In Zeiten, als ein eigenes Auto noch der pure Luxus war, fuhren 1947 allein mit den Mülheimer Straßenbahnen 32 Millionen Menschen. Die Straßenbahn war das Verkehrsmittel Nummer Eins, wenn es um den Weg zur Arbeit oder um einen Sonntagsausflug zur Monning, in den Uhlenhorst, in den Witthausbusch und zum Kahlenberg ging.

Die Tatsache, dass das Straßenbahnnetz rasch ausgebaut wurde, zeigt, wie schnell die Elektrische akzeptiert wurde. 1908 überschritt Mülheim die 100.000-Einwohner-Grenze und wurde so zur Großstadt. Damit stieg auch das Bedürfnis der Bürger, mobil zu sein und auch in die Nachbarstädte zu fahren.

1898 wurde die damals eigenständige Bürgermeisterei Heißen an das Mülheimer Straßenbahnnetz angeschlossen. 1900 folgten Eppinghofen, Mellinghofen und Dümpten. Als 1911 die neue Schloßbrücke eröffnet wurde, konnten auch die Stadtteile Speldorf. Broich und Saarn angebunden werden. Allerdings sollte die Straßenverbindung nach Saarn 1968 durch eine Buslinie ersetzt werden. 

Rasches Wachstum


Auch während des Ersten Weltkrieges, als Straßenbahnwagen unter anderem für den Transport von Verwundeten genutzt wurden, wuchs das Liniennetz. Ab 1916 wurden Mülheim, Essen und Oberhausen durch die Straßenbahnlinie 18 miteinander verbunden. Bis 1928 wuchs das örtliche Straßenbahnnetz auf 44 Kilometer an.

Der Zweite Weltkrieg brachte einen herben Rückschlag für den öffentlichen Personennahverkehr. Allein während des großen Luftangriffs in der Nacht vom 22. auf den 23. Juni 1943 wurden die Hauptverwaltung der städtischen Verkehrsbetriebe sowie 12 Triebwagen und acht Beiwagen der Straßenbahn zerstört.

Die Tram machte Mülheim schnell wieder mobil


Obwohl viele Straßen nach dem Kriegsende im April 1945 durch Trümmer blockiert wurden, konnte der Straßenbahnbetrieb schon wenige Tage nach dem Einmarsch amerikanischer Truppen wieder aufgenommen werden. Während des Wirtschaftswunderjahrzehnts der 50er Jahre schafften die städtischen Verkehrsbetriebe insgesamt 42 neue Straßenbahnwagen an.

Die 60er Jahre, in denen man "das moderne" und "damit autogerechte" Deutschland schaffen wollte, brachten die Straßenbahn in die Defensive. Wie heute, wurde damals darüber diskutiert, ob Busse nicht viel günstiger zu betreiben seien als Straßenbahnen. So wurde der Straßenbahnverkehr nach Saarn eingestellt. Und auch die Nachbarstadt Oberhausen entschied sich für einen reinen Bus-Nahverkehr. Doch mit der Eröffnung des Centros in der zweiten Hälfte der 90er Jahre, wurden Mülheim und Oberhausen wieder mit einer Straßenbahnlinie, der 112, miteinander verbunden. Inzwischen wird auch wieder über eine neue Straßenbahnlinie nach Saarn diskutiert.

Beginn des U-Bahn-Zeitalters


Die 70er Jahre standen dann ganz im Zeichen des Stadtbahn- und U-Bahnbaus. Fast genau 80 Jahre nach der Fahrt der ersten elektrischen Straßenbahn, erlebte die U18 am 28. Mai 1977 ihre Jungfernfahrt. Und gegen Ende des 20. Jahrhunderts fuhren dann erstmals Straßenbahnen unter der Ruhr.

Vor dem Hintergrund eines jährlichen Zuschuss-Bedarfs von rund 30 Millionen Euro wird das Für und Wider des Öffentlichen Personennahverkehrs kritisch diskutiert. Zweifellos scheint es im Autoland Deutschland vielen politisch angebracht, deutlich mehr die Infrastruktur des Individualverkehrs, als in den Schienenverkehr zu investieren und diesen so attraktiver und wirtschaftlicher zu machen. Doch ebenso zweifellos ist die Tatsache, dass der öffentliche Personennahverkehr die Nase vorne hat, wenn es um den Umwelt- und Klimaschutz geht. Und die Tatsache, dass ihr gesamter Fuhrpark seit 2015 niederflurig fährt, zeigt, dass sich die MVG auch dem demografischen Wandel stellt.

Ein Jubiläum wird gefeiert


Das 120-jährige Jubiläum der Mülheimer Straßenbahnen feiert die Verkehrshistorische Arbeitsgemeinschaft der Mülheimer Verkehrsgesellschaft am Samstag, 8. Juli, zwischen 11 und 17 Uhr mit einem Tram-Shop in der Passage zwischen Forum und Hauptbahnhof. Dort können Interessierte Fachliteratur und Straßenbahnmodelle erwerben. Außerdem wird zwischen 11 und 15 Uhr die Fahrt mit dem historischen Triebwagen M6D angeboten.

Dieser Text erschien am 8. Juli 2017 in der Mülheimer Woche

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