Freitag, 21. Juli 2017

Die Sparkasse beleuchtet auch die dunklen Seiten ihrer Geschichte

Sparkassenwerbung aus den 1930er Jahren (Foto DSGV)
Wer in die Hauptgeschäftsstelle der Sparkasse kommt, sollte sich Zeit nehmen. Denn in der ersten Etage der Sparkassen-Zentrale am Berliner Platz beleuchtet eine Ausstellung der Historiker Dr. Ingo Stader und Max Schlenker die 175-jährige Geschichte. Jetzt haben Stader und Schlenker ihre Ausstellung, die noch bis zum 20.
September zu sehen ist, um einige Text- und Bild-Banner ergänzt. Diese beleuchten die Sparkassengeschichte in der Zeit des Nationalsozialismus.
"Wir hatten bei unseren Recherchen im Stadtarchiv und im Landesarchiv freie Hand. Das war sehr angenehm und ist auch heute nicht bei allen Unternehmen üblich, die in einem Jubiläumsjahr ihre Geschichte dokumentieren wollen", betont Dr. Stader. "Ich wollte einfach wissen, was in dieser Zeit bei uns passiert ist", erklärt Sparkassen-Chef Martin Weck seine Motivation.

Der Ausstellungsbesucher stößt auf verstörende Werbeplakate aus den 1930er und 1940er Jahren. "Das Sparen der Frau ist Dienst am Volk!" heißt es da oder: "Die Heimat arbeitet und spart für die Front." Max Schlenker weist darauf hin, dass die Sparbucheinlagen der Kunden damals in Reichsanleihen angelegt werden mussten, ohne das die Sparer von dieser Zweckentfremdung ihres Geldes erfuhren. Hitlers Krieg kostete nicht nur Menschenleben, sondern auch Geld. Und nach dem Krieg war die deutsche Währung faktisch wertlos. Bei der Währungsreform 1948 wurden alle Reichsmark-Sparguthaben im Verhältnis 1:10 abgewertet.

"Die Reichsanleihen waren eine Pervertierung des Sparkassen-Gedankens. Denn die Sparkassen waren ja ursprünglich für die Lebens- und Altersvorsorge gegründet worden", erinnert Ingo Stader, Geschäftsführer der gleichnamigen Agentur History & Communication.

Max Schlenker macht deutlich, dass die Nazis mit ihren Führerprinzip bei den Stadtsparkassen der damaligen Zeit leichtes Spiel hatten, weil sie anders, als die heutigen Sparkassen als städtische Ämter geführt wurden. So war es den Nazis, die zusammen mit den Deutschnationalen ab März 1933 in Mülheim die Ratsmehrheit stellten, auch möglich alle Vorstandsposten der Stadtsparkasse mit ihren politischen Gefolgsleuten zu besetzen. So gehörte auch der Kreisleiter der NSDAP, Karl Camphausen, der von Bankgeschäften keine Ahnung hatte, zumindest bis 1936 dem Vorstand der Stadtsparkasse an, 

Parteigenossen erwiesen sich als unfähig


Doch die Rechnung ging nicht auf. Die Nazis mussten bald erkennen, dass ihre Parteigenossen fachlich nicht geeignet waren, ihre Vorstandsämter auszufüllen. Deshalb kam es 1936 nicht nur im Sparkassenvorstand zu einem großen Stühlerücken. Der Vorstandsvorsitzende und Stadtkämmerer Johann Bottenbruch blieb in den Jahren 1934 bis 1946 die einzige personelle Konstante im Vorstand der Sparkasse. Das Bottenbruch NSDAP-Mitglied aber auch Mitglied in der regime-kritischen Bekennenden Kirche war, zeigt, dass es während der NS-Zeit kein reines Schwarz-Weiß-Muster gab. 

Bottenbruch wurde wohl deshalb auch nach dem Krieg als "minder belastet" und später sogar nur als "Mitläufer" entnazifiziert. Als "minder belastet" wurde auch ein Rendant eingestuft, weil ihm nachgewiesen werden konnte, dass er aufgrund seiner langjährigen und aktiven Rolle in der NSDAP die Stelle eines den Nazis politisch missliebigen Kollegen bekommen hatte.

Weil die entsprechenden Akten aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes noch gesperrt sind, konnten die von der Sparkasse beauftragen Historiker bisher keine Erkenntnisse über die Enteignung und Arisierung jüdischer Vermögenswerte gewinnen. Betroffen sind alle Akten über Menschen, die 1917 oder später geboren worden sind. Dokumentiert haben sie dagegen die traurige Geschichte der Stadtsparkasse und der benachbarten Synagoge, die auf Befehl des damaligen Feuerwehrchefs Alfred Fretr in der Reichspogromnacht im November 1938 in Brand gesetzt wurde.

Versicherung musste zahlen


Ironie der Geschichte: Bereits im Oktober 1938 hatte die Sparkasse die zwischen 1905 und 1907 errichtete Synagoge am Viktoriaplatz, weit unter Wert, für 56.000 Reichsmark von der Jüdischen Gemeinde erworben. Deshalb machte die Stadtsparkasse nach der Reichspogromnacht vom 9./10. November 1938 bei der Feuerversicherung auch eine Schadenssumme von 8500 Reichsmark geltend.

1955 einigten sich die Stadtsparkasse und die Vertretung der Jüdischen Gemeinden auf eine Entschädigung in Höhe von 78.500 D-Mark, ergänzt durch die Übertragung eines 300 Quadratmeter großen Grundstücks an der Wallstraße.


Dieser Text erschien am 20. Juli 2017 in der Mülheimer Woche und im Lokalkompass

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