DDR-Zeitzeuge Peter Keup vom Bochumer Institut für Deutschlandforschung mit den Luisenschullehrern Beate Schulte und Andreas Wortberg |
„Uns
geht es um nachhaltiges Erinnern“, erklärte Schulte das Ziel des
Projektes. „Ihr wisst mehr, als man von 14-Jährigen erwarten kann
und ihr stellt gute Fragen“, bescheinigten Sigrid Richter (65) und
Peter Keup (59) ihren jungen Zuhörern. Man merkte den Schülern im
dreistündigen Zeitzeugengespräch an, dass sie sich vorab in Büchern
und im Internet über die DDR, ihr politisches System und ihren
Alltag schlau gemacht hatten.
„Und
doch ist es etwas anderes, ob man Fakten im Internet und Büchern
nachliest oder eine persönliche Geschichte aus der Zeit hört, in
der Deutschland geteilt war,“ meinte Schülerin Lea. Das
konzentrierte Zuhörern und gezielte Nachfragen der Jugendlichen,
zeigte, dass die authentischen Zeitzeugenberichte über die
Schattenseiten der DDR bei ihnen nachhaltig wirkten.
Richter
und Keup wurden während der frühen 80er Jahre verhört und
inhaftiert, weil sie frei sein wollten und von Ost- nach
Westdeutschland übersiedeln wollten.
Den
Schülern stockte hörbar der Atem, als sie erfuhren, dass Richter
und Keup ihren Beruf als Lehrerin nicht mehr ausüben konnten und die
Schule verlassen musste, weil ihnen von der DDR-Führung
„Republikflucht und Verrat am Kommunismus“ vorgeworfen wurde.
Ungläubiges Entsetzen erntete Keup bei den Luisenschülern, als er
ihnen von seinem fast 40-stündigen Verhör im Dresdener
Untersuchungsgefängnis berichtete. Die Betroffenheit war den
Jugendlichen auch anzusehen, als sie von Richter erfuhren, dass sie
durch die Haft fast drei Jahre von ihrem Mann und ihrem Sohn getrennt
wurde und die Familie erst im Januar 1987 im Westen Deutschlands
wieder zusammen kam, nach dem sie von der Bundesrepublik für 100 000
D-Mark pro Person freigekauft wurden.
Auf
dem gleichen Weg kamen auch Peter Keup, seine Eltern und sein älterer
Bruder Mitte der 80er Jahre nach Essen, wo die Eltern ihres Vaters
lebten.
Der Vater, der den Mauerfall nicht mehr miterleben sollte war
1956, nach dem Verbot der westdeutschen KPD, als überzeugter
Kommunist in die DDR übergesiedelt. Das ließ die Schüler ebenso
nachdenklich werden, wie Keups Bericht über die Lektüre seiner
Stasi-Akten im Jahr 2013. Denn bei dieser Gelegenheit erfuhr Keup,
dass sein älterer, 1993 verstorbener Bruder, 1983 von der
DDR-Staatssicherheit verpflichtet wurde, Spitzelberichte über seine
Familienangehörigen zu schreiben. Ihre persönlichen Berichte über
den oft schizophrenen Alltag in der DDR, „in dem es immer zwei
Welten und Wahrheiten gab und in dem man sich immer genau überlegen
musste, wem man was sagen konnte“, flankierten Keup und Richter mi
erschütternden Zahlen. Allein an der Berliner Mauer mussten 140
DDR-Bürger ihren Fluchtversuch mit dem Leben bezahlen. An der
innerdeutschen Grenze, wo der Schießbefehl und Selbstschussanlagen
grausamer Alltag waren, waren es 400. 35.000 der 200.000 inhaftierten
„Republikflüchtlinge“ hatten das Glück von der Bundesregierung
freigekauft zu wrden.
Vielen
Schülern ging es, wie dem Achtklässler Alexander, die in der
abschließenden Reflexionsrunde des Zeitzeugengespräches einräumte:
„Ich habe heute sehr viele Informationen aufgenommen, die ich erst
mal verarbeiten muss. Im Moment fehlen mir noch die Worte, um meine
Eindrücke zu beschreiben.“
„Bitte,
seid kritisch und aufgeschlossen und hinterfragt, was ihr hört und
lest“, bat Richter ihre jungen Zuhörer. Und Keup machte deutlich.
„Ihr müsst euch bilden und informieren, um zu erkennen, dass die
Demokratie immer noch die beste Staatsform ist und deshalb bewahrt
werden muss, damit es nie wieder zur Diktatur kommt. Ihr solltet auch
den heutigen Flüchtlingen mit Respekt begegnen, die frei und
selbstbestimmt leben wollen.“
Weitere Informationen zum Thema gibt es im Internet unter: www.vos-zeitzeugen.de
Weitere Informationen zum Thema gibt es im Internet unter: www.vos-zeitzeugen.de
Dieser
Text erschien in der NRZ und WAZ vom 5. Juli 2017
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