Zum 27. Mal ließen die Röhrengarde und ihre befreundeten Gesellschaften am Sonntagnachmittag im Selbecker Dorf der Theodor-Fliedner-Stiftung ein Karnevalsfest mit Tanz, Musik und Tollitäten steigen. Ganz vorne mit dabei waren die beiden Dorfbewohner Michael Weiß (56) und Norbert Rasch (55).
Sie sind im Wohnbereich für Menschen mit Behinderung zuhause und finden Karneval „ganz toll!“ Aber warum eigentlich?
„Man feiert, ist unter netten Leuten und lernt nette Leute kennen. Außerdem kann man Menschen eine Freude machen“, erklärt Norbert Rasch, der sich in dieser Session als Ritter verkleidet hat. Rasch kann sich noch gut daran erinnern, wie das war, als er am Rosemontag 2019 mit seinem Nachbarn Michael Weiß auf dem Zugwagen der Röhrengarde mitgefahren ist und Bonbons in die Menge geworfen hat. „Da waren ganz viele Leute. Die haben alle gelacht und Helau gerufen. Einige hatten ihre Regenschirme so aufgespannt, so dass ich die Bonbons direkt in ihre Schirme geworfen habe. Das hat Spaß gemacht. Und zwischendurch habe ich selbst Bonbons gegessen“, berichtet Norbert Rasch.
Rasch und sein Karnevalskollege Michael Weiß, die auch beim volkstümlichen Karnevalsfest der Röhrengarde in der Realschule Stadtmitte mit von der närrischen Partie war, können der Fünften Jahreszeit noch andere schöne Seiten abgewinnen. „Man kann essen, trinken, tanzen und Schlager hören und mitsingen“, weiß Michael Weiß, der nicht nur in dieser Session als feuriger Mexikaner geht. Sein umwerfendes Lächeln verrät den lebensfrohen Charmeur. Und deshalb freut sich Weiß beim Karnevalsfest im Dorfrathaus nicht nur auf den blau-weißen Schlagersänger Thomas Straßmann („Ich bin nicht nur ein Mann für eine Nacht“), sondern auch auf ein Wiedersehen mit Karnevalspinzessin Josephine Stachelhaus, Mit ihr hat er schon beim volkstümlichen Karnevalsfest der Röhrengarde ausgiebig getanzt. Und solange die Prinzessin noch auf sich warten lässt, hakt sich der fröhliche Michael auch gerne bei den Tanzgardistinnen der Röhrengarde ein, die er schon aus der vergangenen Session kennt.
Derweil weist Norbert Rasch auf die silber-blauen Holzorden hin, „die wir in der Werkstatt ausgesägt, geschliffen und bemalt haben.“ Allein an diesem stimmungsgeladenen Karnevalsnachmittag in Selbeck werden Rasch und seine Mit-Gastgeber aus dem Fliednerdorf 35 Holzorden als verdiente und gern gesehene Karnevalsfreunde verleihen. Stadtprinz Dennis Weiler, für den der Dorfkarneval in Selbeck eine Premiere ist, bekommt auch einen. Die Tollität ist begeistert: „Ich finde es großartig wie viele Mühe ihr euch gemacht habt“, lobt Dennis I. seine Gastgeber aus dem Fliednerdorf nicht nur mit Blick auf ihren gelungenen Holzorden, sondern auch angesichts einer 100-prozentigen Kostümquote, die jeden Karnevalssaal in Mülheim in den Schatten stellt.
Karneval im Fliednerdorf
Der Karneval im Dorf der Theodor-Fliedner-Stiftung begann 1992 mit einer Karnevalssitzung im Haus Engelbert an der Kölner Straße. Inzwischen feiern rund 200 Jecken am letzten Januar-Sonntag die Fünfte Jahreszeit mit einem Umzug durchs Dorf und einer anschließenden Karnevalsparty im Dorfrathaus. Auch am kommenden Rosenmontag, 24. Februar, werden zwölf Dorfbewohner und ihre Betreuer auf einem Zugwagen der Röhrengarde mitfahren. „Die Dankbarkeit und Herzlichkeit, die wir bei unseren Begegnungen erleben sind einfach großartig und motivieren uns und unsere befreundeten Gesellschaften immer wieder neu“, betont die Vorsitzende der Röhrengarde Elli Schott. Und Friedhelm Tissen, Wohnbereichsleiter im Fliednerdorf, sagt: „Wir sind mittendrin und die Begegnungen im Karneval sind schon etwas ganz Besonderes. Das macht allen Freude, weil hier nicht von Teilhabe geredet wird. Hier wird sie wirklich gelebt.“
Dieser Text erschien am 26. Januar 2020 in NRZ und WAZ
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