Sonntag, 26. Januar 2020

Das Spiel des Lebens

90 Minuten dauert ein Fußballspiel. 90 Minuten bringt das 17-köpfige und generationsübergreifende Ensemble um Jörg Fürst mit seiner neuen Produktion „Jeder:Jederzeit“ das Spiel unseres Lebens auf die Volxbühne. Das Stück beginnt schon ungewöhnlich, ehe es begonnen hat. Die 70 Zuschauer werden durch die Teeküche auf die Bühne und von dort aus wie durch ein Labyrinth zu ihren Plätzen im Auditorium geführt.


So bekommt man als Zuschauer ein Gefühl für die Bühne, auf der die Akteure durch zwei dursichtige Tüll-Vorhänge die meiste Zeit sichtbar und doch irgendwie etwas entrückt erscheinen. Zuweilen werden die Vorhänge auch zu Leinwänden, auf die zum Beispiel ein dahin schmelzendes Eis oder vielsagende Satz: „Die Zeit ist buchstabengenau“ zu sehen sind. Auf der Rückseite der Bühne entfalten Peter Eisold (Schlagzeug & Elektronik) und Pía Miranda (Posaune & Gesang) einen wunderbar meditativen Klangteppich, der die gesamte Szenerie musikalisch untermalt.


Mal sieht man die Darsteller als Gruppe hinter den Vorhängen, mal mit Masken verfremdet, mal ihrem Publikum fast provozierend ins Gesicht lachend. Dann treten einzelne Schauspieler aus dem Ensemble heraus, vor die Vorhänge und ins Rampenlicht. Ihre poetischen, philosophischen und manchmal auch skurril anmutenden Monologe werfen ein Schlaglicht auf die Vergänglichkeit unserer Lebenszeit und unseren oft fremdelnden Umgang damit. „Als ich jung war und wie auf Flügeln durch die Zeit flog, fühlte ich mich wie ausgegossen. Das war ein beängstigender und zugleich göttlicher Traum“, sagt eine Frau am Rollator, Ein grauhaariger Mann beschreibt die Veränderungen seines Körpers und seine Selbstbetrachtung im Spiegel. Eine Frau berichtet von ihrem Liebhaber, der sie verlassen hat und davon, dass sie das Laken, auf dem sie sich einst liebten, ungewaschen in den Schrank gelegt hat und zuweilen wie eine alte Erinnerung wieder aufzieht. Ein ganz junger und ein etwa älterer Mann treten als Clowns mit roter Plastiknase auf und treiben ihre grotesken Scherze. So geben sie ein Sinnbild für die Lebensfreude im Hier und Jetzt, die nicht an Gestern und nicht an Morgen denkt. Und dann träumt sich ein älterer Mann in die Abenddämmerungen seiner Kindheit zurück. Eine Frau erinnert sich daran, dass sie schon als Kind die Unbegreiflichkeit des Todes nicht akzeptieren konnte. Und ein junger Mann sieht seinen Körper wie „einen Koffer, in dem wir uns herum- und durchs Leben tragen.“


„Jeder:Jederzeit“ ist eine aus Texten, Tönen und Lichteffekten raffiniert komponierte Lebenscollage. Sie gibt ihren Betrachtern vor allem eine Botschaft mit auf den Lebensweg: „Nutze deine Zeit, denn sie kann jederzeit zu Ende sein!“ Wie hatte Regisseur Jörg Fürst vor der Premiere so richtig gesagt: "Beim Thema Lebensalter kann jeder anknüpfen und aufspringen, egal in welchem Lebensalter er sich gerade befindet." Die 13- bis 80 Jahre alten Darsteller der Volxbühne haben uns genau das gezeigt.


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