Es kam wie es kommen musste. Gestern beobachtete ich zwei Fußgänger,
die miteinander kollidierten. Denn sie schenkten der digitalen Welt auf ihrem
Smartphone-Display ihre ungeteilte Aufmerksamkeit und verloren dabei ihre analoge
Umwelt aus dem Blick. Schade. Denn da gibt es viel zu sehen, zum Beispiel den
Vater, der seinen kleinen Sohn auf den Schultern durch die Stadt trägt oder das
alte Ehepaar, das dort gemeinsam und vorsichtig, Schritt für Schritt seinen Weg
geht und sich dabei vertraut aneinander festhält, die Nachbarn, die sich an der
Haustür Zeit für ein Gartenzaungespräch nehmen, das karge Grün, das dem urbanen
Beton trotzt, ein flirtendes Lächeln, das einem im Vorbeigehen geschenkt wird
und das die Seele ebenso streichelt wie die lichten Momente, die die
Wintersonne für uns zur Mittagsstunde bereithält. Ich musste bei der kleinen
Karambolage an den an dieser Stelle bereits gestern zitierten Politik-Professor
Karl-Rudollf Korte denken, der unsere Zeit beim Bistumsempfang in der
katholischen Akademie am Montagabend als Frühdigitalisierung charakterisiert
hatte. Seine Diagnose: „Wir müssen mit Blick auf die neuen Medien und ihre
Möglichkeiten erst noch mündig werden.“ Und zu dieser Mündigkeit gehört an
erster Stelle wohl die Fähigkeit seine zweifellos hilfreichen digitalen Assistenzsysteme
im richtigen Moment abzuschalten und ganz analog die Augen aufzumachen und
hinzuschauen.
Dieser Text erschien am 23. Januar 2020 in der Neuen Ruhrzeitung
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen