Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. Das musste ich jetzt
erfahren, als ich um Haaresbreite meine Straßenbahn verpasste, die mich zu
meinem nächsten Termin bringen sollte. So plötzlich auf null ausgebremst, war
ich erst mal auf 180. Denn beim Blick auf den Fahrplan musste ich feststellen, dass die nächste Bahn, die mich ans Ziel bringen konnte, noch 30
Minuten auf sich warten lassen würde. Schon wollte ich die Hoffnung fahren
lassen, rechtzeitig meinen Termin zu erreichen. Doch dann wurde mir beim Blick
auf meine Uhr klar: „Es ist zwar später als gedacht, aber doch noch nicht zu
spät.“ Und so nahm ich als gelernte Fußgänger meine Beine in die Hand und stellte
fest, dass der unfreiwillige Spaziergang durch die Stadt mir besser tat, als
erwartet. So kam ich unverhofft zu einem Fitnesstraining. Meiner Verspätung und
der unerwarteten Pünktlichkeit der Ruhrbahn sei Dank. Entgegen meiner eigenen
Erwartung erreichte ich mein Ziel noch pünktlich und bekam dort alles
Wesentliche mit. Wer zu spät kommt, wird doch nicht immer bestraft, sondern manchmal
auch um eine Lebenserfahrung reicher, zum Beispiel um die, dass es sich immer
wieder lohnt, den ersten Schritt zu tun und sich auf den Weg zu machen statt
sein Ziel vor der Zeit aufzugeben und aus den Augen zu verlieren.
Dieser Text erschien am 14. Januar 2020 in der NRZ
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen