Freitag, 3. Januar 2020

Klösterliche Waffenschmiede


Mülheim und Bochum verbindet viel. Gerade erst ist der Leiter des Mülheimer Stadtarchivs, Dr. Kai Rawe, in gleicher Funktion von der einen in die andere Ruhrstadt gewechselt. Und vor 250 Jahren zog es den Mülheimer Arzt und Dichter Karl Arnold Kortum nach Bochum, ganz zu schweigen von den vielen Mülheimern, die an der Ruhr-Universität in Bochum studieren oder studiert haben.


Jetzt hat der Bochumer Ingenieur und Hobby-Historiker Dr. Dirk Ziesing ein Buch über den Unternehmer Silvester Trenelle geschrieben, der sowohl in Mülheim als auch in Bochum gewirkt hat. Im 1808 aufgelösten Zisterzienserinnenkloster Mariensaal betrieb Trenelle zwischen 1815 und 1842 im Auftrag des preußischen Staates eine Gewehr- und Pistolenfabrik, die 1842 verstaatlicht und 1862 nach Erfurt verlegt wurde. Parallel dazu erwarb Trenelle auf eigene Rechnung 1823 in Bochum-Dahlhausen eine Wassermühle, die er zu einem metallverarbeitenden Hammerwerk ausbaute, in dem unter anderem Bajonette hergestellt wurden. Denn Metall brauchte die in Saarn und Hattingen produzierende Waffenfabrik reichlich. Krupp in Essen gehörten ebenso zu seinen Geschäftspartnern wie der Mülheimer Reeder Mathias Stinnes.

Trenelles Biografie lag bisher im Dunkeln. Das hat Ziesing jetzt geändert. Er lüftet das Geheimnis um dessen Person und zeichnet ein spannendes und faszinierendes deutsch-französisches und europäisches Lebensbild.


Eine über 20-jährige Recherche in deutschen und französischen Archiven haben dieses profunde Werk möglich gemacht. So enthüllt Ziesing, dass Silvester Trenelle eigentlich Samuel hieß und 1776 als Sohn eines jüdischen Edelsteinhändlers in Paris geboren wurde. Unter Napoleon machte er als Militärbeamter Karriere, kam 1806 mit den französischen Truppen nach Deutschland und ging in ihrem Gefolge 1812 auch nach Russland.


Doch als Napoleons politischer Stern sank, wechselte sein Gefolgsmann Trenelle notgedrungen die Seiten und lieferte als Waffenfabrikant aus Saarn einen Teil der Waffen, mit denen die Preußen 1815 in Waterloo Napoleon endgültig besiegen konnten. Der Unternehmer Trenelle war kreativ und vielseitig. Er warb in Wallonien und in Nordfrankreich, nicht ganz legal, Facharbeiter für seine Werkstätten in Saarn und Hattingen und für sein Hammerwerk in Dahlhausen ab. Bekannte Saarner Namen wie der des ehemaligen Mülheimer Sparkassenchefs Jörg Enaux weisen auf die ersten Mülheimer Gastarbeiter hin. Trenelle beschäftigte in Spitzenzeiten mehr als 500 Arbeiter, darunter auch viele Minderjährige. Kinderarbeit war in der frühen Industrialisierung an der Tagesordnung.


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