"Bitte noch vor Weihnachten!“ sagt die gesetzlich versicherte Patientin in der Facharztpraxis, als die von der Arzthelferin nach ihrem Wunschtermin gefragt wird. Da muss selbst die Dame hinter dem Praxisthresen lachen. „Das sollte machbar sein“, meint sie. Die Frage der älteren Dame stimmt nachdenklich. Wenn man früher zum Facharzt ging, hatte man das Gefühl, ihm etwas gutes zu tun. Jetzt muss man sich bei den meisten Fachärzten auf wochen- oder monatelange Wartezeiten einstellen. Und wenn man vorsichtig nach einem früheren Termin fragt, erntet man je nach Temperament der Arzthelferin einen mitleidigen Blick oder eine harsche Zurechtweisung: „Wissen Sie eigentlich, wie viele Patienten auf der Warteliste stehen und das unser Budget in diesem Quartal schon fast ausgereizt ist?“
Krankheit ist die reinste Zumutung, nicht nur für den betroffenen Patienten, sondern auch für den Arzt, der in unserem Gesundheitssystem, das jährlich mit rund 300 Milliarden Euro gefüttert wird, nicht nur, wie ein Arzt, sondern auch wie ein Unternehmer denken muss. Auch wer schon mal das Pech hatte, in ein Krankenhaus eingeliefert zu werden, wird es erlebt haben nicht mit der Frage: „Guten Tag, was haben Sie denn?“ sondern mit: „Haben Sie eine Zusatzversicherung“ begrüßt worden zu sein. Da begreift man, dass es im Gesundheitswesen allen Lippenbekenntnisse zum Trotz eben nicht nur um unsere Gesundheit, sondern um unser Geld geht. Da möchte man sich selbst gute Gesundheit und unserem Gesundheitssystem gute Besserung wünschen, damit wir unseren nächsten Facharzttermin auch noch erleben.
Dieser Text erschien am 5. Mai 2018 in der Neuen Ruhr Zeitung
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