Samstag, 2. Oktober 2021

Zu viel Platz in der Herberge

 Die Corona Pandemie hat auch den Mülheimer Hotelgewerbe einen Strich durch die Rechnung gemacht. Wie die Ruhr-Touristik-GmbH mitteilt, sind die Belegungszahlen der Hotels Im Vergleich der ersten Halbjahre 2021 und 2020 um 37 Prozent und im Vergleich der ersten Halbjahre 2019 und 2021 um 67 Prozent zurückgegangen.

„Das ist eine Katastrophe“, räumt auch die ansonsten zweck optimistische Geschäftsführerin der Mülheimer Stadtmarketing- und Tourismus-Gesellschaft (MST), Inge Kammerichs, ein. Folgt man ihren Zahlen, gab es 2019 199.000 Übernachtungen in den Mülheimer Hotels, während es im Jahr 2020 102.000 und im ersten Halbjahr 2021 29.000 Übernachtungen waren.

Hoteliers, die sich der Anfrage dieser Zeitung stellten, bestätigten den Corona-bedingten Abwärtstrend. Von Auslastungsquoten zwischen 15 und 20 Prozent war die Rede. Allein die bis zum Jahresende 2021 verlängerten Überbrückungshilfen des Bundes und des Landes sowie das von der Bundesagentur für Arbeit gezahlte  Kurzarbeitergeld für die Hotelmitarbeiter ließ die Hoteliers die Corona-Krise wirtschaftlich überleben. Obwohl sich der August in einigen Hotels mit Heimat Urlaubern, Geschäftstouristen, Familienbesuchern, Sportveranstaltung Teilnehmern und Hochzeitsgästen schon wieder positiver gestaltete, haben die Hoteliers nicht nur mit niedrigen Gästezahlen, sondern auch mit dem Problem zu kämpfen, neues Fachpersonal für ihre Häuser zu gewinnen. Vor allem die Aushilfskräfte auf 450-Euro-Basis haben sich in der Corona-Krise andere Jobs in anderen Branchen gesucht.


Als Hauptursachen für die drastisch zurückgehenden Buchungszahlen werden zum Beispiel fehlende Messen, zunehmendes Homeoffice und der damit verbundene Rückgang von Geschäftsreisen genannt. Alle befragten Hoteliers sind sich einig, dass eine steigende Impfquote auch ihr Gewerbe wieder stabilisieren und zu einer wieder annähernd normale Geschäftstätigkeit führen könnte.

Martin Hessse, Inhaber des 1934 eröffneten Hotels Handelshof an der Friedrichstraße möchte sich am liebsten zum Thema gar nicht äußern. Er hat sein Haus in den letzten Monaten Corona-bedingt geschlossen, kündigt aber an, das Haus ab dem 4. Oktober wieder für Besucher und Gäste seiner Gastronomie zu öffnen. Doch eine Zukunftsprognose für den Familienbetrieb traut sich Hesse nicht zu. Ähnlich geht es seinem Kollegen Moncef Mahmoudi, der das seit 1994 bestehende 51-Betten-Hotel Best Western am Forum führt. Er musste seine Mitarbeiterschaft im Corona-Lockdown um zwei Drittel reduzieren, um sie jetzt perspektivisch wieder aufzubauen.


„Die Stimmung der Mülheimer Hoteliers ist sehr unterschiedlich. Sie reicht von: ‚Es ist furchtbar‘. Bis: ‚Wir sind ganz gut durch die Krise gekommen“, schildert MST-Geschäftsführerin Kammerichs die Stimmungslagen, die sie bei ihrer Hotel- und Gastronomie-Tour vor einigen Wochen erlebt hat. „Für das Hotel und Gastgewerbe ist die Corona-Pandemie nicht nur eine finanzielle, sondern auch eine emotionale Belastung, weil die in diesem Gewerbe tätigen Menschen darauf gepolt sind, für ihre Gäste zu arbeiten“, sagt die selbst in einem Hotel- und Gaststättenbetrieb aufgewachsene MST-Geschäftsführerin Inge Kammerichs.

Auch für den Vorsitzenden des Mülheimer Hotel- und Gaststätten Verbandes Dehoga, Jörg Thon,  ist die Zukunft seines Gewerbes voller Fragezeichen. „Wir bieten in unserem Betrieb Bürgergarten an der Aktienstraße auch Übernachtungszimmer für Monteure an. Dieses Beherbergungsgeschäft war Gott sei Dank, anders als das touristische Übernachtungen Geschäft, nicht von der Corona-Pandemie beeinflusst“, sagt Thon.

Der Speldorfer Hotelier Falk Sassenhof freut sich darüber, „dass unser Haus zurzeit wieder ganz gut ausgelastet ist. Auch im August konnte sein 20-Betten-Haus von heimatnahen Touristen profitieren, die in diesem Corona-Jahr auf Flugreisen ins Ausland verzichtet hatten. Dankbar ist Sassenhof auch dafür, dass er mithilfe des Kurzarbeitergeldes und der umsatzbezogenen Überbrückungshilfe seine acht fest angestellten Mitarbeiter bei der Stange halten konnte.


 Seine Holzhauser Kollegin Claudia Thiesmann vom gleichnamigen Hotel an der Dimbeck hat zurzeit nur 6 von 44 Zimmern im Haus belegt. Sie war im August dankbar für Familienbesucher, einige Geschäftsreisende und Teilnehmer einer Sportveranstaltung, die  ihr Haus gefüllt haben. „Auf die Kollegen In Bayern oder an der deutschen Ostsee und an der deutschen Nordseeküste, die zurzeit von Touristen profitieren, die im eigenen Land statt im Ausland Urlaub machen, können wir nur wehmütig und neidvoll schauen“, sagt Thiesmann. Die Inhaberin  des 1910 gegründeten Hotel- und Gastbetriebes an der Dimbeck gibt sich zweckoptimistisch mit Blick auf ihre treue Stammkundschaft, die  sich im Hotel- und Gastronomiebereich ihres Hauses wohlfühlt. Thiesmann hofft, „dass das Homeoffice nach der Überwindung der Pandemie wieder so weit zurückgeht, dass es wieder mehr Geschäfts- und Service-Reisende geben wird, die ihr helfen, ihr Hotel zu belegen. Das Prinzip Hoffnung gilt für Thiesmann auch mit Blick auf ihre Tochter, die gerade im elterlichen Betrieb ihre Berufsausbildung als Hotel und Restaurantfachfrau begonnen hat, und das Familienunternehmen auch in der fünften Generation weiterführen will. 


Auch 138-Zimmer-Holiday-Inn-Express im Stadtquartier Schloßstraße wurde von der Corona-bedingten Gäste-Schmelze in Mitleidenschaft gezogen. Laut der Hotelleitung schwankte die Auslastungsquote dort zwischen Januar und August 2020 zwischen 6,5 und 57,9 %. In den ersten acht Monaten des Jahres 2021 schwankte der Anteil der gebuchten Zimmer zwischen 4,2 % und 42,9 %.

Die Talfahrt der Übernachtungszahlen überrascht nicht, wenn man jüngst von der Arbeitsgemeinschaft für Tourismus-Management erfuhr, dass die deutschen Unternehmen seit Beginn der deutschen Corona-Krise im März 2020 elf Milliarden Euro eingespart haben, die sie normalerweise für Dienstreisen ihrer Mitarbeitenden ausgeben.

Der Mülheimer Vorsitzende des Deutschen- Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga), Jörg Thon stellt fest, „dass sich bei den Hotel- und Gaststättenbetreibern die Mehrheitsmeinung durchgesetzt hat, dass man langfristig bei der Beherbergung und Bewirtung von Gästen nicht auf eine 2G- sondern auf eine 3G-Regelung setzen will.“ Das bedeutet: Alle Menschen, die getestet, genesen oder geimpft sind, können und sollen Zugang zur Hotellerie und Gastronomie haben. „Wir wollen als Gastronomen und Hoteliers keine Impfpflicht durch die Hintertür einführen“, betont Thon.


Positiv aufgegriffen wurde bei den befragten Hoteliers auch, dass die Politik keine weiteren Lockdowns plant und dass die Corona Regeln nicht mehr von der Sieben-Tage-Inzidenz der Neuinfektion, sondern von der Auslastung der klinischen Intensivstationen abhängig gemacht werden soll, so dass den Hotels perspektivisch kein weiterer wirtschaftlicher KO-Schlag droht. 


NRZ/WAZ, 17.09.2021



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