Dienstag, 22. Oktober 2019

Erinnerung an Else Lasker-Schüler

Mit einem literarisch-musikalischen Abend zum 150. Geburtstag der deutschen Lyrikerin Else Lasker-Schüler machte das Kulturgasthaus Fünte an der Gracht seinem Namen alle Ehre. Wolfgang Hausmann und Christa Böhner ließen Leben und Werk einer Dichterin Revue passieren, die über sich geschrieben und gesagt hat: "Ich habe Liebe in die Welt gebracht!" und: "Ich bin Jude, Gott sei Dank!"
Und damit wurde auch schon der Spannungsbogen eines leidenschaftlichen Lebens aufgezeigt, das kurz vor der Gründung des Deutschen Kaiserreiches begann, in der Zeit der Weimarer Republik mit der Verleihung des Kleist-Preises, einer Werk-Ausgabe und der Inszenierung Ihres Theaterstücks "Die Wupper" seine größte öffentliche Anerkennung fand und in der menschlich dunkelsten Zeit der NS-Herrschaft und des Zweiten Weltkriegs im Januar 1945 endete. Musikalisch wunderbar untermalt von sechs Veh-Harfenistinnen aus Mülheim und Essen, wurde den Zuhörern in der Heißener Fünfte eine starke Frau, Mutter und Dichterin lebendig, die nicht nur viel geschrieben, sondern auch gelebt, geliebt und gelitten hat. Der menschlich größte Verlust, den Else Lasker-Schüler nicht nur literarisch verarbeiten musste war der viele zu frühe Tod ihres TBC-kranken Sohnes Paul (1899-1927). Hausmann und Böhner stellten ihrem Publikum in der Fünte eine Lyrikerin vor, die ihre reiche Lebenserfahrung in eine geradezu musikalische Sprache kleiden konnte. Dazu passte die lyrische Musik der Veh-Harfenistinnen um Brigitte Riecke ganz wunderbar. So intonierte das Ensemble etwa das von Walther von der Vogelweide überlieferten Volkslied: "Die Gedanken sind frei" und die von Friedrich Schiller verfasste und von Ludwig van Beethoven vertonte "Ode an die Freude". Diesen Zusammenklang von Musik und Literatur zu hören, war ein Erlebnis.
Wer den bewegenden und bereichernden Else-Lasker-Schüler-Abend verpasst hat, bekommt am 22. Januar 2020 im Medienhaus am Synagogenplatz eine zweite Chance, Else Lasker-Schüler kennen zu lernen oder wiederzuentdecken. Außerdem sind Wolfgang Hausmann und Christa Böhner zurzeit mit dem Von-der-Heydt-Museum in Else-Lasker-Schülers Geburtsstadt Wuppertal in Verhandlungen über einen entsprechenden literarisch-musikalischen Abend im Rahmen einer dort gezeigten Ausstellung mit Zeichnungen der Dichterin, deren Leben in der Rückschau wie ein Fanal für Freiheit und Toleranz und gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus erscheint. Else Lasker- Schüler wurde gleich nach der Machtübernahme vom braunen Mob bedroht und musste in die Schweiz fliehen. Später fand sind in Palästina ihr Exil und auf dem Ölberg in Jerusalem ihre letzte Ruhestätte.
In der Heißener Fünte an der Gracht 209 geht es am 27. Oktober um 15.30 Uhr weiter. Dann steht in dem von Frank Bruns geleiteten Kulturzentrum ein Liedernachmittag mit Sängerin Gabi Beckenbach und dem Pianisten Sbiggi Warot auf dem Programm, an dem legendäre Chansons von Hildegard Knef Zarah Leander und Marlene Dietrich zu hören sein werden. Eintrittskarten können in der Fünte unter der Rufnummer: 0208-6969064 reserviert werden.

Dieser Text erschien am 19. Oktober 2019 im Lokalkompass der Mülheimer Woche

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Ein Mini-Malta an der Ruhr

Wo heute der Nachwuchs bei der Arbeiterwohlfahrt seine Freizeit verbringt, schoben im alten Wachhaus der Wraxham Baracks von 1945 bis 1994 S...