Mittwoch, 9. Oktober 2019

Knecht Ruprecht 2.0

Von draußen, vom Supermarkt und von der Straße komm ich her und ich muss euch sagen: Es weihnachtet sehr. Überall auf den Regalspitzen im Supermarkt sah ich Spekulatiusplätzchen, Lebkuchenherzen und Marzipankugeln sitzen. Und droben aus dem Meer von Weihnachtsnaschwerk sah mit großen Augen der Weihnachtsmann aus Schokolade hervor, Und wie ich so strolcht durch finstere Innenstadtgassen, da konnte ich es kaum fassen, dass uns schon kurz nach Erntedank, nicht versteckt in irgendeinem  Schrank, sondern ganz frei und frank auf der Warenbank so etwas wird jetzt schon beschert. Ich fragte mich: „Läuft da nicht was verkehrt?“ Doch dann wurde ich auf Nachfrage von einem Fachmann aus dem Handel belehrt, „Mein lieber Kunde, alter Gesell, hebe die Beine und spute dich schnell. Das ist der Klimawandel, da strömen die Leute eben schon im Oktober weihnachtlich gestimmt in den Handel. Sie wollen sich schon im frühen Herbst freuen auf das Frohe Fest, denn ihr trüber Alltag ist oft die Pest. Die Leute müssen heute schlucken so manche bittere Pille. Deshalb ist süßer Weihnachtsgeschmack des Volkes Wille. Deshalb, setze auf dein Brille und schau, was du kriegen kannst, sonst bleibt für dich zum Heiligen Festen höchstens noch eine Möhre und du alter Spätzünder schaust in die Röhre. Dann gönnen sich die anderen einen Schmaus und bei dir ist der Ofen aus.“ 

Dieser Text erschien am 9. Oktober 2019 in der NRZ

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Ein Mini-Malta an der Ruhr

Wo heute der Nachwuchs bei der Arbeiterwohlfahrt seine Freizeit verbringt, schoben im alten Wachhaus der Wraxham Baracks von 1945 bis 1994 S...