Jetzt musste ich an Hermann van Veen und
sein Lied: „Schnell weg da, weg da, weg. Mach' Platz, sonst gibt's
noch Streit. Wir sind spät dran und haben keine Zeit“ denken. Am
ampelfreien Fußgängerüberweg auf der Leineweberstraße wäre ich jetzt beinahe
von einem eiligen Motorradfahrer über den Haufen gefahren worden. Der
Motorradraser mit weißem Helm und weißer Maschine, ließ mich in Sachen
Rücksichtnahme schwarzsehen. Gott sei dank konnte ich ihm noch rechtzeitig
ausweichen, ehe er davonbrauste und mir dabei fast über die Zehenspitzen fuhr. Die
rasante Eile brachte dem rasenden Motorradrowdy, der offensichtlich mehr PS als
Einsicht unter der Haube hatte, keinen Zeitvorteil. Denn als ich ihm
nachschaute, sah ich seine Bremsleuchten. Immerhin: Die nur einige 100 Meter entfernte
rote Ampel der Kaiserplatz-Kreuzung stoppte seine Raserei. Das der Mann am
Motorradlenker noch rote Ampeln wahrnimmt, lässt hoffen, dass er sich einen
Hauch von Herz und Verstand bewahrt hat, was man bei manchen rasenden
Staatenlenkern, die im internationalen Verkehr als weltpolitischer
Geisterfahrer unterwegs sind, leider bezweifeln muss. Es reicht nicht, dass Gott
dem, dem er ein Amt gibt, auch Verstand gibt. Verstand hilft nur, wenn er auch
gebraucht wird. Und das braucht Zeit. Nur so kann im kleinen und großen
Dienstverkehr die Einsicht reifen, dass 150-prozentige Vollgas-Typen über Kurz
oder Lang gegen die Wand fahren und mit Null und nichts vor einem
Scherbenhaufen stehen, den dann die aufräumen müssen, die sie unvorsichtig und
zu schnell ans Steuer gelassen haben.
Dieser Text erschien am 18. Oktober 2019 in der NRZ
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen