Dieser Text erschien am 22. Oktober in der NRZ
Mittwoch, 23. Oktober 2019
Schlag nach bei Willy Brandt
Vor 50 Jahren trat Willy Brandt, nachdem heute eine Mülheimer
Schule benannt ist, sein Amt als erster sozialdemokratischer Bundeskanzler mit
dem Versprechen an: „Wir wollen mehr Demokratie wagen!“ Von der damaligen
Aufbruchstimmung sind heute nicht nur seine Mülheimer Genossen weit entfernt. Dennoch
ist seine Aufgabenbeschreibung aus dem Jahr 1969 auch heute noch aktuell. Ob in
der großen internationalen und nationalen oder in der kleinen lokalen Politik bleibt
das unausweichliche und unersetzliche Wagnis der Demokratie eine Gemeinschaftsaufgabe,
in der nicht das ICH, sondern das WIR darüber entscheidet, ob wir als
Gesellschaft im Wandel vom Weg ab- oder durch Annäherung zum Ziel kommen, weil
wir, wie Willy Brandt es vor 50 Jahren formuliert hat, nach innen wie nach außen
ein Volk der guten Nachbarn sind, in dem nicht nur die Macht, sondern auch die
Menschlichkeit vom Volke ausgeht und unser 1949 verkündetes Grundgesetz nicht
nur auf dem Papier steht, sondern Wirklichkeit ist. Schon Willy Brandt, der
erst im dritten Anlauf zum Bundeskanzler gewählt wurde, wusste, was heute viele
nicht wahrhaben und ertragen wollen. Mehr Demokratie wagen ist kein glorreicher
Sprint, sondern ein anstrengender Marathon, an dessen Ziel nicht immer eine
Goldmedaille winkt. Aber auch die längste Reise und der längste Lauf beginnen
immer mit dem ersten Schritt.
Dieser Text erschien am 22. Oktober in der NRZ
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