„Das klingt doch eher
langweilig“, fand eine Kollegin. Trotzdem ging ich hin zum Vortrag über Gerhard
Tersteegen, den der Mülheimer Theologe Ulrich Kellermann in der Buchhandlung
Fehst am Löhberg hielt. Als Historiker habe ich eine Schwäche für Vergangenes,
weil es uns oft etwas Erhellendes über unsere Gegenwart erzählt. Auch wenn der theologische
Schriftsteller, Prediger, Menschenfreund und Naturheilkundler schon vor 250 Jahren
das Zeitliche gesegnet hat, enttäuschte er mich nicht. Denn ich erfuhr mit
anderen Zeitreisenden, die den Weg zur Buchhandlung am Löhberg gefunden hatten,
dass sich die Mülheimer zu hunderten lieber die Predigten des spirituell
inspirierten und inspirierenden theologischen Autodidakten als die Predigten seiner
akademisch ausgebildeten und amtlich bestallten Kollegen im Pfarramt hörten. Kein
Wunder, dass sich Tersteegen, der seinen Glauben mit dem wunderschönen
Gedicht-Vers: „Ich bete an die Macht der Liebe, die sich in Jesus Christus offenbart“
auf den Punkt gebracht hat, punkt um den heiligen Zorn alle jener Gottesmänner
zuzog, die für sich in Anspruch nahmen, von Amts wegen Jesus von Nazareth
nachzufolgen. Mich erinnerte dies an die Kirchenkrise unserer Tage, in der oft
zu viel über Ämter, Strukturen, Geld, Macht und Dogmen und zu wenig über den christlichen
Glauben und die erlösende Kraft der Frohen Botschaft in unserem ganz irdischen und
an Baustellen reichem Alltag geredet und, siehe Tersteegen. vorgelebt wird. Dann
würde das Christentum vielleicht auch wieder mehr Menschen begeistern und inspirieren,
weil seine Verkünder, frei nach dem Philosophen und Religionskritiker Friedrich
Nietzsche erlöster aussähen und handelten.
Dieser Text erschien am 1. Oktober 2019 in der NRZ
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