Der Mülheimer Gerd Wilhelm Scholl
lässt uns mit einer Postkartenansicht auf die Leineweberstraße der frühen
siebziger Jahre schauen. Wo damals das City Center stand, steht seit 1994 das
Forum. Von dort aus schauen wir auf die Eppinghofer- und die Leineweberstraße.
Wir erkennen in der Mitte die für die siebziger und achtziger Jahre typischen
Blumenkübel. Sie sind reich bepflanzt. Noch muss die Stadt bei der öffentlichen
Grünpflege nicht sparen. Wir sehen rechts den Remberg-Pavillon, in dem die
Kunden damals alles finden, was ihr Zuhause schöner macht. Und wer etwas für
die Gesundheit braucht, wird auf dem Weg ins City Center in der Jobs-Apotheke
fündig. Dort finden wir heute im Erdgeschoss des Forum-Komplexes den
Beschäftigungsdienstleister Pia.
Auf der rechten Bildseite sind uns
die Kofferecke und die Metzgerei Pieper bis heute vertraut. Damals kann man
noch mit dem Auto die Eppinghofer Straße in beiden Richtungen befahren. Der
Kurt-Schumacher-Platz, benannt nach dem ersten Nachkriegsvorsitzenden der SPD,
und der unter ihm gelegene Busbahnhof werden erst ein Jahrzehnt später
Wirklichkeit. Damals kennt man in der Innenstadt nur den Hans-Böckler-Platz, der
den Namen des ersten DGB-Vorsitzenden trägt. Dort sind gerade die Iduna- und
SWB-Hochhäuser als modernes Wohnquartier entstanden. Auf der linken Bildseite
zeigt sich an der Leineweberstraße noch das Einrichtungshaus Westmöbel und in
der Bildmitte erkennt man am Horizont noch das 1965 errichtete und 1977 wieder
abgerissene Neckermann-Kaufhaus am Berliner Platz. Beides gehört ebenso der
Vergangenheit an, wie Traditionsgeschäfte á la Kocks und Herstein oder Berger
& Lindner. Hier versorgten sich die Mülheimer in den siebziger Jahren noch
mit Haushaltswaren, Bettwäsche und Mode. Die in den fünfziger Jahren als stark
frequentierte Ost-West-Achse neu angelegte Leineweberstraße wird in den
siebziger Jahren zumindest teilweise als Fußgängerzone vom Autoverkehr befreit.
Hier können Fußgänger bummeln, Schaufenster anschauen und einkaufen. Das marode
Pflaster der heutigen Fußgängerzone an der Leineweberstraße ist damals ebenso
undenkbar wie die nicht nur dort leerstehenden Ladenlokale. Internethandel gibt
es noch nicht. Und die bereits bestehenden Einkaufszentren City Center und
Rhein-Ruhr-Zentrum graben der beliebten Einkaufsinnenstadt Mülheims nicht das
Wasser ab. An ein Centro in der Nachbarstadt oder an das Dümptener Tor ist
damals noch nicht zu denken, ebenso wenig wie an den heutigen Radweg und den
Allee-Charakter der Leineweberstraße.
Dieser Text erschien am 2. Januar 2019 in der Neuen Ruhr Zeitung
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