Mittwoch, 23. Januar 2019

Mülheimer Zeitungsgeschichte

Der gestrige Montag war für Zeitungshändlerin Dorothea Schaaf ein besonderer Tag. Denn auf den Tag genau vor 70 Jahren eröffneten ihre Eltern Gerhard und Agnes in Broich einen Zeitungskiosk. Mit dem zogen sie in den 1950er Jahren in die Stadtmitte, wo der Kiosk zunächst auf dem Berliner Platz und später im heutigen Gebäude der Nationalbank an der Friedrich-Ebert-Straße zu finden war. Als die Schloßstraße Mitte der 1970er Jahr zu einer Fußgängerzone mit Tiefgarage wurde, wanderten die Scholls mit ihrem Kiosk zu dessen heutigem Standort an der unteren Schloßstraße. Mit dem Hotel Noy im Rücken schaut die heute 61-jährige Dorothea Schaaf auf das neu entstehende Stadtquartier Schloßstraße.

Sie hat in den 1970er Jahren zunächst zusammen mit ihren Eltern den Zeitungskiosk betrieben, der auch Fahrkarten, Tabak, Erfrischungsgetränke und Süßigkeiten anbietet. Seit mehr als 30 Jahren steht Schaaf im Kiosk ihrer inzwischen verstorbenen Eltern nun ganz allein ihre Frau. Als selbstständige Kauffrau arbeitet sie selbst und ständig. Ihren von der Ruhrbahn gemieteten Kiosk öffnet sie morgens um 5.45 Uhr und schließt ihn abends um 18 Uhr. "Das reicht dann auch", sagt sie in der ihr eigenen lakonischen Art. Auch wenn sie ihren letzten Urlaub in dem Jahr gemacht hat "Prinz Charles und Prinzessin Diana geheiratet haben", bereut sie ihre Berufswahl bis heute nicht. Die Presse-Frau, die an der unteren Schloßstraße schon diverse Großbaustellen und Ladenschließungswellen überstanden hat. genießt es sichtlich ihre eigene Chefin zu sein. Wenn man sie beobachtet, wie sie mit ihren Stammkunden zwischen Zeitungs,- Zeitschriften, Zigaretten,- Fahrkarten- und Bonbon-Verkauf ein offenes Ohr und ein offenes Wort pflegt, versteht man, warum sie hier mit ihrem Kiosk genau am richtigen Platz ist. Und wenn es so etwas wie einen Himmel gibt, dann werden ihre Eltern, die mit ihrem Kiosk den Lebensunterhalt für neun Kinder verdient haben sicher stolz auf ihre Tochter herabschauen. Wie hat sich ihr Ein-Frauen-Pressegeschäft im Laufe der Jahrzehnte verändert. "Es gibt heute deutlich weniger Zeitungs- und Zeitschriftentitel. Viele Menschen, die das Geld nicht so locker sitzen haben, kaufen sich heute nur noch ein- oder zweimal in der Woche eine Zeitung oder eine Zeitschrift, wo sie früher fast täglich kamen," berichtet Schaaf über die Zeitläufte des Zeitungsgeschäftes am der unteren Schloßstraße. Schaaf, der Kiosk auch schon mal als Drehort für einen Helge-Schneider-Film herhalten musste, ist aber davon überzeugt, "dass gut gemachte Zeitungen und Zeitschriften auch im digitalen Zeitalter überleben werden, weil die Menschen Papier und gute Informationen in der Hand haben wollen."

Dieser Text erschien am 22. Januar 2019 in der Neuen Ruhr Zeitung

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