Sonntag, 16. Dezember 2018

Heino statt Heine

"Weißt du wer heute Geburtstag hat?" fragt mich meine Schwester? Ich schaue auf den Kalender. Donnerstag, der 13. Dezember. Bei uns in der Familie hat doch niemand im Dezember Geburtstag? "Ach, so! Heinrich Heine!" meldet sich mein germanistisches Unterbewusstsein. Doch das Schwesterherz schüttelt nur mitleidig den Kopf und klärt mich auf: "Heino!" Natürlich. Ich hätte es wissen müssen. Meine Schwester ist der größte Fan, den sich der Sänger Heino, Sie wissen schon: "Schwarz-braun ist die Haselnuss" oder "Ja, Ja die schwarze Barbara." Oder sollten Sie es etwa nicht wissen oder verdrängt haben, weil Sie zu den Zeitgenossen gehören, die Heino niemals hören oder dies zumindest nie zugeben würden. Ich muss zugeben. Auch in unserer Familie scheiden sich die Geister an dem vielseitigen und geschäftstüchtigen Sänger, der auf seine alten Tage auch schon mal die Genres gewechselt hat, wie andere Leute ihre Unterhosen. Wie dem auch sei. Meine Schwester hat inzwischen alle CDs und LPs, die dieser Mann jemals veröffentlicht hat. Was für uns langsam zum Problem wird. Denn was sollen wir ihr zu Weihnachten schenken. Heino ging immer. Aber langsam wird's eng. Denn sie hat ja schon alles von Heino. 

Falls Heinos Privatarchiv mal abbrennen sollte, könnte er problemlos auf die Bestände meiner Schwester zurückgreifen. Derweil haben wir schon versucht, das musikalische Interesse meiner Schwester auf andere Sänger zu lenken. Wie wäre es zum Beispiel mit Freddy Quinn? Alter und Stimmlage würden passen. Doch bei meinem Schwesterherz geht eben nichts über Heino, weil er mit seinen eingängigen deutschsprachigen Texten eben ihr Herz berührt, so wie andere die Verse von Heinrich Heine. Wir wünschen Heino in unserer Familie, unabhängig von unserem persönlichen Musikgeschmack, zu seinem 80. Geburtstag auf jeden Fall alles Gute und ein langes Leben. Für uns muss Heino einfach weitersingen, damit uns die Weihnachts- und Geburtstaggeschenke für meine Schwester nicht ausgehen. Also Heino. Halte durch!

Dieser Text erschien am 15. Dezember 2018 in der NRZ

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