Was sich jetzt auf der nationalen Ebene vollzogen hat, der Ausstieg aus der Steinkohle-Förderung, hat Mülheim längst hinter sich. 1966 war die Stadt, in der noch um 1900 3000 Kumpel den Lebensunterhalt für ihre Familien verdienten, als erste des Ruhrgebietes zechenfrei.
Als letzte Zeche der Stadt machte am 29. Juli 1966 die Heißener Zeche Rosenblumendelle dicht. Damals waren es keine ökologischen, sondern ausschließlich ökonomische Gründe, die zum Niedergang des Bergbaus geführt hatten. Dem Öl und der Atomkraft schien damals die energiepolitische Zukunft zu gehören.
Die Ölkrise der 1970er Jahre und AKW-Unglücke in Harrisburg (1979), Tschernobyl (1986) und Fukushima (2011) haben die Menschheit eines Besseren belehrt, auch wenn viele diese Lehren noch nicht beherzigen wollen.
Mülheim hat, anders als andere Ruhrgebietsstädte, keinen alten Förderturm mehr. Schade. Hier erinnern nur Straßennamen wie Sellerbeckstraße, Wiescher Weg, Rosendeller Straße oder Erbstollen und natürlich die alte Bergmannssiedlung an der Mausegatt- und an der Kreftenscheerstraße an die Mülheimer Bergbautradition, die bis ins 16. Jahrhundert zurückreicht. Am Siedlungseingang erinnern unter anderem Bergmannswerkzeuge, Kohlenloren und eine vom Mülheimer Künstler Jochen Leyendecker geschaffene Bergmanns-Statue an die Geschichte des Schwarzen Goldes. Auch der von Heinz Wilhelm Auberg geleitete Mülheimer Arbeitskreis für die bergbauhistorischen Gedenkstätten im Ruhrrevier hält die Erinnerung an Mülheims Zechen mit Gedenktafeln und zuletzt mit einer vom Stadtarchivar Dr. Kai Rawe konzipierten Ausstellung im Haus der Stadtgeschichte lebendig.
Herbert Groenemeyer hat Recht, wenn er in seinem "Bochum"-Lied unter anderem singt: "Deine Kohle hat uns wieder hoch gebracht." Dennoch besteht, anders als in aktuellen Festreden zum Kohle-Aus kein Grund zur Romantisierung. Trotz einiger Leuchtturm-Projekte hat die ehemalige Kohle-Region Ruhrgebiet auch 60 Jahre, nachdem der Niedergang des heimischen Steinkohlenbergbaus begonnen hat, den wirtschaftlichen Strukturwandel immer noch nicht bewältigt.
Auch die, zugegeben gutbezahlte Arbeit der Bergleute, die im Steigerlied wunderbar besungen wird, war kein bisschen romantisch, sondern schwer, dreckig und gefährlich. Aber sie hat die Kumpel eine Solidarität gelehrt, von der auch unsere post-industrielle Gesellschaft nur lernen kann, wenn sie es denn wirklich will. Insofern kann man dem Vorsitzenden der Gewerkschaft für Bergbau, Energie und Chemie, Michael Vassliadis, nur zustimmen, der gestern anlässlich der letzten Schicht auf Proper Haniel in Bottrop gesagt hat: "Dieses Land braucht wieder mehr Kumpel-Kultur!" Ohne eine solche "Kumpel-Kultur" wird unsere Gesellschaft, in der schon jetzt so viele Menschen vereinsamen oder zu egoistischen Einzelkämpfern erzogen werden, ihre Menschlichkeit verlieren. Wünschen wir uns also allen auch für die Zukunft "Glück auf" und denken dabei an die Mahnung, die Papst Johannes Paul II. im Mai 1987 auf Prosper Haniel in Bottrop aussprach:
"Unverschuldete Arbeitslosigkeit wird zum gesellschaftlichen Skandal, wenn die zur Verfügung stehende Arbeit nicht gerecht verteilt und der Ertrag der Arbeit nicht auch dazu verwandt wird, neue Arbeit für möglichst alle zu schaffen. Hier ist die Solidarität aller gefordert, derjenigen, die über Kapital und Produktionsmittel verfügen, wie auch aller, die bereits Arbeit haben."
Das Steigerlied
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