Einen interessanten Einblick in das Mülheim des
Drei-Kaiser-Jahres 1888 gewährte Stadtarchivar Kai Rawe zum Auftakt der neuen
Reihe zur Mülheimer Geschichte. Er konfrontierte seine Zuhörer im Haus der
Stadtgeschichte mit einem Personenkult rund um die drei deutschen Kaiser
Wilhelm I., Friedrich III. und Wilhelm II., die 1888 einander auf den
Hohenzollernthron folgten, der für heutige Gemüter unvorstellbar anmutet. So
begrüßte die Mülheimer Zeitung den neuen Kaiser Wilhelm II., der „Deutschland
herrlichen Zeiten entgegenführen wollte“, mit einem Huldigungsgedicht auf ihrer
Titelseite. Kaum nachvollziehbar ist auch, dass nach dem Tode der Kaiser
Wilhelm I. und Friedrich III. alle Geschäfte schlossen, die Straßenlaternen mit
Trauerflor dekoriert wurden und ein 14-tägigiges Trauergeläut, jeweils zwischen
12 und 13 Uhr, angeordnet wurde.
1888, das damalige Adressbuch zeigte es, gab es im etwas
mehr als 25.000 Einwohner zählenden Mülheim, erstaunlicherweise 80 Bäcker, 19
Fischhändler, 14 Gastwirte, 10 Ärzte, 11 Hebammen und 22 Friseure. Den
Mülheimer Schülern, die vor 130 Jahren ein Gymnasium, eine höhere
Töchterschule, 14 Volksschulen und eine Handwerkerschule besuchten, bescherte
der dreimalige Thronwechsel drei zusätzliche schulfreie Tage. Mit einem Foto
des sehr überschaubaren Abiturjahrgangs 1888 zeigte Rawe, dass höhere
Schulbildung im Kaiserreich eine sehr elitäre und teure Angelegenheit war.
Immerhin konnten die Volksschulen ab 1888 schulgeldfrei besucht werden.
Außerdem wurde im Rathaus die erste öffentliche Stadtbibliothek eingerichtet. Darüber
hinaus konnten die Bürger erstmals mit einer Dampf-Straßenbahn von Broich nach
Duisburg fahren.
Eine nur wenigen reichen Bürgern vorbehaltene Errungenschaft
blieb jedoch vorerst das neue Telefon. 1888 gab es in Mülheim gerade mal 56
Telefonanschlüsse. Die durchschnittliche Telefonrechnung pro Haushalt und Jahr lag
1888 bei 206 Mark. Zum Vergleich: Der Tageslohn eines Arbeiters betrug damals
3,20 Mark. Kein Anschluss unter dieser Nummer also, zumindest für
Normalverdiener.
Und ein Blick in Etat des Jahres 1888 zeigte: Auch die guten
alten Zeiten waren finanzpolitisch gar nicht so gut, weil die Stadt, die damals
vor allem in Schul- und Straßenbau investierte, hatte sie bei einem Etat von
500.000 Mark einen Schuldenberg von 2,2 Millionen Mark angehäuft.
Dieser Beitrag erschien am 20. März 2018 in NRZ & WAZ
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