Sonntag, 26. November 2017

Das bedingungsloses Grundeinkommen aus der katholischen Perspektive

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Reinhard Kardinal Marx, hat sich gegen ein bedingungsloses Grundeinkommen ausgesprochen. In einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung sagte der Erzbischof von München und Freising: "Die Arbeit ist nicht irgendetwas. Es gehört zur Grundkonstitution des Menschseins, dass ich für mich und meine Familie etwas schaffe, das von Wert ist."
Ausdrücklich warnte Marx vor der "demokratiegefährdenden" Wirkung, die die Einführung eines solchen Grundeinkommens haben könne. Gleichzeitig kritisierte der Kardinal die ungleiche Vermögensverteilung in Deutschland und forderte alle gesellschaftlichen Kräfte dazu auf: "die politischen Folgen der Ungleichheit im Auge zu behalten."

Obwohl die Katholische Arbeitnehmer Bewegung (KAB) die Idee des Grundeinkommens unterstützt, ist ihr Kölner Sekretär Winfried Gather angesichts der Positionierung des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz "zwar nicht begeistert, aber auch nicht entsetzt." Ausdrücklich teilt er Marx' Festhalten an der in 125 Jahren gewachsenen und bewährten deutschen Sozialversicherung. "Im Gegensatz zu anderen Grundeinkommensmodellen will das von der KAB entwickelte und auch vom Aachen Ökonomen Ralf Welter durchgerechneten Modell die Sozialversicherung keinesfalls abschaffen", betont Gather.

Die KAB geht danach von einem bedingungslosen Grundeinkommen von monatlich 850 Euro (für Erwachsene) und 550 Euro (für Minderjährige) aus, das bei Bedarf durch Wohngeld und eine von der persönlichen Lebenssituation abhängigen Pauschale, etwa für alleinerziehende Eltern, aufgestockt werden soll. Das bedingungslose Grundeinkommen, das allen Bürgern, unabhängig von ihrem Einkommen zustehen soll, sobald sie mindestens fünf Jahre im Land gelebt, gerarbeitet und Steuern gezahlt haben, will die KAB mit einer Vermögenssteuer und einer erhöhten Erbschaftssteuer finanzieren.

Winfried Gather weist darauf hin, dass das bedingungslose Grundeinkommen dazu führen würde, dass die Arbeitgeber dazu gezwungen würden, die betrieblichen, sozialen und finanziellen Rahmenbedingungen zu verbessern, um ihre Arbeitsplätze mit Arbeitnehmern besetzen zu können. Außerdem, so glaubt der KAB-Mann, werde ein bedingungsloses Grundeinkommen den Menschen mehr Freiheit und Lebensqualität verschaffen, um nicht nur einer Erwerbsarbeit nachzugehen, sondern auch ehrenamtliche Familienarbeit und bürgerschaftliches Engagement zu leisten.

In einem im September 2017 veröffentlichten Sozialwort haben sich auch der Bund der deutschen katholischen Jugend und die Evangelische Jugend Deutschlands für ein bedingungsloses Grundeinkommen ausgesprochen, um die Schere zwischen Armen und Reichen wieder zu schließen und den vorhandenen Reichtum zur Bekämpfung der Armut einzusetzen. Auf der Internetseite des katholischen Jugendverbandes heißt es zum bedingungslosen Grundeinkommen:

"Die Auswirkungen eines Grundeinkommens wären vielfältig. Die Erwerbsarbeit würde ihre Funktion als wichtigste Einkommensquelle von Besitzlosen verlieren. Ist das Grundeinkommen hoch genug, gäbe es keine Lohnabhängigen mehr. Menschen würden arbeiten, weil sie sich mehr leisten wollen als mit dem Grundeinkommen möglich ist, oder weil sie einer sinnvollen Tätigkeiten nachgehen möchten. Neben die erzwungene Erwerbsarbeitslosigkeit würde die freiwillige treten, um beispielsweise Kinder zu erziehen, im Sportverein aktiv zu werden, sich aus- und weiterzubilden oder um spazieren zu gehen.

"Die Angst vor dem existenzgefährdenden Verlust des Arbeitsplatzes würde drastisch verringert. Arbeitszeit und Arbeitsbedingungen könnten mit dem Arbeitgeber fast auf Augenhöhe vereinbart werden. Es gäbe vermutlich mehr Menschen, die ihre eigene Geschäftsidee umsetzen, weil das mit einem geringeren Risiko verbunden wäre. Andere würden ehrenamtliche oder Familienpflegetätigkeiten der Erwerbsarbeit vorziehen. Staatliche Behörden würden keinen Zwang ausüben, sondern könnten ihre Bürger mit Offenheit und Respekt behandeln."

Dagegen weiß sich der Geschäftsführer des Bundesverbandes der Katholiken in Wirtschaft und Verwaltung (KKV), Joachim Hüpkes, mit Kardinal Marx einig in der Ablehnung eines bedingungslosen Grundeinkommens. "Arbeit ist ein Wert an sich", sagt Hüpkes und erklärt: "Die Argumente der Befürworter hören sich gut an, entpuppen sich bei genauerer Betrachtung aber als Wuschtraum. Ein bedingungsloses Grundeinkommen würde dazu führen, dass sich die Menschen mit einem geringen Einkommen fragen, ob sie für ein 100 Euro mehr oder weniger im Monaten noch arbeiten gehen sollten. Das können wir uns in Zeiten des demografischen Wandels gar nicht erlauben. Denn wir brauchen jeden."

Für den im Oktober 2017 neu gewählten Bundesvorsitzenden des Bundes katholischer Unternehmer, Professor Ulrich Hemel, ist die Diskussion über ein national begrenztes bedingungsloses Grundeinkommen kein Ausdruck von Solidarität, sondern von Gruppen-Egoismus. Er fordert stattdessen ein weltweites Grundeinkommen, das in den sogenannten Entwicklungsländern die ärgste Not von Hunger, Durst sowie fehlender Hygiene und Bildung überwinden müsse. Dieses Einkommen, so Hemel, werde sich dann aber realistischerweise weit unter einer Spanne von monatlich 500 bis 1000 Euro bewegen. Mit Blick auf die Situation in Deutschland sagt der BKU-Bundesvorsitzende: "Wir haben bei uns bereits eine Grundsicherung, die dafür sorgt, dass niemand verhungern oder verdursten muss. Und es ist für mich eine Frage der Teilhabegerechtigkeit, dass jeder Mensch in unserem Land einen Anreiz zur Arbeit hat, um sich an unserer Gesellschaft zu beteiligen und sich damit auch in seiner Persönlichkeit zu entfalten."

Die Diskussion über die Einführung eines bedingungslosen Grund einkommens ist nicht neu. Bereits 2007 hatte der damalige thüringische Ministerpräsident Dieter Althaus in der Vollversammlung des Zentralkomitees der deutschen Katholiken für die Einführung eines bedingungslosen Bürgergeldes geworben, dass aus einer monatlichen Zuwendung von 600 Euro, zuzüglich einer Gesundheuitsprämie von 200 Euro bestehen sollte.



Aktuell gewann die Grundeinkommen-Debatte an Fahrt, nachdem die Universität Osford Anfang des Jahres eine Studie veröffentlicht hatte, die davon ausgeht, dass der durch die Digitalisierung ausgelöste Rationalisierungsschub in den nächsten 25 Jahren weltweit 47 Prozent aller Arbeitsplätze zum Opfer fallen könnten. Außerdem weisen die Befürworter des bedingungslosen Grundeinkommens darauf hin, dass heute ein Fünftel der Erwerbstätigen in prekären Arbeitsverhältnissen beschäftigt und damit langfristig von Altersarmut bedroht sei.

Dieser Text erschien am 25. November 2017 in der Tagespost

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