Der
Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Reinhard Kardinal Marx,
hat sich gegen ein bedingungsloses Grundeinkommen ausgesprochen. In
einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung sagte der Erzbischof
von München und Freising: "Die Arbeit ist nicht irgendetwas. Es
gehört zur Grundkonstitution des Menschseins, dass ich für mich und
meine Familie etwas schaffe, das von Wert ist."
Ausdrücklich
warnte Marx vor der "demokratiegefährdenden" Wirkung, die
die Einführung eines solchen Grundeinkommens haben könne.
Gleichzeitig kritisierte der Kardinal die ungleiche
Vermögensverteilung in Deutschland und forderte alle
gesellschaftlichen Kräfte dazu auf: "die politischen Folgen der
Ungleichheit im Auge zu behalten."
Obwohl
die Katholische Arbeitnehmer Bewegung (KAB) die Idee des
Grundeinkommens unterstützt, ist ihr Kölner Sekretär Winfried
Gather angesichts der Positionierung des Vorsitzenden der Deutschen
Bischofskonferenz "zwar nicht begeistert, aber auch nicht
entsetzt." Ausdrücklich teilt er Marx' Festhalten an der in 125
Jahren gewachsenen und bewährten deutschen Sozialversicherung. "Im
Gegensatz zu anderen Grundeinkommensmodellen will das von der KAB
entwickelte und auch vom Aachen Ökonomen Ralf Welter
durchgerechneten Modell die Sozialversicherung keinesfalls
abschaffen", betont Gather.
Die
KAB geht danach von einem bedingungslosen Grundeinkommen von
monatlich 850 Euro (für Erwachsene) und 550 Euro (für
Minderjährige) aus, das bei Bedarf durch Wohngeld und eine von der
persönlichen Lebenssituation abhängigen Pauschale, etwa für
alleinerziehende Eltern, aufgestockt werden soll. Das bedingungslose
Grundeinkommen, das allen Bürgern, unabhängig von ihrem Einkommen
zustehen soll, sobald sie mindestens fünf Jahre im Land gelebt,
gerarbeitet und Steuern gezahlt haben, will die KAB mit einer
Vermögenssteuer und einer erhöhten Erbschaftssteuer finanzieren.
Winfried
Gather weist darauf hin, dass das bedingungslose Grundeinkommen dazu
führen würde, dass die Arbeitgeber dazu gezwungen würden, die
betrieblichen, sozialen und finanziellen Rahmenbedingungen zu
verbessern, um ihre Arbeitsplätze mit Arbeitnehmern besetzen zu
können. Außerdem, so glaubt der KAB-Mann, werde ein bedingungsloses
Grundeinkommen den Menschen mehr Freiheit und Lebensqualität
verschaffen, um nicht nur einer Erwerbsarbeit nachzugehen, sondern
auch ehrenamtliche Familienarbeit und bürgerschaftliches Engagement
zu leisten.
In
einem im September 2017 veröffentlichten Sozialwort haben sich auch
der Bund der deutschen katholischen Jugend und die Evangelische
Jugend Deutschlands für ein bedingungsloses Grundeinkommen
ausgesprochen, um die Schere zwischen Armen und Reichen wieder zu
schließen und den vorhandenen Reichtum zur Bekämpfung der Armut
einzusetzen. Auf der Internetseite des katholischen Jugendverbandes
heißt es zum bedingungslosen Grundeinkommen:
"Die
Auswirkungen eines Grundeinkommens wären vielfältig. Die
Erwerbsarbeit würde ihre Funktion als wichtigste Einkommensquelle
von Besitzlosen verlieren. Ist das Grundeinkommen hoch genug, gäbe
es keine Lohnabhängigen mehr. Menschen würden arbeiten, weil sie
sich mehr leisten wollen als mit dem Grundeinkommen möglich ist,
oder weil sie einer sinnvollen Tätigkeiten nachgehen möchten. Neben
die erzwungene Erwerbsarbeitslosigkeit würde die freiwillige treten,
um beispielsweise Kinder zu erziehen, im Sportverein aktiv zu werden,
sich aus- und weiterzubilden oder um spazieren zu gehen.
"Die
Angst vor dem existenzgefährdenden Verlust des Arbeitsplatzes würde
drastisch verringert. Arbeitszeit und Arbeitsbedingungen könnten mit
dem Arbeitgeber fast auf Augenhöhe vereinbart werden. Es gäbe
vermutlich mehr Menschen, die ihre eigene Geschäftsidee umsetzen,
weil das mit einem geringeren Risiko verbunden wäre. Andere würden
ehrenamtliche oder Familienpflegetätigkeiten der Erwerbsarbeit
vorziehen. Staatliche Behörden würden keinen Zwang ausüben,
sondern könnten ihre Bürger mit Offenheit und Respekt behandeln."
Dagegen
weiß sich der Geschäftsführer des Bundesverbandes der Katholiken
in Wirtschaft und Verwaltung (KKV), Joachim Hüpkes, mit Kardinal
Marx einig in der Ablehnung eines bedingungslosen Grundeinkommens.
"Arbeit ist ein Wert an sich", sagt Hüpkes und erklärt:
"Die Argumente der Befürworter hören sich gut an, entpuppen
sich bei genauerer Betrachtung aber als Wuschtraum. Ein
bedingungsloses Grundeinkommen würde dazu führen, dass sich die
Menschen mit einem geringen Einkommen fragen, ob sie für ein 100
Euro mehr oder weniger im Monaten noch arbeiten gehen sollten. Das
können wir uns in Zeiten des demografischen Wandels gar nicht
erlauben. Denn wir brauchen jeden."
Für
den im Oktober 2017 neu gewählten Bundesvorsitzenden des Bundes
katholischer Unternehmer, Professor Ulrich Hemel, ist die Diskussion
über ein national begrenztes bedingungsloses Grundeinkommen kein
Ausdruck von Solidarität, sondern von Gruppen-Egoismus. Er fordert
stattdessen ein weltweites Grundeinkommen, das in den sogenannten
Entwicklungsländern die ärgste Not von Hunger, Durst sowie
fehlender Hygiene und Bildung überwinden müsse. Dieses Einkommen,
so Hemel, werde sich dann aber realistischerweise weit unter einer
Spanne von monatlich 500 bis 1000 Euro bewegen. Mit Blick auf die
Situation in Deutschland sagt der BKU-Bundesvorsitzende: "Wir
haben bei uns bereits eine Grundsicherung, die dafür sorgt, dass
niemand verhungern oder verdursten muss. Und es ist für mich eine
Frage der Teilhabegerechtigkeit, dass jeder Mensch in unserem Land
einen Anreiz zur Arbeit hat, um sich an unserer Gesellschaft zu
beteiligen und sich damit auch in seiner Persönlichkeit zu
entfalten."
Die
Diskussion über die Einführung eines bedingungslosen Grund
einkommens ist nicht neu. Bereits 2007 hatte der damalige
thüringische Ministerpräsident Dieter Althaus in der
Vollversammlung des Zentralkomitees der deutschen Katholiken für die
Einführung eines bedingungslosen Bürgergeldes geworben, dass aus
einer monatlichen Zuwendung von 600 Euro, zuzüglich einer
Gesundheuitsprämie von 200 Euro bestehen sollte.
Aktuell
gewann die Grundeinkommen-Debatte an Fahrt, nachdem die Universität
Osford Anfang des Jahres eine Studie veröffentlicht hatte, die davon
ausgeht, dass der durch die Digitalisierung ausgelöste
Rationalisierungsschub in den nächsten 25 Jahren weltweit 47 Prozent
aller Arbeitsplätze zum Opfer fallen könnten. Außerdem weisen die
Befürworter des bedingungslosen Grundeinkommens darauf hin, dass
heute ein Fünftel der Erwerbstätigen in prekären
Arbeitsverhältnissen beschäftigt und damit langfristig von
Altersarmut bedroht sei.
Dieser Text erschien am 25. November 2017 in der Tagespost
Dieser Text erschien am 25. November 2017 in der Tagespost
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen