Was hat Mülheim mit Martin Luther und der Reformation zu tun? Eine Ausstellung
im Haus der Stadtgeschichte zeigt es in Wort und Bild. Die Historikerin Anke
Asfur hat dafür in den Archiven der Stadt und des Evangelischen Kirchenkreises
an der Ruhr recherchiert und Dokumente zusammengetragen.
„Wir wollen und
können als Haus der Stadtgeschichte keine theologische Reformationsausstellung
anbieten. Wir wollen die sozialen und politischen Auswirkungen der Reformation
versuchen auf Mülheim herunterzubrechen“, erklärt der Leiter des Stadtarchivs,
Kai Rawe.
Wer die kompakte und anschauliche Ausstellung zur Reformation
besucht, erfährt zum Beispiel, dass sich die ersten Protestanten Mülheims lange
gar nicht als solche sahen und die Gottesdienste, die an den drei Altären der
Petrikirche gefeiert wurden, abwechselnd im evangelischen und katholischen Ritus
feierten. Obwohl es mit Johann Kremer bereits ab 1546 im Mülheimer Kirchspiel
einen evangelischen Pastor gab, schloss sich die Gemeinde auf dem Kirchenhügel
offiziell erst 1591 der Reformation an, als ihre Vertreter erstmal an der
Duisburger Synode der reformierten Kirchengemeinden
teilnahmen.
Gleichzeitig blieben das Schloss
Styrum und das Kloster Saarn katholische Enklaven. Und mit den Jesuiten kehrten
die Katholiken ab 1750 auf den Kirchenhügel zurück.
Die Ausstellung
erzählt unter anderem die Geschichte des Grafen Wirich V. von Daun-Falkenstein,
der als Herr zu Broich und als Gesandter des Herzogs von Kleve-Jülich-Berg 1521
am Reichstag in Worms teilnahm und dort Luther und seine Thesen kennengelernt
hat. Man erfährt von dessen Sohn Philipp von Daun-Falkenstein, der sich 1551 vom
Papst aus seinem geistlichen Stand als Subdiakon des Erzbischofs von Köln
entlassen ließ, um die ehemalige Nonne Caspara von Holtey zu heiraten und mit
ihr die Dynastie fortzuführen.
Bildreich und beeindruckend wird auch der
Zeitgeist des 16. Jahrhunderts dargestellt, als in Mülheim etwa 2500 Menschen in
950 Häusern lebten und im wahrsten Sinne des Wortes eine höllische Angst vor der
ewigen Verdammnis hatten. Damals wurden die Menschen im Durchschnitt nur 30
Jahre alt und die Kindersterblichkeit war hoch. Das erklärt den Erfolg des
päpstlichen Ablasshandels, der von Luther und seinen Anhängern verdammt und
durch die Vorstellung, dass jeder Mensch allein auf die Gnade Gottes und sein
Heil bringendes Wort angewiesen sei, konterkariert wurde.
Eine
deutschsprachige Bibel, ein deutschsprachiger Gottesdienst, deutsche
Kirchenlieder, wie etwa „Eine feste Burg ist unser Gott“ und ein Geistlicher,
der den Gottesdienst der Gemeinde zugewandt feierte, das war den Mülheimern
damals neu und machte die Reformation bei ihnen populär.
Doch die von
Anke Asfur recherchierte Ausstellung zeigt auch die machtpolitischen Folgen der
Reformation auf. So wurde Mülheim um 1600 zu einem Schlachtfeld des 80-jährigen
Krieges zwischen den katholischen Spaniern und den reformierten, nach
Unabhängigkeit strebenden, Niederländern. Dieser Krieg kostete nicht nur den
damaligen Broicher Herrn Wirich VI. von Dau-Falkenstein das Leben.
Dieser Text erschien am 19. Oktober 2017 in NRZ/WAZ
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