Gestern musste ich an den ehemaligen Bundesumweltminister Klaus Töpfer
denken. Wieso das? Ich keuchte die Prinzenhöhe hinauf, einem Termin in der
Katholischen Akademie Die Wolfsburg entgegen. Während ich mich, mit der Uhr im Nacken,
Schritt für Schritt zum Ziel kämpfte, fuhren diverse Autos an mir vorbei. Bei
genauerem Hinsehen fiel mir auf, dass die eiligen Herrschaften in ihren gut
abgefederten Fahrzeugen über glatte und breite Wege ihrem Ziel entgegenrauschen
konnten, während die Bürgersteige, auf denen ich mich mühsam fortbewegen
musste, immer holpriger und schmaler wurden. Mit Blick auf die vielen eleganten
Autos, die vor noch eleganteren Häusern parkten, beschlich mich das Gefühl,
dass die Art der Fußgänger hier gar nicht mehr vorgesehen ist. Auf der
Prinzenhöhe, der Name ist Programm, geht man nicht zu fuß. Man fährt oder noch
besser man lässt sich fahren, so wie einst Ex-Umweltminister Klaus Töpfer, der
sich zu seinem klima- und entwicklungspolitischen Vortrag in seinem Dienstwagen
zur Wolfsburg chauffieren ließ. Auf eben diesen Umstand wurde er nach seinem
Vortrag denn auch von einem Umwelt-Aktivisten kritisch angesprochen. O-Ton:
„Sie sind ja heute auch nicht klimaneutral mit dem Fahrrad, sondern
umweltschädigend mit ihrem Dienstwagen angereist.“ Darauf antwortete der damals
schon 78-jährige Klaus Töpfer: „Sicher hätte ich mit einem Fahrrad anreisen
können. Doch dann wäre ich wohl nicht mehr in der Lage gewesen, Ihnen hier
einen Vortrag zu halten!“ Auch wenn ich, ganz ohne Chauffeur und Dienstwagen,
bis zu meinem 78. Geburtstag noch etliche steinige Kilometer auf meinem
Lebensweg zurücklegen muss, hatte ich gestern sehr viel Verständnis für Klaus
Töpfer. Ich muss als Fußgänger und als Fahrgast des öffentlichen Personennahverkehrs
schon froh sein, wenn die meisten vollmotorisierten Stadtmütter und Stadtväter,
die gegen die Verschuldung Mülheims angehen müssen, mit in Zukunft noch den
einen oder anderen ebenen Gehweg gönnen können und mir am Ende nicht auch noch
die Straßenbahnlinie unter meinem Sitzplatz wegsparen und ich demnächst nur
noch als Anhalter oder in Tagesmärschen meine Lokaltermine erreichen kann.
Dieser Text erschien am 15. Juni 2019 in der Neuen Ruhr Zeitung
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