Ich traue meine Ohren und Augen nicht. Aber die
elektronischen Anzeigetafeln und die Lautsprecherdurchsagen an der zentralen
Haltestelle lassen mich wissen: „Wegen einer Betriebsversammlung der Ruhrbahn
kommt es heute zu Ausfällen und Unregelmäßigkeiten im öffentlichen
Personennahverkehr!“ Na, das ist ja mal was neues. Bisher kannte ich nur
klimatische Kapriolen, Unfälle aller Art oder auch schon mal eine
heruntergerissene Oberleitung als Begründungen für Verspätungen und Ausfälle. Mit
Naturgewalten oder menschlichem Versagen muss man ja immer rechnen. Aber mit
einer Betriebsversammlung am hellichten Tag?
Natürlich am hellichten Tag. Nachts müssen die Bus- und
Bahnfahrer ja schlafen, damit sie tagsüber am Steuer nicht einschlafen und dann
wieder Unfälle bauen, die wieder zu Verspätungen und Ausfällen im öffentlichen
Personennahverkehr führen. Und während ich Bahn, Bahn sein lasse und ein Taxi
nehme, um pünktlich zu meinem Termin zu kommen, denke ich darüber nach wie ich
mein Taxigeld von der Ruhrbahn zurückbekommen könnte. Aber dann fällt mir ein,
dass sich die Damen und Herrn Bus- und Bahnfahrer vom Sitzstreik eines
chronisch unpünktlichen und unterbezahlten
Fahrgast nicht beeindrucken lassen werden, zumal ich als Steuerzahler
ohnehin auch die Millionenzuschüsse für Busse und Bahnen mitbezahlen muss. Dann
sehe ich es mal staatstragend und begreife mein betriebsversammlungsbedingt
bezahltes Taxigeld als Preis der Demokratie. Auch mit ihr muss man ja Gott sei
Dank rechnen und hoffen, dass sie in Fahr kommt oder in Fahrt bleibt und ihre
Steuerleute unser Stadt- und Staatsschiff auf Kurs halten und in die richtige
Richtung und nicht gegen die Wand, auf den Holzweg oder in eine Sackgasse
fahren. Denn sonst müssen wir alle draufzahlen.
Dieser Text erschien am 14. Juni 2019 in der Neuen Ruhr
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