Freitag, 14. Juni 2019

Der Preis der Demokratie


Ich traue meine Ohren und Augen nicht. Aber die elektronischen Anzeigetafeln und die Lautsprecherdurchsagen an der zentralen Haltestelle lassen mich wissen: „Wegen einer Betriebsversammlung der Ruhrbahn kommt es heute zu Ausfällen und Unregelmäßigkeiten im öffentlichen Personennahverkehr!“ Na, das ist ja mal was neues. Bisher kannte ich nur klimatische Kapriolen, Unfälle aller Art oder auch schon mal eine heruntergerissene Oberleitung als Begründungen für Verspätungen und Ausfälle. Mit Naturgewalten oder menschlichem Versagen muss man ja immer rechnen. Aber mit einer Betriebsversammlung am hellichten Tag?

Natürlich am hellichten Tag. Nachts müssen die Bus- und Bahnfahrer ja schlafen, damit sie tagsüber am Steuer nicht einschlafen und dann wieder Unfälle bauen, die wieder zu Verspätungen und Ausfällen im öffentlichen Personennahverkehr führen. Und während ich Bahn, Bahn sein lasse und ein Taxi nehme, um pünktlich zu meinem Termin zu kommen, denke ich darüber nach wie ich mein Taxigeld von der Ruhrbahn zurückbekommen könnte. Aber dann fällt mir ein, dass sich die Damen und Herrn Bus- und Bahnfahrer vom Sitzstreik eines chronisch unpünktlichen und unterbezahlten  Fahrgast nicht beeindrucken lassen werden, zumal ich als Steuerzahler ohnehin auch die Millionenzuschüsse für Busse und Bahnen mitbezahlen muss. Dann sehe ich es mal staatstragend und begreife mein betriebsversammlungsbedingt bezahltes Taxigeld als Preis der Demokratie. Auch mit ihr muss man ja Gott sei Dank rechnen und hoffen, dass sie in Fahr kommt oder in Fahrt bleibt und ihre Steuerleute unser Stadt- und Staatsschiff auf Kurs halten und in die richtige Richtung und nicht gegen die Wand, auf den Holzweg oder in eine Sackgasse fahren. Denn sonst müssen wir alle draufzahlen. 

Dieser Text erschien am 14. Juni 2019 in der Neuen Ruhr

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