Montag, 23. Oktober 2017

Erinnerung an Heinz Oskar Vetter: Der Deutsche Gewerkschaftsbund und die Hans-Böckler-Stiftung ehrten den ehemaligen DGB-Bundesvorsitzenden und Europaabgeordneten mit einer Veranstaltung in der Stadthalle

Elmar Brok
Am Samstag wäre der langjährige DGB-Chef und Europaabgeordnete Heinz-Oskar Vetter 100 Jahr alt geworden. Mit einer Gedenkveranstaltung in der Stadthalle machten der Deutsche Gewerkschaftsbund und seine Hans-Böckler-Stiftung (HBS) deutlich, dass das Erbe des 1990 in seiner Wahl-Heimat Mülheim gestorbenen Gewerkschafters und Europapolitikers auch heute inspirierend und wegweisend wirken kann.

Michael Guggemos, Sprecher der HBS-Geschäftsführung erinnerte daran, dass es der DGB-Chef Heinz Oskar Vetter, war, der ins seiner Amtszeit (1969 bis 1982) die Gründung der Hans-Böckler-Stiftung durchsetzte, um die Gewerkschaftsarbeit vor allem im Bereich der betrieblichen Mitbestimmung wissenschaftlich zu begleiten und Begabte mit Stipendien zu fördern.
„Vetter war davon überzeugt und arbeitete dafür, dass Unternehmen nicht nur der Gewinnmaximierung dienen, sondern auch einen gesellschaftlichen Zweck erfüllen, in dem sie einen Beitrag zur einer guten und gerechten Gesellschaft leisten müssen“, sagte Guggemoos. In Vetters Geist, so Guggemos, arbeite die Hans-Böckler-Stiftung derzeit zusammen mit Wissenschaftlern der Universitäten St. Gallen und St. Georgen an Modellen für eine demokratischere und sozial gerechtere Wirtschaftspolitik in Zeiten der Globalisierung,

Der Christdemokrat Elmar Brok, der seit 1980 dem Europäischen Parlement angehört und den 1979 ins Europäische Parlament gewählten Sozialdemokraten Heinz Oskar Vetter (bis 1989) als Parlamentskollegen kennengerlernt hat, erinnerte daran, dass sich Vetter bereits damals um das Thema Migration gekümmert und 1987 vorschlug, einen europäischen Marshall-Plan zu initiieren, um eine massenhafte Armuts-Flucht nach Europa zu verhindern.

„Seine Forderung“, so Brok, „ist heute aktueller denn je. Wir brauchen einen europäischen Marshallplan für Afrika. Sonst werden wir eine drohende Völkerwanderung nicht bewältigen können.“ Außerdem plädierte der Chef der christdemokratischen Arbeitnehmerschaft in Europa für gleiche Löhne und Sozialstandards in der Europäischen Union, „damit sich die Menschen in der EU zuhause fühlen.“ Mit Sorge sieht Brok, „dass heute bereits 50 Prozent der ostdeutschen Unternehmen aus der Tarifvertragsbindung ausgestiegen sind.“

Reiner Hoffmann, der als DGB-Chef seit 2014 Vetters mittelbarer Nachfolger ist, erinnerte an dessen Verdienste beim Auf- und Ausbau der parteiunabhängigen Einheitsgewerkschaften und bei der 1976 durchgesetzten Ausdehnung der betrieblichen Mitbestimmung auf alle Kapitalgesellschaften.
Hoffmann erinnerte daran: „Vetter wusste, dass die Richtungsgewerkschaften der Weimarer Republik zu schwach waren, um 1933 ihre Zerschlagung durch die Nationalsozialisten zu verhindern. Deshalb hütete er die Einheitsgewerkschaften, wie seinen Augapfel und verhinderte, dass die christlich-sozialen Kräfte im DGB nicht übergangen und marginalisert wurden.“
Doch mit Blick auf seine Jugend im Nationalsozialismus und den Untergang der gewerkschaftseigenen Neuen Heimat in seinen letzten Jahren als DGB-Chef machte Hoffmann auch deutlich, dass Vetters Biografie Schatten und Brüche hatte.
„Auch wenn Vetter als DGB-Chef die kriminellen Machenschaften bei der Neuen Heimat konsequent aufklären ließ und dafür sorgte, dass die Mutschuldigen zur Rechenschaft gezogen wurden, warf der Skandal um die Neue Heimat einen langen Schatten auf Vetters Amtszeit als DGB-Vorsitzender“, unterstrich Reiner Hoffmann.

Dieser Text erschien am 23. Oktober 2017 in der NRZ und in der WAZ

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