Montag, 2. Oktober 2017

Welches Ei darf's denn sein?

Wie alle Menschen, die noch ein Leben ohne Handy, Smartphone und E-Mail kennen gelernt haben, mache ich mich über Menschen lustig, die vielleicht ohne ihre Frau oder ihren Mann,, aber nie ohne ihr Smartphone aus dem Haus gehen würden.

Kommunikation bedeutet für digitale Zeitgenossen vor allem das Versenden von Mail und What's App-Nachrichten. Sie schauen lieber auf ihr Display als in die Zeitung oder auf ihre Mitmenschen. 

Doch jetzt überzeugte mich ein Geschlechtsgenosse im Supermarkt, dass man(n) heute nicht ohne Smartphone aus dem Haus, geschweige denn einkaufen gehen kann. Der Mann stand verzweifelt vor einer Kühlung mit diversen Eiern. Welche sollten es sein? Eier von Freilandhühnern? Oder Eier aus der Bodenhaltung? Und welcher Bauernhof aus welcher Region durfte es sein, damit beim nächsten Frühstück wirklich alles Friede, Freude, Eierkuchen wäre?

Im Bewusstsein der jüngsten Lebensmittelskandale und angesichts der ehelichen Erkenntnis: "Bloß keinen Ärger mit der besseren Hälfte" schritt der Mann zur Tat und rief via Smartphone seine Frau an. Doch im ersten Anlauf wurden sich die Beiden nicht einig, welches Ei auf ihren Frühstückstisch oder in die Pfanne kommen solle. Doch der Mann hatte Gott sei Dank nicht nur ein Handy, das wäre ja schon wieder von gestern, sondern ein Smartphone. Mit dem konnte er alle Eierschachteln und die dort aufgedruckten Herkunfts- und Qualitäts-Informationen abfotografieren und per Mail an seinen heimischen Einkaufs-Leitstand senden. Erst als er von dort aus grünes Licht von seiner Ehefrau bekam, setzte er seinen Einkauf fort.

Ist die Digitalisierung doch das Ei des Kolumbus, wenn sie den Hausfrieden retten kann? Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie am besten Ihren Psychotherapeuten, ihren Markthändler oder einen Landwirt Ihres Vertrauens. Oder lassen Sie Ihre Frau einkaufen und schalten solange Ihr Smartphone aus.

Dieser Text erschien am 2. Oktober 2017 in der Neuen Ruhr Zeitung 

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