In ihren Blaumännern und Arbeitsschuhen, die sie von der Firma Mewa geschenkt bekommen haben, sehen die Siebtklässler der Max-Kölges-Schule schon sehr erwachsen aus. Erst wenn man näher kommt und in ihre jungen Gesichter schaut, merkt man: Hier arbeiten keine Auszubildenden, sondern 13 und 14 Jahre alte Schüler an der Standbohrmaschine oder mit dem Lötkolben.
An ihrem ersten Schnuppertag, dem noch fünf weitere folgen werden (siehe Kasten), lernen sie die Metall,- Elektro- und Holzwerkstätten im Berufskolleg Stadtmitte an der Kluse kennen. Obwohl ihr Techniklehrer Torsten Neumann auch mitgekommen ist, werden die insgesamt 38 Mädchen und Jungen von der Max-Kölges-Schule von Werksmeistern des Berufskollegs betreut. Gearbeitet wird jeweils in Sechsergruppen.
„Das ist für mich eine neue Erfahrung, die mich positiv überrascht hat. Ich hätte mir das schwieriger vorgestellt. Aber die Schülerinnen sind mit Bereitschaft und Interesse dabei“, berichtet Metall-Werksmeister Thomas Lebbing. An diesem ersten Schnuppertag arbeiten an seiner Standbohrmaschine übrigens ausschließlich Mädchen. Sie bohren Löcher in eine Messingplatte, in die sie später ihren Namen gravieren werden. Das Arbeitsziel des ersten Schnuppertages ist ein Türschild, das sie mit nach Hause nehmen können.
„Die Löcher da reinzumachen ist gar nicht so leicht, aber spannend. Das könnte mich interessieren“, sagt Lela Eroglu. Auch ihre Mitschülerinnen Iman Abbas und Dilan Inam sind davon begeistert, wie Werksmeister Lebbing an den professionellen Umgang mit der Standbohrmaschine heranführt und sie immer wieder probieren lässt, bis sich ihr erstes Werksstück sehen lassen kann.
„Wichtig ist, dass die Schülerinnen die Angstbarriere gegenüber der Maschine, die ja auch einigen Krach macht, verlieren und bei uns frühzeitig eine Vorstellung davon bekommen, was sich hinter Berufsbildern, wie zum Beispiel der Zerspanungs- und Industriemechanik verbirgt, damit sie den für sich richtigen Weg einschlagen“, meint Lebbing.
Sein Meister-Kollege Clemens Vatter aus der Elektrowerkstatt des Berufskollegs hat es an diesem ersten Schnuppertag ausschließlich mit Jungs zu tun. „Sie sind doch lebhafter als ich dachte. Wenn man ihnen etwas erklären muss, ist es schwierig. Aber sobald sie selbst handwerklich arbeiten, sind sie sehr ruhig und konzentriert dabei“, schildert er seinen ersten Eindruck von den Werksschülern.
Die bauen einen kleinen Ampelmann mit Leuchtdioden, Widerständen und einem Schaltkreis mit Batterie und Schalter. „Das Löten ist das Schwierigste. Dafür braucht man viel Fingerspitzengefühl“, meint nicht nur der 14-jährige Artur Musenov, den der Elektromeister „als besonders pfiffig“ beschreibt. „Das ist gar nicht so leicht. Denn man muss den Lötkolben und die Kontakte gleichzeitig sehr ruhig halten, damit man sich nicht die Finger verbrennt“, räumt Meister Vatter ein.
Auch Techniklehrer Torsten Neumann ist nicht nur von der modernen Maschinentechnik des Berufskollegs, sondern auch von der Disziplin seiner Schüler positiv überrascht. „Sie verlassen den geschützten Raum der Schule, müssen Arbeitskleidung anziehen, sich auf neue Leute einstellen und sich an bestimmte Sicherheitsregeln halten. Diese besondere Situation ist schon viel näher an der Berufswirklichkeit dran, als wir das bei uns an der Schule nachstellen können, und das motiviert die Schüler“, glaubt Neumann. Der 14-jährige Artur, der jetzt schon weiß, dass er Elektriker werden will, gibt ihm Recht, wenn er sagt: „Diese Erfahrung hilft mir, gut zu arbeiten. Denn in der Schule lerne ich vor allem Deutsch und Englisch. Aber hier kann ich etwas lernen, was ich ganz konkret für meinen späteren Beruf brauche.“
Die Rektorin der Max-Kölges-Schule, Gabriele Klar, und die stellvertretende Leiterin des Berufskollegs, Claudia Weymann, wissen, dass längst nicht alle Schüler wissen, was sie werden wollen. „Die Schüler sind jetzt noch jung genug, um sich einfach auszuprobieren und festzustellen: Das ist etwas für mich oder das ist nichts für mich, um dann vielleicht weiterzumachen oder noch mal umzuschwenken“, beschreibt Klar das Ziel der Zusammenarbeit zwischen Handwerkerschule und Berufskolleg. Und ihre Kollegin Weymann glaubt, „dass wir den Jugendlichen so unnötige Warteschleifen ersparen können, denn es gibt ja kein schlimmeres Misserfolgserlebnis, als wenn man eine Ausbildung, für die man nicht geeignet ist, abbrechen muss und so Lebenszeit verschwendet.“
Dieser Text erschien am 25. Februar 2013 in der NEUEN RUHR ZEITUNG
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