Dienstag, 19. Februar 2013

Nachgefragt: Wie stellt sich das Problem des jugendlichen "Komasaufens" in Mülheim dar?

„Alkoholexzesse bei Jugendlichen nehmen zu“ titelte die NRZ gestern auf ihrer überregionalen Seite 1. Nach Angaben des statistischen Bundesamtes mussten 2011 bundesweit 26?349 Jugendliche in Folge sogenannten Komasaufens in einer Klinik behandelt werden, 354 mehr als im Jahr davor, aber 79 weniger als 2009.


Für die rund 1000 Karnevalisten, die im Rosenmontagszug mitgehen und mitfahren, gilt übrigens seit elf Jahren ein striktes Alkoholverbot. Bei der Feuerwehr bestätigt man aber ein um etwa ein Drittel erhöhtes Einsatzaufkommen am Rosenmontag, führt jedoch keine Statistik darüber, wie viele Einsätze auf Alkoholmissbrauch zurückzuführen sind. Polizei und Ordnungsamt haben am Rosenmontag einen besonders aufmerksamen Blick auf alkoholisierte Jecken, vor allem, wenn sie noch sehr jung sind. Ist das sogenannte Komasaufen an den Karnevalstagen in Mülheim ein Problem und wie kann man helfen?

Nicht nur an den tollen Tagen treiben es manche zu toll, mit dem Alkohol. Gerade Jugendliche unterschätzen oft die Wirkung des Alkohols und dann kann aus Spaß ganz schnell bitterer Ernst werden. Das statistische Bundesamt weist einen erhöhten Behandlungsbedarf alkoholisierter Jugendlicher aus. Wie stellt sich die Situation in Mülheim dar und wie kann man stark alkoholisierten Jugendlichen helfen? Darüber sprach ich für die NRZ vor dem Beginn des Straßenkarnevals mit Ernst-Georg Holstein, der seit 2004 die Zentralambulanz des Evangelischen Krankenhauses leitet.


Werden bei Ihnen an den Tollen Tagen viele alkoholisierte Patienten eingeliefert?

Eigentlich nicht. Da muss man wohl in andere Städte gehen. Mülheim ist diesem Punkt eher ein laues Pflaster. Obwohl wir einige Räume am Rosenmontag mit Matratzen auslegen, um auf einen möglichen Ansturm vorbereitet zu sein. Doch am Rosenmontag 2012 hatten wir bei uns zwei „Alkoholleichen“, wobei das Wort vielleicht etwas übertrieben ist. An manchen Abiturfeiertagen hatten wir es dagegen auch schon mal mit fünf oder sechs „Alkoholleichen“ zu tun. In der gesamten Zeit, in der ich hier tätig war, hatten wir nur einen Fall, in dem ein stark alkoholisierter Patient auf der Intensivstation beobachtet werden musste. Dieser Fall hatte aber mit Karneval gar nichts zu tun. Insgesamt haben ich den Eindruck, dass wir an den Karnevalstagen nicht mit mehr Patienten zu tun haben, die mit einem akuten Alkoholproblem eingeliefert werden.

Ist das Problem Komasaufen bei uns also rückläufig?

In der Zeit, die ich überblicken kann, ist die Zahl der alkoholisierten Patienten gleichgeblieben und im letzten Jahr eher zurückgegangen, obwohl ich nicht sagen kann, ob dieser Trend anhält.

Was kann man tun, wenn man zum Beispiel beim Rosenmontagszug auf stark alkoholisierte Menschen trifft?

Wenn Leute sich schon ins Koma getrunken haben und bewusstlos sind, sollte man auf keinen Fall weggucken, sondern sofort Polizei oder Rettungsdienste informieren, die ja auch an der Zugstrecke stationiert sind und die Betroffenen ins Krankenhaus bringen können. Auch wenn man alkoholisierte Jugendliche sieht, sollte man im Zweifel sofort die die Einsatzkräfte von Polizei und Ordnungsamt darauf hinweisen.

Wie kann man Erste Hilfe leisten?

Es ist wichtig, die Betroffenen möglichst schnell in eine stabile Seitenlage zu bringen, so dass der Oberkörper leicht nach vorne gebeut ist und Erbrochenes sofort abfließen kann. Mehr kann man als normaler Mensch vor Ort nicht machen.

Wie werden stark alkoholisierte Patienten bei Ihnen in der Zentralambulanz versorgt?

Sie werden in eine stabile Seitenlage gebracht und bekommen eine Infusion in Form einer Zuckerlösung, weil beim Alkoholabbau Zucker verbraucht wird. Und dann werden die Patienten für ein paar Stunden überwacht. Bei Jugendlichen informieren wir nach Möglichkeit auch die Eltern. Das hat manchmal auch einen wohltuenden erzieherischen Effekt, wenn Eltern für ein paar Stunden neben ihrem alkoholisierten Zögling ausharren und so bei seiner Überwachung mithelfen müssen.

Hintergrund: 34 Prozent aller Straftaten werden nach Angaben von Petra Dahles unter Alkoholeinfluss verübt. Das betrifft vor allem den Bereich der Körperverletzungen. Die im Bereich Vorbeugung tätige Kriminalhauptkommissarin ist in der Karnevalszeit verstärkt an Schulen unterwegs, um mit Jugendlichen und Eltern den Risikofaktor Alkohol zu thematisieren. Bei ihren Einsätzen am Rosenmontag hat sie festgestellt, dass die Zahl der alkoholisierten Jugendlichen, die von Polizei und Ordnungsamt aufgegriffen worden sind und ihren Alkohol vor Ort ausschütten mussten, in den letzten sieben Jahren von 30 auf fünf zurückgegangenen ist. Bei der Feuerwehr bestätigt man ein erhöhtes Einsatzaufkommen am Rosenmontag, führt aber keine Statistik darüber, wie viele Einsätze auf Alkoholmissbrauch zurückzuführen sind.
Dieser Text erschien am 7. Februar 2013 in der Neuen Ruhr Zeitung

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